Was sind die spannendsten Themen, über die Ökonomen auf ihren Konferenzen diskutieren? Welche wichtigen Arbeiten gilt es zu beachten? Wir eröffnen heute eine neue Rubrik: In loser Reihenfolge gibt Rüdiger Bachmann (University of Notre Dame) im Gespräch mit FAZIT Einblick in Konferenzen, an denen er teilgenommen hat.
Herr Bachmann, Sie waren gerade zu Besuch in Deutschland. Über welche Konferenz wollen Sie heute berichten?
Ich war in München zur „Ifo Conference on Macroeconomics and Survey Data“.Das ist eine Konferenz, die ich vor fünf Jahren in Zusammenarbeit mit dem Ifo-Institut und der bekannten Konjunkturforschungsabteilung ins Leben gerufen habe. Das Ifo ist ja bekannt für seinen Index, aber was vielleicht die wenigsten wissen ist, dass ja hinter dem Ifo-Index viele Einzelantworten auf viele Einzelfragen liegen, die oft gar nicht genutzt werden. Das wollten wir ändern und dazu interessierte Forscher einladen. Inzwischen aber ist die Konferenz ganz breit aufgestellt. Vor allem liegt mir mit der Konferenz auch der transatlantische Wissensaustausch vor allem von jungen deutschen Forschern mit etablierten US-Ökonomen am Herzen.
Dabei geht es um Mikrodaten, die auch für die Makroökonomik wichtig sein können. Was hat es damit auf sich?
Nun, moderne Makroökonomik wird ja als sogenannte mikrofundierte Makroökonomik betrieben, das heißt von mikroökonomischen Überlegungen abgeleitet und dann wird aggregiert. Das hat man meiner Meinung nach viel zu lange mit diesem komischen repräsentativen Agenten gemacht, dabei aber vergessen, wie verschieden doch reale ökonomische Akteure hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, Einkommen, Vermögen, Erwartungen, und Präferenzen sein können. Um diese Verschiedenheiten zu ergründen, brauchen wir Mikrodaten. Ich selbst habe dabei zur Erwartungsbildung von Firmen mit Hilfe der Einzelantworten des Ifo-Konjunkturtests geforscht. Aber auch auf der Konferenz waren neue Mikro- und sogenannte Mesodaten von zentraler Bedeutung.
Das ist ja interessant. Worüber lohnt es sich, besonders zu reden?
Es gab zwei Keynotes in München, beide lohnen sich. Valerie Ramey, von der UC San Diego, untersucht empirisch die Idee von sogenannten Newsschocks. Das geht auf Arthur Pigou zurück: die Idee, dass gute Neuigkeiten über die Zukunft schon heute Booms auslösen können, egal ob sie sich später materialisieren oder nicht. Das Problem dabei: Wie kann man das testen? Wie kann man News sozusagen aus dem Datengewirr extrahieren? Ramey und Ko-Autoren machen das nun ganz clever: Sie stellen eine Datenbank auf, in dem sie ganz klare Neuigkeiten zu Öl-und Gasvorkommen dokumentieren und fragen, welche Auswirkungen diese Neuigkeiten für die wirtschaftliche Aktivität eines Landes haben kann – wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, zu dem noch nicht ein Tropfen Öl aus dem Boden geholt wurde.
Und was kommt dabei raus?
Es ist interessant: Das BIP geht langsam nach oben, der Konsum steigt sofort und die Investitionen ebenso. Und die Leistungsbilanz des Landes verschlechtert sich, was die sogenannte intertemporale Theorie der Leistungsbilanz, nach der die Leistungsbilanz eines Landes das Ergebnis von dynamischen Spar- und Investitionsentscheidungen ist, bestätigt. Jetzt gibt es aber noch ein interessantes Ergebnis: Die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung sinkt.
Warum das?
Nun, es ist besser, später zu arbeiten, denn billigeres Öl in der Zukunft macht Arbeit produktiver, also jetzt erst einmal Pause machen. Ebenso sind die Menschen reicher und wollen sich zum Teil auch Freizeit einkaufen. Man denke nur daran, dass in reichen Ländern oft weniger gearbeitet wird als in armen Ländern. Das sagt übrigens genau so die neoklassische Theorie voraus, eine gute Bestätigung. Aber das sind schlechte Nachrichten für alle die, die glauben, dass Newsschocks die Konjunktur antreiben, denn über den Konjunkturverlauf verändern sich BIP, Konsum, Investitionen und Beschäftigung alle im Gleichklang.
Worum ging es in der anderen Keynote?
Fatih Guvenen, von der University of Minnesota, untersucht anhand der amerikanischen Sozialversicherungsdaten Ungleichheitstrends im Lohneinkommen und entdeckt – gerade nach Piketty – durchaus einige interessante Fakten. Erstens: Die größere Ungleichheit in Arbeitseinkommen ist nicht dadurch getrieben, dass die Ungleichheit innerhalb von Firmen nach oben ging, also Chef versus Arbeiter. Vielmehr ist der Auslöser, dass Firmen untereinander immer ungleicher werden, was ihre Löhne angeht. Es scheint also sehr und immer mehr darauf anzukommen, bei welcher Firma ein Arbeitnehmer angestellt ist, wenn man seinen materiellen Wohlstand vorhersagen will. Zweitens: Man sieht eher einen Abwärtstrend darin wie stark das Arbeitseinkommen individueller Personen schwankt, das heißt, wie hoch das Einkommensrisiko von Individuen ist. Mit anderen Worten, der Arbeitsmarkt ist jedenfalls in den Vereinigten Staaten eher sicherer für den einzelnen geworden als umgekehrt. Drittens: Es sind die besonders Reichen, die prozentual massive Arbeitseinkommensverluste in der letzten Rezession hinnehmen mussten, nicht die Geringverdiener.
An Pikettys Arbeit gab es methodische Kritik. Wie sieht das bei dieser Studie aus?
Ein Problem der Untersuchung ist ganz sicher, dass sie nur Arbeitseinkommen umfasst, nicht auch Kapitaleinkommen. Guvenen hat mit einem Appell geendet, dass mehr Geld in die Erstellung und Nutzbarmachung solcher Datensätze fließen sollte, da sie wichtig sind für die wirtschaftspolitische Diskussion und für einen Bruchteil des Geldes, das etwa in den Naturwissenschaften (Raumfahrt) ausgegeben wird, zu haben wären.
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(Die Fragen stellte Johannes Pennekamp.)