Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

So spart man richtig

Viele EU-Staaten müssen sich sanieren. Das geht häufig schief. Dabei wäre Austerität gar nicht so schwer – wenn man es richtig macht.

Gelbwesten-Sprecherin Ingrid Levavasseur stellt sich gegen Frankreichs Austerität
Gelbwesten-Sprecherin Ingrid Levavasseur stellt sich gegen Frankreichs Sparprogramme (Foto: dpa)

Der jüngste Höhepunkt der Euro-Krise ist noch keine vier Jahre her, doch der Zustand der Währungsunion macht schon wieder keine Freude. Griechenland hat sich zwar aus dem Hilfsprogramm verabschiedet, aber nicht ohne gleich wieder neue soziale Wohltaten zu verteilen. Schließlich sind bald Wahlen, und Ministerpräsident Alexis Tsipras möchte sein Amt verteidigen. In Italien hat sich eine Koalition von Links- und Rechtspopulisten darauf verständigt, die Neuverschuldung zu verdreifachen. Nach Protesten aus der Europäischen Union wurden die Schuldenpläne etwas zurückgefahren, sie wurden aber immer noch mehr als verdoppelt, zuletzt ist Italien trotzdem in die Rezession gerutscht. Und in Frankreich ist Staatspräsident Emmanuel Macron nach den Protesten der “Gelbwesten” von seinem Reformkurs abgerückt und hat ebenfalls neue Sozialprogramme aufgelegt, die das Staatsdefizit sehr wahrscheinlich über die Drei-Prozent-Grenze treiben werden.

Die Schuld an den Turbulenzen gibt mancher den Sparprogrammen der ersten Euro-Krise. Die sogenannte Austeritätspolitik habe die Staaten geschwächt und führe jetzt dazu, dass die Bürger in vielen Staaten vor lauter Unzufriedenheit mit neuen Wohltaten besänftigt werden müssten. Sogar der Internationale Währungsfonds hat zwischenzeitlich eingeräumt, er habe die negativen Wirkungen der Sparpolitik unterschätzt. Wer so denkt, fordert oft, Deutschland müsse jetzt Geld ausgeben, um die Lage in anderen Ländern zu verbessern.

Tatsächlich fließt aus Deutschland heute schon auf marktwirtschaftlichem Weg Geld in viele EU-Staaten. Mehr als die Hälfte der neuen sozialversicherungspflichtigen Stellen geht inzwischen an Ausländer, vor allem an Leute aus der EU – nur eben vor allem an Polen, Ungarn und Rumänen. Italiener und Griechen profitieren auch auf diesem Weg kaum von der deutschen Konjunktur.

Austerität ist manchmal schädlich – aber nicht immer

Das größere Rätsel aber war bisher ein anderes: Ist Austerität immer schädlich? Wenn das so wäre, dann müssten jetzt auch Irland, Portugal und Spanien ein Problem haben. Diese Länder kamen nämlich – anders als Italien – ins Hilfsprogramm der EU und haben spürbare Sparauflagen bekommen. Doch ihnen geht es gar nicht so schlecht.

Dieses Rätsel lösen ausgerechnet drei italienische Ökonomen: Alberto Alesina lehrt in Harvard, Carlo Favero und Francesco Giavazzi an der Bocconi-Universität in Mailand. Sie veröffentlichen in der kommenden Woche ein Buch, das Sparprogramme und ihre ganz unterschiedlichen Folgen untersucht, auch in der Eurokrise: “Austerity. When It Works and When It Doesn’t“. In ihre Erhebung sind mehr als 200 Sparprogramme eingegangen, die zwischen den späten 70er Jahren und 2014 in reichen Staaten vorgenommen wurden. Das führt zu einem simplen Ergebnis: Wenn Länder Steuern erhöhen, führt das typischerweise zu noch größeren Problemen. Die Staaten stürzen in eine andauernde Rezession. Die Wirtschaft leistet weniger, die Steuereinnahmen schrumpfen, und die Staaten haben umso mehr Schwierigkeiten, ihre Schulden zu bezahlen. Erst nach einigen Jahren pendelt sich all das wieder ein, und es geht langsam aufwärts. In diesen Ländern verwirklicht sich ziemliche genau das keynesianische Szenario, das die Gegner der Austeritätspolitik immer befürchten.

