Der Verein für Socialpolitik vergibt auf seiner Jahrestagung höchste Preise an Uwe Sunde und Justus Haucap. Von Philip Plickert
Wie wirkt sich eine steigende Lebenserwartung auf unterentwickelte Länder aus – und wie hängt sie mit dem Ausbildungswillen und dem Wohlstand zusammen? Diese Fragen untersucht der Volkswirt Uwe Sunde – mit überraschenden neuen Einsichten. Seine Forschung hat international so viel Aufmerksamkeit erregt, dass er nun von der deutschen Ökonomenvereinigung Verein für Socialpolitik (VfS) den „Gossen-Preis“ erhält, die höchst Auszeichnung für forschungsstarke Ökonomen (benannt nach dem preußischen Juristen und Ökonomen Hermann Heinrich Gossen). Am Montagabend wurde der mit 10.000 Euro dotierte Preis auf der Jahrestagung des Vereins vor rund 800 Ökonomen in der Universität Münster an ihn überreicht. „Uwe Sunde hat bedeutende Beiträge auf den Gebieten der Bevölkerungs- und der Verhaltensökonomie geleistet“, begründet die VfS-Vorsitzende Monika Schnitzer die Preisverleihung. Tatsächlich gilt der 42-jährige Volkswirt, gebürtig aus Garmisch-Partenkirchen, begeisterter Bergsteiger und seit drei Jahren Professor an der Universität München, als einer der innovativsten jüngeren Ökonomen in Deutschland.
Seine Forschungsarbeit könnte helfen zu verstehen, wie rückständige afrikanische Länder den Entwicklungsprozess europäischer Industrieländer nachmachen könnten – nur ist ihre Lage noch um zweihundert Jahre zeitversetzt. Sunde und sein Ko-Autor Matteo Cervellati haben Daten aus Schweden seit dem 18. Jahrhundert genau untersucht und ein Modell konstruiert, das auf die steigende Lebenserwartung als entscheidende Variable abzielt: „Bis ins 18. Jahrhundert stagnierten die europäischen Volkswirtschaften mehr oder weniger. Dann stieg die Lebenserwartung – und plötzlich hatten die Leute mehr Anreize, in eine Ausbildung zu investieren“, erklärt Sunde. Die steigende „Humankapitalbildung“, wie die Ökonomen sagen, bewirkte dann einen plötzlichen Schub in der Entwicklung der Länder. Und der daraus folgende wachsende Wohlstand steigerte wiederum die Lebenserwartung noch mehr. Eine positive Entwicklungsspirale war in Gang gesetzt. Weitere Themen seiner Forschung sind Untersuchungen zur Risikobereitschaft von Menschen. „Die Deutschen sind im internationalen Vergleich relativ risikobereit“, erzählt Sunde aus einer laufenden Forschungsarbeit. Ein anderes Thema, dem sich der Volkswirt mit dem bayerischen Akzent widmet, sind Ursachen und Folgen von unterschiedlichen Demokratisierungsprozessen. Sunde gilt als Vertreter einer jüngeren Ökonomengeneration, die empirische Daten intensiv auswerten und zugleich anspruchsvolle Theorien entwerfen.
Einen zweiten Preis, den „Stolper-Preis“ (benannt nach dem österreichischen Volkswirt und Journalisten Gustav Stolper), erhält der Düsseldorfer Wettbewerbsökonom Justus Haucap. Der 46-Jährige, der jahrelang der Monopolkommission vorsaß, wird für seine Forscherleistungen und seine starke Beteiligung in öffentlichen Debatten ausgezeichnet. Er habe dazu beigetragen, wichtige wettbewerbspolitische Einsichten der Politik und der Öffentlichkeit zu vermitteln, lobte die VfS-Vorsitzende Schnitzer. Auf dem Ökonomenkongress haben sich die Volkswirte auch mit dem Selbstverständnis und der öffentlichen Wahrnehmung ihrer Profession befasst. Einige beklagen, dass die Politik ihren Rat oft ignoriere. Haucap sagte dazu, es stimme, dass die Wissenschaftler vieles nicht wüssten. Er fügte ironisch hinzu: „Es ist aber vergleichsweise besser, wenn man auf Leute hört, die wissen, was sie nicht wissen, als wenn man auf andere Leute hört, die nicht wissen, was sie nicht wissen.“