Der frühere Fed-Vorsitzende Ben Bernanke hat sich in einer Vorlesung mit Vorwürfen aus Schwellenländern an die Adresse der amerikanischen Geldpolitik befasst. Er hält diese Vorwürfe für unbegründet.
Ben Bernanke attackiert: Der ehemalige Princeton-Professor und Fed-Vorsitzende nutzte die angesehene Mundell-Fleming-Vorlesung beim Internationalen Währungsfonds, um die Fed gegen drei Vorwürde zu verteidigen.
Was soll eigentlich ein Währungskrieg?
Bernanke wandte sich unter anderem gegen die von dem brasilianischen Finanzminister Guido Mantega im Jahre 2010 geäußerte Kritik, die Fed habe durch eine Abwertung des Dollars Konjunkturpolitik zulasten von Schwellenländern betrieben. Für solche Abwertungen hat sich der Begriff “Währungskrieg” eingebürgert.
Bernanke sagte, die Vorstellung eines Währungskrieges übersehe einen einfachen Zusammenhang, der sich aber schon aus dem außenwirtschaftlichen Grundmodell, dem Mundell/Fleming-Modell, ergäbe. Zwar sei es richtig, dass ein Land mit einer Abwertung seiner Währung zunächst seine Exporte fördere. Wenn in diesem Land als Folge der Abwertung aber das Wirtschaftswachstum steige, entfalte das Land in einem zweiten Schritt eine zunehmende Importnachfrage, von der andere Länder profitierten.
Mit der Abwertung einer Währung seien somit gegenläufige Effekte verbunden, die sich in der Praxis weitgehend neutralisieren dürften, betonte Bernanke. Insofern sei es übertrieben, von einer schädlichen Wirkung einer Dollar-Abwertung auf Schwellenländer zu reden. “Es hat keinen Währungskrieg gegeben”, sagte Bernanke. “Es war nur ein scheinbarer Krieg.” Aus diesem Grunde habe es auch wenig Sinn, Geldpolitik grenzüberschreitend koordinieren zu wollen.
Nach Ansicht Bernankes besitzen viele Klagen von Schwellenländern über eine expansive Geldpolitik der Fed einen anderen Hintergrund. Demnach geraten diese Länder in das bekannte währungspolitische “Trilemma”, das unter anderem vor Jahrzehnten von Mundell/Fleming beschrieben wurde: Demnach kann ein Land nicht gleichzeitig freien Kapitalverkehr, einen festen Wechselkurs und eine autonome Geldpolitik garantieren. Viele Schwellenländer orientieren den Wechselkurs ihrer Währung zumindest sehr grob am Dollar, was unter Umständen dazu führen kann, dass sie auf eine eigenständige Geldpolitik oder auf freien Kapitalverkehr verzichten müssen. Brasilien optierte seinerzeit wie andere Schwellenländer für Einschränkungen des Kapitalverkehrs.
Gefährdet die Fed die globale Finanzstabilität?
Im Frühjahr 2013 räsonnierte Bernanke, damals noch als Fed-Chef, über eine Reduzierung des damaligen Anleihekaufprogramms der Fed. Die Reaktionen waren heftige Kursausschläge vor allem in Schwellenländern. Schwellenländerwährungen werteten heftig gegenüber dem Dollar ab; Anleihe- und Aktienkurse begaben sich in einen freien Fall. Die Turbulenzen an den globalen Finanzmärkten dauerten mehrere Monate.
Prominente Ökonomen wie Hélène Rey und Hyun Song Shin thematisieren seit längerer Zeit den globalen Anstieg von Vermögenspreisen als Folge einer lockeren amerikanischen Geldpolitik, die mit Gefahren für die Finanzstabilität vor allem in Schwellenländern einher gehen. (In FAZIT haben wir dies häufig behandelt, zum Beispiel hier und hier.) Rey ist der Ansicht, dass aus dem alten Trilemma längst ein Dilemma geworden sei: Sogar flexible Wechselkurse garantierten Schwellenländern nicht mehr Finanzstabilität bei gleichzeitig freiem Kapitalverkehr und geldpolitischer Autonomie. Shin hat unter anderem gezeigt, dass risikoreicheres Verhalten von Banken in Industrienationen als Folge herrschender Risikomessverfahren zu eine globalen Welle von Käufen risikoreicher Kapitalanlagen führen kann. Bernanke hält diese Arbeiten für sehr wichtig (“Ich mag diese Literatur”), aber er glaubt, dass die Zusammenhänge komplizierter sind als von Rey und Shin geschildert.
Nach Ansicht Bernankes ist es durchaus richtig, dass eine expansive amerikanische Geldpolitik Auswirkungen auf globale Vermögenspreise haben könne. Aber es gebe auch viele andere Gründe, warum Investoren rund um den Globus ihre Anlagen diversifizierten, was notwendigerweise zu gleichgerichteten Änderungen von Vermögenspreisen führe. Wie aber bestimme man, wann globale Kapitalströme und Preisveränderungen gefährlich werden? Zweitens zeige sich, dass Schwellenländer sehr unterschiedlich auf internationale Kapitalbewegungen reagieren und allgemeine Aussagen daher problematisch seien. Bernanke gab auch zu bedenken, dass die Analysen Shins und Reys längerfristige Entwicklungen an den Kapitalmärkten beschreiben wollen und daher nicht in der Lage seien, die erheblichen kurzfristigen Schwankungen vieler globaler Vermögenspreise zu erklären, die immer wieder für Unruhe sorgten.
Deutlich wird, dass Bernanke nach wie vor die von Shin und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) vertretene Position nicht teilt, nach der die Geldpolitik eine wichtige Rolle für die Sicherung der Finanzstabilität übernehmen soll. Bernanke hält nach wie vor Regulierungspolitik (“makroprudentielle Politik”), zum Beispiel Eigenkapitalregeln für Banken und regelmäßige Stresstests, für das wichtigste Instrument.
Wer profitiert vom Dollar als Weltwährung?
Der Dollar ist nach wie vor die wichtigste Währung in der Welt und ein Vorwurf an die Adresse der Amerikaner lautet, dass sie von dieser Rolle besonders profitierten. Bernanke ist der Auffassung, dass die Vorteile des Dollars als Weltwährung heute weitaus besser über alle Länder verteilt seien als vor Jahrzehnten. Der wichtigste Vorteil für die amerikanische Wirtschaft sei, dass amerikanische Unternehmen im Ausland häufig ohne Wechselkursrisiken agieren könnten. Andere in der Theorie erwähnte Vorzüge wie ein besonders hoher Gewinn aus der Produktion von Dollar (“seignorage”) besäßen in der Praxis kaum eine Bedeutung.
Weil sich viele Unternehmen außerhalb der Vereinigten Staaten auch in Dollar verschulden, wird die Fed gelegentlich als Welt-Zentralbank bezeichnet. Bernanke hält dies für unangemessen. Sein Beispiel: Ein Schwellenlandunternehmen, das sich in Dollar verschuldet und Geschäfte in seiner Schwellenlandwährung macht, kann nicht einfach den Dollar-Kreditzins mit seinen Kapitalkosten gleichsetzen. Eine Rolle spielt auch der spätere Wechselkurs, zu dem der Kredit zurückgezahlt wird.