Datenauswertung kann Unternehmen ganz neue Erkenntnisse über ihre Kunden bringen. Wer nicht aufpasst, zahlt drauf.
Warum funktioniert Verbrauchermacht? Weil ein paar Leute aufpassen. Zum Beispiel im Supermarkt. Da gibt es immer ein paar Kunden, die den aktuellen Milch- und Butterpreis ganz genau im Kopf haben. Wenn ein Supermarkt zu teuer wird, dann gehen sie zum anderen. Und zwingen den Supermarkt so, seine Preise wieder zu senken. Davon profitiert auch der große Rest der Supermarktkunden: Sie bekommen billige Milch, ganz ohne darüber nachzudenken.
Dank Digitalisierung und Internet sind die Verbraucher sogar noch mächtiger geworden. Wer für den Urlaub ein gutes Hotel sucht, braucht keinen Reiseführer mehr – er kann auf die Hotelbewertungsseiten gucken und von der Arbeit der Leute profitieren, die dort lange Rezensionen geschrieben haben. Ebay hat deshalb so gut funktioniert, weil Käufer und Verkäufer sich gegenseitig bewerten konnten. So konnten die nächsten Nutzer direkt von den Erfahrungen der anderen profitieren. Das Internet und die Bewertungen machen sogar Zertifikate überflüssig: Zu Uber-Fahrern haben Kunden auch ohne Taxischein Vertrauen, weil die Uber-Fahrer von früheren Passagieren bewertet worden sind.
Die Digitalisierung hat’s gegeben – die Digitalisierung wird’s vielleicht nehmen. Vielleicht kommt die technische Entwicklung bald an einen Punkt, an dem sich das dreht. An dem Unternehmen die Dummheit ihrer Kunden ausnutzen können – oder auch nur deren Unaufmerksamkeit. Darauf hat Achim Wambach, Mitglied der Monopolkommission, auf einer Tagung der Ludwig-Erhard-Stiftung hingewiesen: Er zum Beispiel passt im Supermarkt nie auf die Preise auf, sagt er. Was passiert jetzt, wenn der Supermarkt das bemerkt und für ihn individuell die Preise erhöht? Dann funktioniert die Verbrauchermacht und ein Teil des automatischen Verbraucherschutzes auf dem Markt nicht mehr richtig.
Verbraucherschutz kann schädlich sein
Tatsächlich gibt es schon lange Gerüchte darüber, dass Unternehmen vor allem im Internet schon lange von unterschiedlichen Kunden unterschiedliche Preise verlangen. Das wäre das, was Ökonomen “Preisdiskriminierung 1. Ordnung” nennen. Wirklich nachgewiesen wurde das bisher aber noch selten.
Doch es gibt solche Ansätze schon ganz ohne Internet. Darauf wurde vor zwei Jahren auf der Ökonomen-Tagung des Vereins für Socialpolitik in Düsseldorf hingewiesen. Fluggesellschaften verlangen Extra-Gebühren für Gepäck, das erst am Flughafen angemeldet wird und nicht schon beim Check-In. So zahlen die Kunden drauf, die nicht aufpassen – und die, die aufpassen, haben einen Vorteil. Aber wer das per Verbraucherschutz unterbindet, nimmt den Kunden den Anreiz aufzupassen – und am Ende stehen sie vielleicht schlechter da als ohne das Verbot.
Auf den Verbraucherschutz kommt eine neue Frage zu: Will er die Unternehmen so regulieren, dass die Leute nichts mehr denken müssen? Oder sollen die Leute, die aufpassen, einen Vorteil haben?
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