Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Ein Roboter kostet sechs Arbeitsplätze

Roboter kosten Stellen – aber weniger als gedacht. Es wird immer sicherer: Trotz Robotern wird den Menschen nicht langweilig.

© ReutersWer wird sich denn vor ihm fürchten?

Wer für einen verspäteten Flug eine Entschädigung bekommen möchte, hat es vielleicht schon heute nicht mehr mit einem menschlichen Rechtsanwalt zu tun. Ein deutsches Unternehmen schätzt in einfachen Fällen automatisiert ab, ob ein Anspruch Erfolg haben wird. Der Kunde bekommt innerhalb von Minuten eine Entschädigung ausbezahlt. Alles erledigt der Computer, ein Mensch hat mit der Entscheidung nichts zu tun.

Seit Computer den Menschen im Schach geschlagen haben, nehmen sie ihm immer mehr von seinen Domänen. Inzwischen unterliegt der Mensch auch im asiatischen Brettspiel „Go“. Bei der Arbeit übernehmen Computer Aufgaben von Call-Center-Agenten: Sie hören sich die Probleme der Anrufer an, verbinden zum richtigen Ansprechpartner und lösen einfache Fälle. Steuerberater haben damit zu kämpfen, dass mancher Bürger dank Software seine Erklärung alleine schafft. Sogar Anwälte sind ihrer Stellen nicht mehr sicher; die genannte Flugrechte-Firma ist nur ein Beispiel. Die Angst ist groß, dass Computer, Künstliche Intelligenz und Roboter in den nächsten Jahrzehnten viele Arbeitsplätze vernichten. Die Gefahren sind unermesslich. Und das im Wortsinne: Zuverlässig messen kann sie niemand.

Vor vier Jahren machte eine Studie der Oxford-Wissenschaftler Carl Benedikt Frey und Michael Osborne Furore: Sie prophezeiten, dass fast jeder zweite amerikanische Arbeitsplatz gefährdet sei. Für 700 Berufe gaben die Forscher Wahrscheinlichkeiten dafür an, dass der Beruf automatisiert werde. Weitere Rechnungen bauten auf ihrer Studie auf: In der OECD seien sogar 57 Prozent der Arbeitsplätze gefährdet. Kaum einer bemerkte, dass der Kern der Studie – zwischen viel Mathematik – eine schlichte Daumenpeilung war, welche Tätigkeiten vom Computer ersetzt werden könnten und welche eher nicht.

Ein Forscherteam am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung rechnete für die Bundesregierung die Studie von Osborne und Frey für Deutschland durch und kam auf 42 Prozent gefährdete Stellen. Für die OECD rechnete ein sehr ähnlich besetztes Team, aber ein kleines bisschen anders – und kam auf ein stark abweichendes Ergebnis: In Deutschland seien nur zwölf Prozent der Arbeitsplätze durch Automatisierung gefährdet, hieß es nun. Am Ende blieb der Eindruck: Schätzen kann man vieles. Was passiert, weiß keiner.

Ein Team hat die Wirkung von Robotern nachgerechnet

Jetzt allerdings hat jemand tatsächlich gezählt, und das Ergebnis sieht nicht katastrophal aus. Der angesehene Ökonom Daron Acemoglu vom Massachusetts Institute of Technology hat zusammen mit Pascual Restrepo aus Yale nachgezählt, wo in Amerika die Roboter stehen und was das für den Arbeitsmarkt bedeutet. Dazu teilten sie die Vereinigten Staaten in geographische Regionen ein, innerhalb derer viele Menschen sowohl wohnen als auch arbeiten („Pendelzonen“). Dann betrachteten sie 19 unterschiedliche Branchen von 1990 bis 2007.

Das Ergebnis war deutlich, aber nicht desaströs. In den besonders roboterstarken Regionen gingen Beschäftigung und Löhne im Vergleich zum Rest Amerikas zurück, allerdings begrenzt. Wenn auf 1000 Arbeiter in einer Region ein neuer Roboter die Arbeit aufnahm, stiegen die Löhne um 0,7 Prozent langsamer als im Rest des Landes. Und es gingen Arbeitsplätze verloren. „Pro Roboter verlieren 6,2 Arbeiter ihre Stelle“, schreiben die Forscher. Das muss nicht heißen, dass Leute entlassen werden. Stellenverluste können auch im Rahmen der Fluktuation entstehen, oder weil neue Produkte von vornherein vom Roboter gebaut werden.

Die Stellenverluste betreffen dennoch vor allem eine Gruppe: mittelmäßig gebildete Männer. Das sind genau die Arbeiter, die in Amerika immer unzufriedener wurden und entscheidend dafür waren, dass Donald Trump Präsident wurde. Allerdings halten sich die Verluste offenbar noch in Grenzen. Insgesamt seien in Amerika 670.000 Stellen wegen Robotern verlorengegangen, rechnen Acemoglu und Restrepo aus. Zwar hinkt das Land in der Automatisierung der Arbeit deutlich hinter Europa her. Aber selbst wenn Amerika jetzt heftig in Roboter investierte, würde das nur bedeuten, dass die Löhne in den kommenden zehn Jahren rund 2,6 Prozent langsamer wachsen als ohne Roboter; rund zwei Prozent der Amerikaner würden weniger arbeiten.

Arbeit zu sparen hat auch seine Vorteile

Die Forscher stehen den Stellenverlust nicht nur negativ. Arbeit zu sparen hat auch seine Vorteile. Erst im vergangenen Jahr haben die beiden gezeigt, dass Roboter besonders häufig in den Ländern eingesetzt werden, in denen die Gesellschaft schnell altert. Dort helfen sie, die Wirtschaftsleistung zu stabilisieren, während den Ländern die Arbeitskräfte ausgehen.

Wichtiger noch: Die Betrachtung von Acemoglu und Restrepo ist eng begrenzt. Ein wichtiger Aspekt fehlt: Roboter werden eingesetzt, weil sie die Produktion billiger machen. Wo sie wirken, bleibt Geld übrig, entweder beim Fabrikbesitzer oder beim Kunden. Dieses Geld kann dann in andere Produkte fließen und neue Arbeitsplätze bezahlen – zumal einige Menschen ohne Arbeit neue Firmen gründen und Geschäftsideen haben, die dann ebenfalls Arbeitsplätze schaffen.

Die Forscher können im Moment nur sagen, was dieser Effekt innerhalb der Vereinigten Staaten bringt. Wenn man berücksichtigt, dass das gesparte Geld andernorts im Land wieder Arbeitsplätze geschaffen hat, dann halbieren sich die Effekte: Für zwei Stellen, die in den Vereinigten Staaten wegen Robotern verlorengehen, entsteht eine neue Stelle in einer anderen Branche. Nun geben die Amerikaner ihr Erspartes aber nicht nur im eigenen Land aus, sie importieren auch Waren aus Europa und China. Grenzüberschreitende Effekte haben die Forscher allerdings nicht gemessen. Sie wissen weder, wie viele Stellen Amerikas Roboter im Ausland bringen, noch wissen sie, wie viele Stellen in Amerika wegen Europas Robotern geschaffen werden. Gut möglich, dass in Summe für jede verlorene Stelle andernorts eine neue entsteht.

Die Forscher sagen also nicht, ob der Menschheit in 40 Jahren die Arbeit ausgeht. Aber sie geben auf dem aktuellen Stand der Technik eine Obergrenze für die Schätzung, wie viele Leute zwischenzeitlich negativ betroffen sind. Das ist schon einiges wert.

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Patrick Bernau