Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Hohe Schulden drücken den Ölpreis

Öl ist nicht nur ein physischer Rohstoff, es muss auch wie eine Kapitalanlage analysiert werden. Die BIZ sieht Zusammenhänge zwischen der hohen Dollarliquidität, einer rasch wachsenden Verschuldung von Ölunternehmen und den kräftigen Fall des Ölpreises seit dem letzten Jahr. Es gibt interessante Parallelen zur Situation nach dem Untergang von Lehman Brothers.

Der tiefe Fall des Ölpreises lässt sich nicht alleine mit Veränderungen des Angebots und der Nachfrage nach physischem Öl erklären, auch wenn vor allem die Entscheidung der OPEC, ihre Produktion nicht zu erhöhen, eine wichtige Rolle gespielt hat. Nach Ansicht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ist es wichtig, Öl auch als Anlagegut zu betrachten, um die jüngste Preisentwicklung zu erklären. Dies ist ein Beispiel für Wechselwirkungen zwischen dem Finanzsektor und der Realwirtschaft. 1) Erkennen lassen sich vor allem zwei Effekte: 2)

1. Hohe Verschuldung

In einem neuen Bericht werfen die Ökonomen der BIZ einen Blick auf die überdurchschnittlich starke Zunahme der Verschuldung von Unternehmen aus der Ölbranche in den vergangenen Jahren. So ist das Volumen der von diesen Unternehmen begebenen Anleihen von rund 200 Milliarden Dollar im Jahre 2007 auf mehr als 800 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr gestiegen. Viele Unternehmen auch außerhalb der Vereinigten Staaten haben die niedrigen Zinsen und die großzügige Liquidität genutzt, um sich in Dollar zu verschulden. Dieses Phänomen lässt sich nicht nur in der Energiebranche beobachten: Der Chefökonom der BIZ, Hyun Song Shin, bezeichnet die wachsende Verschuldung von Unternehmen aus Schwellenländern durch die Ausgabe von Anleihen in Dollar und Euro als “zweite globale Phase der Liquidität” nach der starken Verschuldung bei Banken vor rund zehn Jahren.

Die Aufwertung des Dollar und der Fall des Ölpreises setzt hoch verschuldete Unternehmen aus der Ölbranche unter Druck, da der Wert ihrer Ölreserven, die als Deckung für ihre Schulden dienen, abnimmt. Die Risikoprämien für Anleihen mit schwacher Bonität sind bereits deutlich gestiegen. Um liquide zu bleiben und ihre Schulden bedienen zu können, sehen sich diese Unternehmen daher veranlasst, ihre Produktion nach Kräften zu steigern und ihr Öl auf den Markt zu werfen, unter anderem auf dem Terminmarkt. Wegen ihrer finanziellen Zwänge tragen diese Unternehmen mit ihren Verkäufen zu einem fallenden Ölpreis bei, obgleich sie eigentlich an einem höheren Ölpreis interessiert sein müssten. Dieses Verhalten erinnert an die massiven Verkäufe von Wertpapieren durch Banken und Hedgefonds nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im Herbst 2008. Um liquide zu bleiben und Schulden schnell zu tilgen verkauften Finanzunternehmen damals in großem Stil Wertpapiere, die sie als Deckung für Kredite gehalten hatten. Mit ihren Verkäufen beschleunigten die Finanzunternehmen den Kursverfall der Wertpapiere, obgleich sie eigentlich an steigenden Wertpapierkursen interessiert sein müssten. Diese “fire sales” können, wie in FAZIT häufiger beschrieben, schwere Krisen auslösen (zum Beispiel hier und hier).

2. Fehlende Liquidität

Der Preisverfall dürfte nach den Analysen der BIZ auch durch eine nachlassende Liquidität an den Terminmärkten für Rohöl begünstigt worden sein. Traditionell haben sich viele Ölförderer durch Absicherungsgeschäften an Terminmärkten (“Hedging”) gegen zukünftige Preisschwankungen abgesichert. Das ging durch den Verkauf von Terminkontrakten oder den Kauf von Verkaufsoptionen (“Puts). In früheren Jahrzehnten stellten andere Unternehmen aus der Ölbranche, vor allem Händler, die Liquidität bereit, indem sie sich als Gegenpartei zur Verfügung stellten. Mit der wachsenden Bedeutung der Rohstoffe als Anlageklasse bildeten immer häufiger Finanzunternehmen die Gegenpartei an den Terminmärkten für Rohstoffe. Unter anderem wegen strengerer Regulierungen ziehen sich nunmehr Finanzunternehmen aus dem Handel an Rohstoff-Terminmärkten zurück – das Ergebnis ist eine rückläufige Liquidität, die zu größeren Preisbewegungen führt. Die verbleibenden Händler wiederum werden zurückhaltender, mit hoch verschuldeten Ölunternehmen Geschäfte zu tätigen. Diese zunehmende Volatilität als Ergebnis nachlassender Liquidität ist ebenfalls an den Anleihemärkten zu beobachten. Auch dort ziehen sich Finanzunternehmen aus ihrer früheren Rolle als “Marktmacher” zurück.

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1) Dieses “Macrofinance” genannte Gebiet haben wir häufig behandelt; eine Zusammenfassung befindet sich hier.

2) Nicht verschwiegen sei, dass die Analyse der BIZ zumindest in Teilen auch auf Kritik gestoßen ist. Macrofinance ist, wie wir schon mehrfach geschrieben haben, kein abgeschlossenes< Gebiet. Die BIZ will die Beziehungen zwischen Schulden und Ölpreis in ihrem kommenden Quartalsbericht, der im März erscheint, ausführlich analysieren.