Bis heute rätseln Ökonomen in den Vereinigten Staaten, warum es in der Rezession nach Finanzkrise nicht zu einer Deflation gekommen ist. Auf der geldpolitischen Tagung in Jackson Hole wurde nun eine ungewöhnliche Erklärung präsentiert.
Zurück zu den Grundlagen: Preise steigen in einer Wirtschaft, weil sie von Unternehmen erhöht und von den Käufern akzeptiert werden. Und wenn viele Unternehmen in vielen Branchen die Preise erhöhen und viele Käufer dies akzeptieren, dann steigt auch das allgemeine Preisniveau.
Auf diesen scheinbar einfachen Schluss lässt sich eine Arbeit der Ökonomen Simon Gilchrist und Egon Zakrajsek bringen, die in diesen Tagen auf der geldpolitischen Tagung von Jackson Hole präsentiert wurde. Das Ungewöhnliche an ihrer Arbeit ist der Nachweis, dass viele amerikanische Unternehmen ausgerechnet in einer Rezession mit Erfolg ihre Preise erhöht haben. Denn eigentlich geht man davon aus, dass in einer Rezession Unternehmen ihre Preise im Zweifel senken (um im Geschäft zu bleiben), während sie eher in einem Konjunkturaufschwung Spielräume für Preiserhöhungen nutzen.
Seit ein paar Jahren wird unter amerikanischen Ökonomen die Frage diskutiert, warum in der jüngsten Rezession das Preisniveau nicht gesunken ist, wie es nicht nur die Erfahrung der Weltwirtschaftskrise nahe legt, sondern auch die in der Makroökonomik dominierenden neokeynesianischen Modelle. Auffallend ist, dass in dieser Zeit die Produzentenpreise – ohne die schwankungsanfälligen Preise für Nahrungsmittel und Energie – um rund 2 Prozent im Jahr gestiegen sind.
Gilchrist und Zakrajsek argumentieren auf der Basis theoretischer Überlegungen wie empirischer Arbeiten, dass man zwei Arten von Unternehmen unterscheiden muss:
– Es gab Unternehmen, die mit finanziellen Reserven in die Rezession gegangen sind. Diese Unternehmen haben sich wie im Lehrbuch verhalten und ihre Preise gesenkt.
– Es gab jedoch viele Unternehmen, die ohne finanzielle Reserven in die Rezession gegangen sind und seinerzeit nicht in der Lage waren, benötigte Kredite zu erhalten. Denn viele Banken waren damals mit der Kreditvergabe sehr zögerlich, weil sie selbst erst einmal überleben mussten und keine zusätzlichen Risiken eingehen konnten oder wollten. Diesen Unternehmen blieb nichts anderes übrig, als ihre Preise zu erhöhen, um sich die notwendigen Gelder zu beschaffen. Dies gelang auch vielen Unternehmen, allerdings auf Kosten von Marktanteilen. Dieses Verhalten, das durch den fragilen Zustand des Finanzsystems bedingt war, hat zu dem scheinbar paradoxen Ergebnis geführt, dass in einer Rezession das Preisniveau gestiegen ist. Erklären kann man damit auch, warum trotz einer allmählichen Konjunkturerholung das Preisniveau nicht deutlicher steigt: Viele ehemals klamme Unternehmen erhalten dank der Gesundung der Banken wieder Kredite. Dies ermöglicht ihnen die Rücknahme der erhöhten Preise, um Marktanteile zurückzugewinnen.
Interessant ist, dass man auf diese Weise über Deflation und Inflation nachdenken kann, ohne sich mit Zentralbanken und Geldpolitik zu befassen. Die Geldpolitik spielt in diesem Prozess überhaupt keine bedeutende Rolle. Vielmehr bedarf es nachhaltig gesunder Geschäftsbanken, die auch Rezessionen aushalten können, ohne sich über ihre Existenz Gedanken machen zu müssen.