Der Computer wird immer wichtiger, trotzdem geht das Wirtschaftswachstum langfristig zurück. Was ist da los? Philippe Aghion hat eine neue Idee. Sie erklärt manches – doch das große Rätsel bleibt.
“Den Computer sieht man überall, außer in der Produktivitätsstatistik”: Das Zitat von Wachstumsforscher Robert Solow ist zwar schon 30 Jahre alt, wird aber wichtiger denn je. Während Informationstechnik und Künstliche Intelligenz immer wichtiger werden, erreichen die Wachstumsraten längst nicht das Niveau der 80er-Jahre. Erwarten würde man: Maschinen erlauben, mit weniger Arbeit mehr Umsatz zu erreichen – also die Produktivität zu steigern. Doch davon ist in den Statistiken wenig zu sehen.
Nun ist es so, dass Technik auch viel Arbeit macht. In Krankenhäusern zum Beispiel haben viele Mitarbeiter das Gefühl, die Technik würde ihren Stress eher erhöhen – auf der anderen Seite aber werde die Behandlung besser.
Vielleicht steckt die Erklärung also doch woanders. Seit einiger Zeit schon wird darüber gesprochen, dass das Internet viele seiner Errungenschaften kostenlos zur Verfügung stellt. Das bedeutet: Der Wohlstand wächst schneller, als das Geld-basierte Bruttoinlandsprodukt zeigt. Doch ob dieser Effekt viel ausmacht, ist umstritten: Erik Brynjolfsson und Joo Hee Oh kamen nur auf 0,3 Prozentpunkte im Jahr – allerdings in einer reichlich abschätzenden Rechnung.
An dieser Stelle eine andere Frage: Haben Sie in letzter Zeit mal probiert, einen Brockhaus fürs Regal zu kaufen? Wahrscheinlich nicht. Vielleicht haben Sie gar nicht gemerkt, dass er seit drei Jahren gar nicht verkauft wird. Es interessiert sich einfach niemand mehr dafür. So ähnlich geht es auch den Statistikern.
Aghion findet viel Wachstum, aber kann das Problem nicht lösen
Sie haben schon genügend Probleme damit, den Fortschritt von Computern oder Handys zu messen: Jedes neue Modell kann mehr als das alte, kostet aber vielleicht noch genauso viel. Also werden ausgefeilte statistische Methoden eingesetzt, um die Qualitätsunterschiede in eine Art Preissenkung umzurechnen. Was aber geschieht, wenn ein Produkt keinen besseren Nachfolger erhält? Wenn es – wie bei Schumpeter – von der kreativen Zerstörung komplett hinweggefegt wird? Also wenn zum Beispiel der gedruckte Brockhaus gar nicht mehr erscheint?
Immerhin lassen sich diese Effekte mit etwas Sorgfalt genauer berechnen. Philippe Aghion und ein Autorenteam haben sich dessen in einem Paper angenommen, das vor kurzem veröffentlicht wurde. Sie verwenden zwei unterschiedliche Methoden, um die Wirkung dieser kreativen Zerstörung zu ermessen. Unter anderem schätzen die Marktanteile der Firmen, die verschwinden, die neu auf den Markt kommen und die bleiben. So können sie die Inflationsraten neu berechnen.
Das Ergebnis zeigt zwar, dass die kreative Zerstörung gar nicht so wenig an ungemessenem Wachstum bringt: zwischen 1983 und 2013 waren das jedes Jahr durchschnittlich 0,6 Prozentpunkte – ein Viertel des tatsächlichen Wachstums würde so nicht gemessen. Den Fall der Wachstumsraten und des Produktivitätswachstums in den vergangenen Jahren kann das aber nicht erklären. Denn der Wachstumsbeitrag hat sich zwischen 1983 und 2013 kaum verändert, das generelle Wachstum aber ist zurückgegangen.
Hier im Blog hat der Darmstädter Wirtschaftstheoretiker Volker Caspari einmal daran erinnert, dass die Wachstumsraten selbst während der industriellen Revolution nicht höher waren als heute. So gesehen, könnte man die Jahrzehnte nach dem zweiten Weltkrieg als Sonderfall betrachten, die nur deshalb so viel Wachstum brachten, weil so viele Kriegsfolgen und entgangene Weiterentwicklungen aufzuholen waren.
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