Spötter sagen, Gordon Tullock sei der berühmteste Ökonom, der nie den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften bekam. Eher liberal gesinnte Volkswirte, die sich in der jüngeren Geschichte der politischen Ökonomie auskennen, hielten ihn bis zuletzt für einen würdigen Kandidaten für die höchste Auszeichnung in den Wirtschaftswissenschaften. Tatsache aber ist: 1986 ging Tullock leer aus.
Damals erhielt James Buchanan, der im vergangenen Jahr starb, die Ehrung für seine Arbeiten zur politischen Ökonomie. Eines der wichtigsten Bücher seiner Laufbahn, „The Calculus of Consent“, aber hatte Buchanan 1962 in enger Zusammenarbeit mit Tullock verfasst. Das Erstaunen war groß, dass nur einer der beiden mit dem Preis bedacht wurde.
Tullock und Buchanan legten mit dem Buch einen Grundstein für die Public-Choice-Schule, auch ökonomische Theorie der Politik genannt. Politiker sind in diesen Modellen nur nachrangig am Wohle der Wähler interessiert, vorrangig geht es ihnen um die Maximierung der Wählerstimmen oder des Steueraufkommens. Dieser nüchterne Blick erklärt viel der Ineffizienz und mancher Schlamperei im politischen Geschäft. Tullock näherte sich dem Thema mit der ihm eigenen Originalität, mit der Fähigkeit, quer zu denken und anzustoßen. „Natürlich gehe ich nicht wählen, wenn die Wahrscheinlichkeit, eine entscheidende Stimme abzugeben, geringer ist, als auf dem Weg zum Wahllokal vom Bus überfahren zu werden“, sagte er gerne.
Warum steckt nicht noch mehr Geld in der Politik?
Ende der sechziger Jahre thematisierte Tullock als erster, dass Unternehmen und Interessengruppen nach staatlich geschützten Einkommen und Machtpositionen streben. Andere fanden für diese Aktivitäten zum Schaden der Allgemeinheit später den Begriff „rent-seeking“. Tullock beklagte nicht nur die damit verbundene Verschwendung von knappen Ressourcen, sondern fand darin auch Denksportaufgaben. Warum, so fragte er, geben Unternehmen nicht noch viel mehr Geld aus, um Politiker zu beeinflussen, wo doch der damit verbundene monetäre Zugewinn so enorm groß ist?
Der Ökonom, der eigentlich studierter Jurist war und nur einen kurzen Kurs in Ökonomik erhielt, wurde 1922 in Rockford, Illinois, geboren. Auf die Studienzeit in Chicago folgten Jahre im auswärtigen Dienst mit Aufenthalten in China und Asien, bis er in die akademische Laufbahn hineinfand. Tullock war ausgesprochen vielseitig. Er kannte sich etwa gut in der chinesischen Geschichte aus und publizierte über die Ökonomik von Ameisenstaaten und Bienenvölkern. Zuletzt war er Professor an der George-Mason-University in Virginia.
Tullock, dem Selbstbewusstsein nicht fremd war, war bekannt für einen sehr trockenen Witz. Seine zwei Jahre in der ostchinesischen Hafenstadt Tianjin seien durch die kommunistische Besetzung der Stadt im Januar 1949 „belebt“ worden, berichtete er in einem Lebenslauf. Eine Übernachtung in Köln in Domnähe schilderte er Anfang der neunziger Jahre mit den Worten: „Ich stand auf, blickte aus dem Fenster, sah McDonald’s und dann fühlte ich mich zu Hause.“ Am Montag ist Tullock in Des Moines in Iowa im Alter von 92 Jahren gestorben.
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