Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Papa macht Babypause

 
Immer mehr Väter gehen in Elternzeit. Den Müttern hilft das sehr. Den Männern auch?

Manche Dinge verändern sich nur sehr langsam – andere von jetzt auf gleich. Die Zahl der Männer, die nach der Geburt ihres Kindes in Elternzeit gehen, gehört zur zweiten Kategorie. Gerade einmal drei Prozent der Väter blieben in Deutschland im Sommermärchen-Jahr 2006 zu Hause. Keine Generation später entscheidet sich mehr als jeder dritte Vater für eine Job-Auszeit. Auslöser für diese Kulturrevolution ist das 2007 eingeführte Elterngeld und das später hinzugefügte Elterngeld Plus. Die meiste Erziehungsarbeit bleibt zwar nach wie vor an den Müttern hängen, die dafür häufig auf Karrieresprünge und höhere Löhne verzichten. Aber immerhin bleiben die Männer heute im Schnitt rund drei Monate zu Hause, also etwas länger als die Mindestbezugszeit von zwei Monaten, mit der Paare die staatlichen Leistungen voll ausschöpfen können.
 
Warum das eine gute Nachricht ist – und nicht einfach Privatsache? Es stimmt ja: Es ist eine persönliche, ja fast intime Frage, wie sich ein Paar die Kindererziehung aufteilt. Der Staat soll sich in diese Entscheidung möglichst nicht einmischen. Schließlich können Frau und Mann am allerbesten selbst aushandeln, wer das Geld ranschafft und wer sich um das Kind kümmert. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Denn es ist naiv anzunehmen, dass über Jahrhunderte tradierte Rollenbilder nicht zum Fortbestehen der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern beitragen. Wer als Mann eine längere Elternzeit antritt, muss heute noch immer mit ketzerischen Kommentaren rechnen. Es gibt also gute Gründe, in einem gewissen Rahmen, der den Eltern die Wahlfreiheit lässt, gegenzusteuern und Väter zu motivieren, in Elternzeit zu gehen.
 
In fast allen Industrienationen setzt der Staat inzwischen finanzielle Anreize, die Eltern belohnen, die sich die Erziehungsarbeit aufteilen. Schweden ist ein Vorreiter. 1974 waren die Skandinavier die erste Nation überhaupt, die Vätern und Müttern erlaubte, sich die sechsmonatige Auszeit aufzuteilen. In Schweden war es auch, wo nun die beiden Stanford-Ökonominnen Petra Persson und Maya Rossin-Slater untersuchten, wie es sich auf die Familie auswirkt, wenn Väter flexibler zu Hause mithelfen können. Sie wiesen dabei nach, dass Mütter körperlich und seelisch erheblich profitieren, wenn sie nach der Geburt des Kindes weniger auf sich allein gestellt sind.
 
In Schweden haben Eltern zwar einen relativ üppigen Anspruch auf Elternzeit. Anders als in Deutschland gab es aber lange kaum eine Möglichkeit, dass Vater und Mutter eine gewisse Zeit gemeinsam zu Hause bleiben. Das änderte sich im Jahr 2012. Eine Reform ermöglichte es Männern, innerhalb des ersten Lebensjahres ihres Kindes bis zu 30 bezahlte Urlaubstage gleichzeitig mit der Mutter zu nehmen. Die Forscherinnen konnten dank dieser Veränderung Familien vergleichen, deren Kinder kurz vor oder kurz nach dem Stichtag geboren sind. Die positiven Effekte, die Persson und Rossin-Slater in diesem natürlichen Experiment beobachteten, sind bemerkenswert. Nach der Reform sank bei den Müttern im ersten halben Jahr nach der Entbindung die Wahrscheinlichkeit, an typischen Folgebeschwerden wie etwa Brustenzündungen zu erkranken, um 14 Prozent. Die Zahl der Frauen, die nach der Reform Antibiotika schlucken mussten, sank um 11 Prozent.
 
