Die EU-Kommission glaubt: Google missbraucht seine Marktmacht. Google sagt: Wir haben gar keine Macht. Was stimmt?
Google hat quasi ein Monopol in Deutschland – so sieht es aus, wenn man die Marktanteile der Internetsuchmaschinen betrachtet. Mehr als 90 Prozent aller Websuchen werden mit Google erledigt, nicht mal 5 Prozent mit Microsofts Bing – und Yahoo kann man kaum noch unter „ferner liefen“ einsortieren.
Deshalb beschweren sich viele Firmen darüber, dass Google sie benachteilige. Auch wir in „Fazit“ diskutieren seit einiger Zeit die Frage, ob Googles Monopol auf dem Suchmaschinen-Markt gefährlich ist. Eines von Googles beliebtesten Argumenten dagegen ist immer: Wir haben gar keine Marktmacht. Wer zum Beispiel ein Buch suche, der tue das viel häufiger bei Amazon. Und wer eine Reise suche, der nutze häufig Expedia.
Nicht nur Bing kann ein Konkurrent sein, auch Amazon oder Wikipedia
Damit weist Google auf eine wichtige Frage hin: Wer sind eigentlich seine Konkurrenten? Sind das nur die klassischen Web-Suchmaschinen? Oder auch andere Internet-Seiten? Ein neuer Überblicksartikel von Justus Haucap an der Universität Düsseldorf und Torben Stühmeier an der Universität Münster macht deutlich, dass diese Frage noch völlig offen ist. Dieser Überblicksartikel, sehr zum Lesen empfohlen, widmet einige Zeit der Frage: Hat Google vielleicht gar kein Monopol, wenn man nur alle relevanten Webseiten betrachtet?
Tatsächlich gibt es mehrere potenzielle Konkurrenten – nicht nur Amazon und Expedia. Wer Informationen über einen Film sucht, würde vielleicht noch vor „Bing“ die „Internet Movie Database“ verwenden. Oder den Suchbegriff direkt bei Wikipedia eingeben.
In solchen Fragen verwenden Ökonomen klassischerweise den so genannten „SSNIP“-Test, sagen Haucap und Stühmeier. Das heißt „Small but significant non-transitory increase in price“ („kleiner aber bedeutender nicht-vorübergehender Preisanstieg“). Die Idee ist ein kleines Gedankenexperiment, idealerweise unterfüttert durch Marktforschung: Wenn die Preise für ein Produkt um fünf bis zehn Prozent steigen, wohin gehen die Kunden eines Unternehmens dann? Oder nehmen sie die Preiserhöhung zähneknirschend hin?
Es fehlt an Marktforschung
Diese Methode zeigt, wie schwierig die Übertragung alter Wettbewerbsweisheiten auf die Welt des Internet ist. Wenn Google für die Nutzer zehn Prozent teurer wird, dann kostet es immer noch nichts. Sollte in diesem Gedankenexperiment zehn Prozent mehr Werbung gezeigt werden? Oder zehn Prozent mehr Nutzerdaten gesammelt? Was wären überhaupt zehn Prozent mehr Nutzerdaten?
Das Problem wird noch größer, wie Haucap und Stühmeier feststellen. Sie nehmen mal einfach an, Google würde für seine Dienste plötzlich Geld verlangen. Wohin würden die Nutzer dann wechseln? Doch selbst diese Frage muss offen bleiben. Die EU-Kommission zumindest hat in ihrem Wettbewerbsverfahren keinen Hinweis darauf gegeben, dass sie so eine Frage untersucht hat.
Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass die Nutzer sich von Google und Facebook heute schon vieles nur zähneknirschend gefallen lassen, zum Beispiel eine erhebliche Datenschutz-Unsicherheit. Das wäre ein Hinweis auf eine eher schädliche Monopolstellung. Schon dabei ist aber unklar, wie wichtig den Deutschen Datenschutz wirklich ist. Wahr ist auf jeden Fall: Eine systematische Untersuchung des Nutzerverhaltens gibt es bisher nicht.
Update: Im Gespräch mit der F.A.Z. sagt EU-Kommissarin Margarete Vestager, dass sie Google diese Argumentation nicht abnimmt. Google und Amazon – “das sind zwei verschiedene Produkte”.
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