Doch es gibt noch einen anderen Weg: Der Staatshaushalt wird vor allem durch Ausgabenkürzungen saniert, vor allem werden Sozialprogramme zurückgefahren. Dann ergeht es dem Staat deutlich besser. Falls es überhaupt zu einer Rezession kommt, ist die oft schnell vorbei. Die Schuldenquote der Länder sinkt typischerweise von Anfang an. Das muss nicht mal zu Lasten der Armen in einem Land gehen. Oft werden Sozialleistungen nicht sehr zielgerichtet ausgegeben. In Italien senken Steuer- und Sozialsystem die Armutsquote beispielsweise nur von 24 auf 20 Prozent (in Deutschland von 26 auf 13 Prozent). Italien verteilt einfach viel Geld von der Mittelschicht zur Mittelschicht um.

Alberto Alesina hat seine These von der richtigen Austerität schon vor acht Jahren vertreten, damals mitten in der Eurokrise. FAZIT hat die Debatte schon damals begleitet. Jetzt legt Alesina nach – mit neuen Koautoren, vor allem aber mit Daten aus der Eurokrise, die seine ursprüngliche These stützen.

Italien erhöht die Steuern und hat wenig Erfolg

Als sich Italien während der Euro-Krise ans Sparen machte, wurden zwar einige Rentenregeln geändert, und einige Ministerien mussten mit geringeren Geldbeträgen auskommen. Der etwas größere Teil des Sparpakets bestand aber aus Steuererhöhungen: Gemeindesteuern stiegen, die Mehrwertsteuer war sowieso schon erhöht worden, auch verschiedene Verbrauchssteuern wurden angehoben, zum Beispiel die Biersteuer. Heute hat Italien große Schwierigkeiten, die Bevölkerung ist unzufrieden, die Schuldenquote stagniert auf Rekordniveau.

Irland machte es anders. Zwar begann die Haushaltskonsolidierung mit leichten Steuererhöhungen. Doch dann schnitt die Regierung tief in ihre Budgets hinein. An Krankenversorgung, Justiz und Bildung wurde gespart, auch die Armee blieb nicht außen vor. All das klingt, als habe Irland an seiner Zukunft gespart. Doch heute steht Irland besser da. Die Krise war heftig, aber schnell vorbei. Obwohl Irland unter der Bankenkrise anfangs viel heftiger gelitten hatte als Italien, steht das Land inzwischen wieder hervorragend da. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Schuldenquote liegt schon fast wieder bei der 60-Prozent-Grenze aus dem Stabilitätspakt.

Warum Sparprogramme besser sind als Steuererhöhungen

Woran liegt es, dass Austerität in Form von Ausgabenkürzungen so viel erfolgreicher ist als Steuererhöhungen? Die drei Ökonomen haben dafür einige Anhaltspunkte gefunden. Steuererhöhungen wecken bei Kreditgebern und Investoren aus anderen Ländern weniger Vertrauen in die dauerhafte Sanierung. Steuern zu erhöhen ist der einfachere Weg. Oft werden bald neue Wohltaten verteilt, dann steigt das Defizit wieder, oder die Steuern müssen noch weiter steigen.

Wenn ein Staat aber Ausgabenprogramme kürzt, dann zeigt er, dass er die Sanierung der Finanzen ernst meint. Tatsächlich ist der Erfolg in solchen Fällen dauerhafter, auch weil der Staat nicht so bald wieder mehr Geld ausgibt. In diesem Fall können sich Bürger, Investoren und Kreditgeber eher darauf verlassen, dass die Staatsfinanzen intakt bleiben und auch in näherer Zukunft keine Steuererhöhungen kommen werden.

Das Problem ist: Wenn die Schuldenkrise kommt, ist oft keine Zeit, ein Programm zur Ausgabensenkung auszuarbeiten. Steuersätze sind schnell erhöht. Aber bis sich jemand überlegt hat, welche Ausgaben genau gekürzt werden sollen, kann einiges an Zeit vergehen – vielleicht zu viel, wenn Kreditgeber gerade das Vertrauen in die Solidität des Landes verlieren. Auch deshalb entscheiden sich Regierungen in der Krise oft für Steuererhöhungen – und damit für den langfristig schlechteren Weg.

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Der Autor:


Patrick Bernau