Die Credit Suisse vergleicht geldpolitische Kriseninstrumente und kommt zu dem Schluss: Anleihekäufe und Negativzinsen sind wirksam. Aber die größere Zukunft könnten Negativzinsen haben. Live aus Davos
In den Vereinigten Staaten hat die Fed ihren Leitzins erhöht und auch in anderen Bereichen der Welt könnte allmählich eine geldpolitische Normalisierung auf die Agenda kommen. Was aber geschieht, wenn die Welt nicht in eine Phase nachhaltigen Wirtschaftswachstums eintritt, sondern in eine weitere Schwächephase? Welches geldpolitische Instrument ist dann wirksamer: Anleihekäufe oder Negativzinsen? Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos hat die Großbank Credit Suisse eine Analyse mit einer bemerkenswerten Schlussfolgerung präsentiert: Sie hält den Negativzins für das brauchbarere Instrument.
Die von der Credit Suisse mit der Studie beauftragten Ökonomen haben sich die Erfahrungen mit diesen Instrumenten angeschaut. Hier sind ihre Ergebnisse.
- Anleihekäufe („Quantitative Easing“, QE)
Sie stellen zunächst fest, dass Anleihekäufe Ähnlichkeit mit traditionellen geldpolitischen Instrumenten besitzen, doch während in der traditionellen Vorstellung die Zentralbank vor allem kurzfristige Wertpapiere ankauft, sind es bei QE zu einem guten Teil Wertpapiere mit längeren Laufzeiten. Immer aber geht es darum, die Marktzinsen zu beeinflussen. Die mit diesen Käufen verbundene Entstehung von Guthaben der Banken bei der Zentralbank („Zentralbankgeld“) wird in der Studie als „Nebenprodukt“ einer solchen Politik betrachtet.Die Fed hat zwischen 2008 und 2014 in mehreren Wellen QE betrieben. Die Autoren sind der Ansicht, dass mit Blick auf den Arbeitsmarkt QE als „relativer Erfolg“ bezeichnet werden könne, allerdings sei noch nicht klar, ob diese Politik in der Zukunft nicht noch Risiken für die Finanzstabilität beschere – die Autoren denken unter anderem an die stark gestiegene Verschuldung amerikanischer Unternehmen. Auch die britischen Erfahrungen mit QE werden als „relativ erfolgreich“ bezeichnet.In der Eurozone hat die EZB viel später als die Fed ein großes Anleihekaufprogramm beschlossen. Die Studie ist der Auffassung, dass sich daher noch nichts Belastbares über die Wirkungen sagen lässt; sie vermuten aber, dass die nur zögerliche Sanierung des europäischen Banksystems dazu beiträgt, die Wirkungen von QE zumindest verzögert, vielleicht aber auch abschwächt. Ebenso dürfte der Vermögenseffekt durch steigende Vermögenspreise in Europa schwächer sein als in den Vereinigten Staaten, weil die Amerikaner mehr Wertpapiere halten.Das Fazit zu QE ist ambivalent: Wo man Anleihekäufe betrieben hat, haben Beschäftigung und Wirtschaftswachstum trotz schwieriger Rahmenbedingungen zugelegt. Aber es ist weder klar, welchen Beitrag QE dazu geleistet hat, noch ist sicher, dass QE über die von der Theorie vorhergesagten Kanäle gewirkt hat. Ferner sind regionale Besonderheiten zu beachten.
- Negativzinsen
Negativzinsen wurden zuerst 2012 in Dänemark eingeführt, aber es gibt sie auch in Schweden, der Schweiz, in der Eurozone und in Japan. Die Autoren beginnen mit einer wichtigen Feststellung: Kleine Länder haben Negativzinsen eingeführt, um Auslandskapital abzuwehren und damit eine zu starke Aufwertung ihrer Währungen zu verhindern. Große Länder/Wirtschaftsräume haben Negativzinsen eingeführt, um Wirtschaftswachstum und Inflation anzutreiben. Negative Leitzinsen haben dazu beigetragen, die Marktzinsen zu senken. Wie bei Anleihekäufen ist es aber schwierig, den konkreten Beitrag von Negativzinsen für die wirtschaftliche Erholung zu quantifizieren.Interessant ist etwas anderes: In jenen Ländern, die Negativzinsen eingeführt haben, um eine zu starke Aufwertung ihrer Währungen zu verhindern, ist ein signifikanter Einfluss des Negativzinses auf den Wechselkurs nicht nachzuweisen. In der Eurozone und in Japan, die zumindest offiziell Negativzinsen nicht wegen des Wechselkurses eingeführt haben, ist ein Einfluss auf die Wechselkurse deutlich sichtbar.Was sind die Probleme von Negativzinsen? Erstens eine „Flucht ins Bargeld“ (die nach Ansicht der CS bisher keine Bedeutung hat, aber im Auge behalten werden muss) , zweitens Ertragsprobleme für Banken (die nach Ansicht der CS bisher nicht sehr hoch sind) und die Möglichkeit, dass die Menschen mehr statt weniger sparen (wofür die CS bisher keinen Beleg sieht).
- Fazit
Das Fazit der Untersuchung lautet: „Die Fortführung der Anleihekäufe in ihrer heutigen Form erscheint im Vergleich zu Negativzinsen als ein weniger geeignetes Instrument, aus dem einfachen Grund, weil fortgesetzte Käufe staatlicher und privater Anleihen zu einem Austrocknen der Anleihemärkte führen würde. Im Gegenzug könnte eine extreme Negativzinspolitik effektiv sein, sofern sichergestellt wird, dass eine Flucht ins Bargeld nicht stattfindet.“ Soweit im Prinzip – aber die Credit Suisse stellt auch fest, dass in der Eurozone und in Japan das Vertrauen in die Wirksamkeit von Negativzinsen als Mittel zur Wirtschaftsbelebung nachlässt. Und man könnte ergänzen, dass in den Vereinigten Staaten in den vergangenen Monate führende Vertreter der Fed – für den Fall der Fälle – eher Sympathie für Anleihekäufe als für Negativzinsen gezeigt haben.