Expansive Fiskalpolitik in der Krise lebt von der Idee des Multiplikators: Dass eine schuldenfinanzierte Erhöhung der Staatsausgaben zu einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts führt, die über dem Niveau der Erhöhung der Staatsausgaben liegt. Aber es gibt eine schlechte Nachricht für Altkeynesianer – eine neue Untersuchung zweier amerikanischer Ökonomen weckt Zweifel, dass dies gelingt und zieht damit den Nutzen expansiver Fiskalpolitik in der Krise in Zweifel.
“I change my mind all the time. That is the exciting part of being in economic research and studying the economy. You always see new people coming up with new ideas. It would be boring—frustrating—if there were all this good new work that was coming up and you did not change your mind and did not learn anything”
Harald Uhlig
In unserem FAZIT-Interview mit Rüdiger Bachmann spielte der aus der altkeynesianischen Theorie bekannte Multiplikator eine wichtige Rolle. Bachmann berichtete von empirischen Arbeiten, nach denen die Höhe des Multiplikators abhängig sei von der Wirtschaftslage und der Multiplikator in einer Krise einen Wert von etwa zwei erreichen könne, womit expansive Fiskalpolitik wirksam wäre. Der an der University of Notre Dame lehrende Makroökonom verwies aber auch auf eine aktuelle empirische Arbeit, die auf der Basis anderer statistischer Methoden zu anderen Ergebnissen gelange.
Diese von Valerie A. Ramey und Sarah Zubairy verfasste Studie liegt nun als ein vom amerikanischen National Bureau of Economic Research (NBER) veröffentlichtes Arbeitspapier vor. In der Tat gehen Ramey/Zubairy ziemlich ungnädig mit anderen Untersuchungen aus der jüngeren Vergangenheit um.
Als Datenbasis verwenden die beiden Autorinnen Zahlen aus den Vereinigten Staaten, die bis zum Jahr 1889 zurückreichen.
Ihre wesentliches Ergebnis lautet: Die Höhe des Multiplikators ist weitgehend unabhängig von der Wirtschaftslage. Der Multiplikator liegt zwischen 0,6 und 1. Das heißt, dass von expansiver Fiskalpolitik in der Krise nicht viel zu erwarten ist. Das gilt nicht nur für den traditionellen Fall einer schwachen Konjunktur, sondern auch für den speziellen Fall, dass der Zins an der Nullgrenze liegt.
Ob das die letzte Runde im Streit um die richtige statistische Methode ist?
Ergänzen wollen wir, dass es in diesen Studien um die Wirkung einer schuldenfinanzierten Steigerung der Staatsausgaben geht. Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit, bei der ein Staat Neuverschuldung akzeptiert, um anstelle von Staatsausgaben Steuersenkungen zu finanzieren. Die Wirkungsketten sind dann andere, weil sinkende Steuern auch positive Angebotseffekte haben können. Anscheinend existiert seit Untersuchungen von Christina Romer & David Romer (2010) zu diesem Thema nichts Neues 1) und auch diese Studie führte nach dem Eingeständnis der Autoren zu wenig handfesten Schlussfolgerungen: “Similarly, our results do not speak to the issue of whether taxes are a more powerful tool of fiscal policy than government purchases.”
Abschließend sei festgehalten, dass Fiskalpolitik in den vergangenen Jahren sehr viel seltener analysiert worden ist als Geldpolitik. Wer sich für eine lebhaft ausgetragene Debatte über Fiskalpolitik interessiert, sei auf das Transkript einer kontroversen Diskussion auf dem Jahrestreffen der American Economic Association Anfang 2013 in San Diego hingewiesen. Teilnehmer waren Valerie Ramey, Paul Krugman, Harald Uhlig und Carlo Cottarelli. Moderiert wurde das Panel von Brad DeLong, der das Transkript auf seinem Blog veröffentlicht hat.
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1) Für Hinweise auf mir unbekannte neue Arbeiten wäre ich dankbar.