Die Welt feiert “La Mannschaft”. Der Sieg der deutschen Fußballer in Brasilien war ein Triumph der Gruppe. 23 Profis haben über Wochen hinweg an einem Strang gezogen. Das hat den Unterschied zu Teams mit herausragenden Einzelkönnern, aber weniger Gruppengeist gemacht, war gleich nach dem Abpfiff in Rio de Janeiro zu hören. Messi, Ronaldo und Neymar können einpacken, wenn sie auf eine funktionierende Gemeinschaft treffen.
Zeit für ein Loblied auf den Teamgeist, zu dem Ökonomen eine Menge beizutragen haben. Sie wissen schon lange: Menschen bringen in der Gruppe sehr oft bessere Leistungen, als wenn sie allein arbeiten. Seit Jahren erforschen sie, wie Teams am Arbeitsplatz am besten zusammengesetzt werden, damit es mit der Leistungssteigerung klappt. Zeitgleich zur Weltmeisterschaft haben zwei amerikanische und ein australischer Forscher nun eine Studie veröffentlicht, die nahelegt, dass Teamwork sogar das Zeug dazu hat, den Charakter und gesellschaftliche Normen positiv zu beeinflussen.
Zufällig fanden die Ökonomen im WM-Gastgeberland Brasilien die optimalen Voraussetzungen für ihre Feldforschung. Sie studierten keine Fußballteams, sondern die Bewohner zweier Fischerdörfer, die gerade mal 50 Kilometer voneinander entfernt liegen, aber einen entscheidenden Unterschied haben: Das erste Dorf grenzt an einen See, die Männer gehen dort jeder für sich mit kleinen Booten und handlichen Netzen fischen. Das zweite Dorf liegt am offenen Meer. Wellen würden kleine Boote auf hoher See umwerfen. Die Männer ziehen in größeren Booten und in Gruppen aus drei bis acht Fischern los.
Die unterschiedliche Arbeitsorganisation hat Folgen: “In der Tat finden wir starke Verhaltensunterschiede zwischen den beiden Gruppen”, schreiben John List (University of Chicago), Uri Gneezy (University of California, San Diego) und Andreas Leibbrandt (Monash University).
Das Forschertrio lud mehr als 300 Fischer aus beiden Dörfern zu sieben verhaltensökonomischen Experimenten ein. Das bekannteste ist das Ultimatumspiel: Ein Fischer erhält einen bestimmten Geldbetrag und muss darüber entscheiden, welchen Anteil er einem zweiten (für ihn nicht erkennbaren) Spieler anbietet. Nur wenn dieser mit dem angebotenen Betrag einverstanden ist, wird das Geld ausgezahlt. Lehnt der zweite Fischer ab, gehen beide leer aus.
Die Fischer, die in der Gruppe arbeiten, boten im Schnitt fast 40 Prozent des Geldes, die Solofischer weniger als 30 Prozent. Jeder vierte Fischer aus dem Dorf am See bot gar nichts oder nur einen winzigen Bruchteil des Geldes an. Auch in den anderen Experimenten verhielten sich die Gruppenfischer kooperativer, großzügiger und vertrauenswürdiger. “Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Arbeitsplatzorganisation Kooperation im täglichen Leben erheblich beeinflussen kann”, folgern die Autoren. Soziale Normen seien erheblich von äußeren Einflüssen geprägt – und das Arbeitsumfeld spiele dabei eine bedeutende Rolle. Allerdings strahlt das Verhalten der Fischer offenbar nicht auf die übrigen Dorfbewohner ab. Die Frauen aus den beiden Dörfern zeigten in den Experimenten keine Verhaltensunterschiede.
Nimmt man das Ergebnis ernst, ist es bedauerlich, dass in bestimmten Wirtschaftszweigen Teamwork nahezu vollständig verschwunden ist. In der ländlichen Landwirtschaft beispielsweise war es bis in die achtziger Jahre ganz normal, in der Gruppe Schweine zu schlachten, Kartoffeln zu ernten oder Stroh einzufahren. Wegen des technischen Fortschritts und leistungsstarker Maschinen ist die Landwirtschaft heute weniger arbeitsintensiv. Der höheren Produktivität auf der einen Seite stehen weniger Teamarbeit und – glaubt man der Studie – weniger Kooperationsbereitschaft und Vertrauen in Alltag gegenüber. In anderen Wirtschaftsbereichen geht der Trend dagegen in die entgegengesetzte Richtung: Statt stupider Einzelarbeit am Fließband sind heute in der Industrie kreative Ideen der Gruppe gefragt.
Der schädliche Superstar-Effekt, der sich im Fußball bei Mannschaften wie Portugal und Brasilien gezeigt hat, ist in der ökonomischen Literatur nicht eindeutig nachgewiesen. Im Gegenteil: Forscher, die Teamwork in einer amerikanischen Näherei untersucht haben, kamen zu dem Schluss, dass Gruppen mit unterschiedlich leistungsfähigen Arbeitern im Schnitt besonders produktiv waren. Die Ökonomen erklären diese Beobachtung unter anderem damit, dass die weniger begabten oder motivierten Näherinnen und Näher von den Leistungsfähigeren lernten und angespornt wurden. In Deutschland wiesen Forscher nach, dass Gruppen mit einer gesunden Altersmischung besonders gut funktionieren.