Was für viele Mütter noch wichtiger sein dürfte: Die Verschreibungen von Medikamenten, die gegen Angstzustände und Depressionen helfen, gingen um 26 Prozent zurück. Die Ökonominnen erklären die Ergebnisse damit, dass die Paare letztendlich am besten wissen, an welchen Tagen die Mütter besonders auf Unterstützung angewiesen sind, und die Väter deshalb die freien Tage gezielt in Anspruch nehmen können. Bemerkenswert ist, dass die Effekte so groß waren, obwohl die meisten Väter die dreißig zur Verfügung stehenden Tage gar nicht ausschöpften. Häufig reichten ihnen wenige Tage Sonderurlaub aus, in denen sie zu Hause mit anpackten.
 
Die für Männer nicht ganz unwichtige Frage, welche Auswirkungen die Elternzeit auf ihr Wohlergehen und ihre Karriere hat, sparen die Ökonominnen leider aus. Insgesamt ist diese Frage nicht sonderlich gut erforscht. Grundsätzlich hat sich gezeigt, dass Männer im Gegensatz zu Frauen vom Arbeitgeber belohnt werden, wenn sie ein Kind bekommen. Ihre Löhne steigen im Schnitt, während die der Mütter sinken. Die Gründe dafür sind nicht ganz klar. Forscher nehmen an, dass Arbeitgeber davon ausgehen, dass sich die Frauen nach der Geburt des Kindes auf die Hausarbeit konzentrieren – die Männer also zu Hause entlastet werden und sich ganz in den Job stürzen können, was die höheren Löhne rechtfertigen würde. Aber was passiert, wenn Männer durch eine Elternzeit signalisieren, dass dem nicht so ist?
 
In einer weiteren Studie in Schweden beobachteten Forscher, dass auch die Löhne der Männer sinken, wenn sie eine Babypause machen. Allerdings fielen die Löhne der Männer nicht so stark wie die der Frauen. Zudem vergrößerte sich der Rückgang auch nicht wie beim anderen Geschlecht mit der Länge der Auszeit. Diese Beobachtung beißt sich mit der sogenannten Humankapitaltheorie: Sie besagt, dass jemand, der eine Auszeit nimmt, mit der Zeit Qualifikationen verliert und deshalb hinterher schlechter bezahlt wird. Männern wird das offenbar eher verziehen – womöglich, weil sie durch die Auszeit für die Familie Verantwortungsbewusstsein und Verlässlichkeit unter Beweis stellen. Beide Tugenden könnten auch dem Arbeitgeber etwas wert sein.
 
Die Auszeit der Väter verändert nicht nur die Einkommen der Eltern. Sie hat langfristig auch großen Einfluss darauf, wie sich Mutter und Vater die Arbeit im Haushalt teilen. Pia Schober (Universität Tübingen) und Gundula Zoch (Universität Bamberg) beobachteten in Deutschland, dass selbst eine kurze Elternzeit des Vaters die traditionellen Strukturen innerhalb der Familie verändert. Auch mehrere Jahre nach der Elternzeit sei die Hausarbeit in diesen Familien gleichmäßiger auf beide Elternteile verteilt gewesen als in anderen Familien, fanden sie in einer Studie heraus, die auf Daten des sozioökonomischen Panels basiert, für das jährlich mehr als 30 000 Menschen in Deutschland befragt werden.
 
Allerdings gelte dies nur unter der Einschränkung, dass die Männer nicht gleichzeitig mit ihrer Partnerin Elternzeit genommen haben, sondern eine Zeitlang alleinverantwortlich gewesen sind. Männer, die sich einmal an Putzen und Müllrausbringen gewöhnt haben, machen später damit weiter. Die Elternzeit ist also auch eine Investition in den Familienfrieden.
 
 
Petra Persson, Maya Rossin-Slater: When Dad Can Stay Home: Fathers’ Workplace Flexibility and Maternal Health, IZA Discussion Paper Nr. 12386, Mai 2019
Pia S. Schober und Gundula Zoch: Change in the gender division of domestic work after mummy or daddy took leave: An examination of alternative explanations, SOEPpapers on Multidisciplinary Panel Data Research 803, 2015