Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Manager müssen ständig misstrauisch sein? Stimmt nicht! Die Welt ist besser, als man denkt.

18.07.2016 18.50

Glaubt man der klassischen Erzählung, dann ist die Welt des Managements eine Welt des Misstrauens. Pausenlos müssen Manager auf der Hut sein, ständig will jemand an ihrem Stuhl sägen. Der glücklichste Moment eines Topmanagers ist der der Amtsübernahme, danach beginnt die Verteidigung – im Klischee ist das Management die Welt von Niccolò Machiavelli, der einst beschrieben hat, wie brutal ein Fürst regieren müsse, um seine Macht und den Staat zu erhalten. Misstrauen regiert in den Management-Etagen der Unternehmen.

Aber: Wie soll jemand, der so misstrauisch ist, erfolgreich Mitarbeiter führen? Müsste so ein Chef nicht wie ein Kontrollfreak auf sie achten? Wie sollen Unternehmen erfolgreich mit anderen zusammenarbeiten, wenn in der Kooperation das Misstrauen regiert? Ist es nicht gerade für einen Manager wichtig, mit offenen Armen auf andere zuzugehen? Tatsächlich zeigen Untersuchungen seit mehreren Jahren, dass vertrauensvolle Manager eher Aufgaben delegieren, mit der Komplexität der Welt besser zurechtkommen und ihre Mitarbeiter eher halten können. Vertrauen gilt dann auch umgekehrt: Je eher die Mitarbeiter ihren Chefs vertrauen, desto bessere Arbeit leisten sie und desto seltener kündigen sie.
Wissen das die Manager auch? Und verhalten sie sich entsprechend? Nicht unbedingt, zumindest nicht jeder einzelne.

Vor zwei Jahren berichtete die F.A.S. in einem Porträt des neuen Siemens-Chefs Joe Kaeser von der Einschätzung seiner Weggefährten, er sei während seiner Karriere misstrauischer geworden. Das heißt aber noch längst nicht, dass alle so ticken. Der Satz über Joe Kaeser in der F.A.S. war der Ausgangspunkt für eine Untersuchung von Sabine Hommelhoff an der Universität Erlangen-Nürnberg und David Richter am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Vertrauens-Daten aus Deutschlands größter Langzeit-Umfrage SOEP

Sie nutzten Deutschlands größte Langzeit-Umfrage: das Sozio-ökonomische Panel (Soep). Dafür werden jährlich rund 20.000 Deutsche nach allen möglichen Aspekten ihres Lebens befragt. Unter anderem geben die Teilnehmer an, in welchem Beruf sie arbeiten und an welcher Position: Haben sie Personalverantwortung? Sind sie Beamte in leitenden Positionen? Oder gar selbständig mit Mitarbeitern? Dann galten sie für die Studie als Manager.

In der Umfrage geben die Teilnehmer auch an, wie viel Vertrauen sie in andere haben. Dazu bekunden sie ihre Zustimmung oder Ablehnung zu drei Sätzen: „Im Allgemeinen kann man den Menschen vertrauen“, „Heutzutage kann man sich auf niemanden mehr verlassen“ und „Wenn man mit Fremden zu tun hat, ist es besser, vorsichtig zu sein, bevor man ihnen vertraut“. Ihre Zustimmung gaben die Teilnehmer jeweils auf einer Skala von 1 (wenig Vertrauen) bis 4 (viel Vertrauen) an.

Die Ergebnisse widersprechen dem Klischee deutlich: Wer im Beruf eine Führungsposition hat, gibt sich deutlich vertrauensseliger. Wenn es um die Zustimmung zu den Vertrauenssätzen ging, stimmten Manager auf der Skala von 1 bis 4 durchschnittlich mit 2,53. Die übrigen Erwerbstätigen stimmten nur mit 2,32 – deutlich weniger.

Rhetorisch versichern die Manager der Menschheit also ein ziemlich ordentliches Vertrauen. So könnte man sich das auch in einer Verhandlung oder in einer Ansprache an die Mitarbeiter vorstellen. Da liegt der Verdacht nahe, dass alles nur leeres Gerede ist und die Manager sich anders benehmen, als sie sagen.

Alles nur Gerede?

Aber auch das konnten die Forscher testen. In einigen Jahren wurden die theoretischen Fragen im Soep durch ein praktisches kleines Spiel ergänzt, das Ökonomen Mitte der 90er Jahre entwickelt haben und das sie „Vertrauensspiel“ nennen. Dazu werden die Teilnehmer gedanklich in Paare aufgeteilt. Jeder bekommt zehn Euro. Einer von beiden kann dann dem anderen sein Startkapital oder Teile davon schenken. Die Forscher verdoppeln das Geschenk – und der zweite Teilnehmer entscheidet sich dann, wie viel er zurückschenkt.

Die Idee dahinter: Je mehr Geld der Erste verschenkt, desto mehr gibt es nachher zu verteilen – aber damit man viel Geld zu verteilen bekommt, muss der Erste auf die Rückzahlung des Zweiten vertrauen. In der Umfrage des Soep stellte ein ausgefeilter Mechanismus sicher, dass die Befragten das Vertrauensspiel auch dann spielen konnten, wenn sie einzeln befragt wurden.

Das Ergebnis ist eindeutig: Auch wenn es ums Geld ging, setzten die Manager eher darauf, dass ihr Gegenüber vertrauenswürdig ist. Von den 10 Euro, die sie bekommen hatten, verschenkten sie durchschnittlich 6,31 Euro. Die übrigen Erwerbstätigen gaben nur 5,58 Euro an ihren Partner ab.

Beförderungen ändern nichts am Vertrauen der Chefs

Hommelhoff und Richter können sogar nachverfolgen, wie sich das Vertrauen einzelner Umfrageteilnehmer über die Jahre entwickelt – und sie stellen fest: Beförderungen ändern nichts daran, wie viel Vertrauen die Leute ihren Mitmenschen entgegenbringen. Tatsächlich werden die Leute, die anderen vertrauen, eher Chef als diejenigen, die voller Misstrauen durch die Welt laufen. Nach der Beförderung verlieren die Chefs ihr Vertrauen nicht. An ihrem Reden und Tun ändert sich nichts. Nicht ausgeschlossen ist, dass Manager der Menschheit auch deshalb von vornherein mehr Vertrauen entgegenbringen, weil sie häufig eine bessere Ausbildung haben. Viele haben einen akademischen Abschluss erworben – und Psychologen wissen schon länger: Je besser die Leute ausgebildet sind, umso mehr Vertrauen bringen sie anderen Leuten entgegen.

Das heißt aber nicht unbedingt, dass sich solche vertrauensseligen Manager leichter übers Ohr hauen lassen als andere. Tatsächlich hat schon Anfang der 80er-Jahre der amerikanische Psychologe Julian Rotter eine Serie von früheren Studien analysiert, die zeigen: Wer anderen vertraut, geht zwar offener auf andere Leute zu und ist als Freund gefragter. Doch auch diese Leute können unkooperativ werden, wenn ihr Gegenüber das Vertrauen missbraucht. Am Schluss kommen die Leute, die anderen vertrauen, nicht schlechter weg.

Schließlich geben auch gute Manager in ihrem Betrieb nicht alle Kontrollen auf.

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