Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Der CO2-Preis ist heiß

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Ak­ti­vis­ten ha­ben al­ler­lei Ide­en, um das Kli­ma zu schüt­zen. Die meis­ten sind über­flüs­sig.

Das Braunkohlekraftwerk Niederaußem (Foto: dpa)

Seit Wo­chen über­bie­ten sich Par­tei­en und Be­ra­ter­gre­mi­en dar­in, neue Kon­zep­te für ei­ne Be­prei­sung des Treib­haus­ga­ses Koh­len­di­oxid (CO2) aufzu­stel­len, da­mit der Aus­stoß von CO2 teu­rer wird und die Ent­schei­dung für Al­ter­na­ti­ven leich­ter fällt. Im Herbst möch­te Bun­des­kanz­le­rin An­ge­la Mer­kel ent­schei­den, wel­ches Kon­zept tat­säch­lich kom­men soll – doch an einer CO2-Steu­er führt wohl kein Weg vor­bei. Auch der Sach­ver­stän­di­genrat der Wirt­schafts­wei­sen hat ei­ne Ein­füh­rung be­für­wor­tet, zu­min­dest als schnel­le Über­gangs­lö­sung, bis das eu­ro­päi­sche Sys­tem zum Han­del mit Emis­si­ons­rech­ten ver­bes­sert wird.

CO2-Steu­er, das heißt in der Pra­xis: Die Steu­ern auf Ben­zin, auf Heiz­öl und an­de­re En­er­gie­trä­ger wer­den so an­ge­passt, dass sie den CO2-Aus­stoß wider­spie­geln. Die Mehr­ein­nah­men gibt der Staat auf die ei­ne oder an­de­re Wei­se an die Bür­ger zu­rück – so ist es zu­min­dest in den meis­ten Kon­zep­ten vor­ge­se­hen.

Da­nach könn­te sich die Po­li­tik ei­gent­lich zu­rück­leh­nen, so sagt es zu­mindest die Theo­rie: Wenn der CO2-Aus­stoß ei­nen an­ge­mes­se­nen Preis hat, kann man es den Bür­gern über­las­sen, ob sie die Emis­sio­nen an­fangs lie­ber ein­spa­ren, in­dem sie Bahn statt Au­to fah­ren, auf Koh­le­strom ver­zich­ten oder ih­re Häu­ser bes­ser däm­men. Die Re­gie­rung muss nicht ex­tra den Kohle­aus­stieg pla­nen oder Elek­tro­au­tos för­dern, son­dern nur über­prü­fen, ob der er­ziel­te CO2-Aus­stoß ge­ring ge­nug ist, und im Zwei­fel die Steu­er anpas­sen. Die hö­he­ren Prei­se auf CO2-Emis­sio­nen wer­den dann schon dafür sor­gen, dass sich die Bür­ger nach und nach für kli­ma­freund­li­che Alter­na­ti­ven ent­schei­den, und zwar zu­erst dort, wo es ih­nen am leich­tes­ten fällt.

Soll CO2-Ausstoß im Verkehr teurer sein?

Doch so funk­tio­niert die Po­li­tik nicht. Um­welt­or­ga­ni­sa­tio­nen lis­ten auf, dass die größ­ten CO2-Emit­ten­ten Braun­koh­le­kraft­wer­ke sei­en, de­mons­trieren­de Schü­ler for­dern ei­nen sym­bo­lisch wirk­sa­men Koh­le­aus­stieg, und Re­gie­run­gen las­sen ei­ne sehr be­deut­sa­me Koh­le­kom­mis­si­on ta­gen. Tatsäch­lich gibt es über die Grund­satz­fra­ge, ob ei­ne CO2-Steu­er aus­reicht, auch un­ter Öko­no­men Streit. Ei­ni­ge lis­ten schon Grün­de da­für auf, dass ihnen der ei­ne CO2-Preis eben doch nicht reicht. Am Deut­schen In­sti­tut für Wirt­schafts­for­schung bei­spiels­wei­se for­dert die En­er­gie­ex­per­tin Clau­dia Kem­fert un­ter­schied­li­che CO2-Prei­se für die ver­schie­de­nen Sek­to­ren. Auf Ben­zin bei­spiels­wei­se müs­se der CO2-Preis hö­her sein, denn die Deut­schen re­agier­ten auf hö­he­re Ben­zin­prei­se kurz­fris­tig kaum, dar­um wür­de im Ver­kehr we­ni­ger CO2 ein­ge­spart als in an­de­ren Sek­to­ren.

Sol­chen Ide­en wi­der­sprach der jüngs­te Wirt­schafts­no­bel­preis­trä­ger, der Kli­ma­öko­nom Wil­li­am Nord­haus, in sei­ner Preis­re­de: Er be­für­wor­tet ei­nen ein­heit­li­chen CO2-Preis in al­len Be­rei­chen. Dem Kli­ma sei es egal, wel­ches Koh­len­di­oxid ein­ge­spart wird, dann kann man auch das neh­men, auf das die Men­schen leich­ter ver­zich­ten kön­nen.

Joseph Stiglitz: Eine CO2-Steuer reicht nicht

Nun mel­det sich ei­ne wei­te­re Stim­me zu Wort, die sich für mehr Steue­rung in der Kli­ma­po­li­tik aus­spricht: Jo­seph Sti­glitz, der eben­falls schon ei­nen No­bel­preis er­hal­ten hat, und zwar da­für, dass er die Gren­zen von Märk­ten ana­ly­siert hat. Er zeigt ei­ni­ge Fäl­le, in de­nen zu­sätz­li­che Re­gu­lie­run­gen vor­teil­haft sein kön­nen.

Der ers­te ist die so­zia­le Ge­rech­tig­keit. Falls ar­me Leu­te so bil­lig le­ben müssten, dass sie da­bei viel CO2 aus­stie­ßen, gä­be es aus sei­ner Sicht Handlungs­be­darf. So ein Fall trä­te zum Bei­spiel ein, wenn ar­me Leu­te oft in un­ge­dämm­ten Woh­nun­gen leb­ten und al­te Au­tos mit ho­hem Sprit­verbrauch füh­ren. Dann müss­ten vor al­lem sie die Last des Kli­ma­schut­zes tra­gen. Da­her schlägt Sti­glitz vor, schar­fe CO2-Re­geln für die Lieb­lings­produk­te der Rei­chen ein­zu­füh­ren, um die CO2-Prei­se für an­de­re Pro­duk­te nied­ri­ger hal­ten zu kön­nen. Tat­säch­lich aber hat der deut­sche Sach­ver­ständi­gen­rat fest­ge­stellt, dass die­ser Fall in Deutsch­land sel­ten ist. Denn es sind die rei­chen Haus­hal­te, die mit ih­rem auf­wen­di­gen Le­bens­stil viel mehr Treib­haus­ga­se aus­sto­ßen als die ar­men Haus­hal­te.

Soll der Staat unsere Vorlieben manipulieren?

Ein an­de­res Bei­spiel dreht sich um ge­sell­schaft­li­che Vor­lie­ben. Wenn die CO2-Steu­er ähn­lich den Ab­lass­brie­fen im Mit­tel­al­ter da­zu bei­trägt, dass die Men­schen um­so un­ge­nier­ter Treib­haus­ga­se aus­sto­ßen, muss sie im­mer wei­ter stei­gen, um ih­ren Ef­fekt zu er­fül­len. Es kann aber auch an­ders lau­fen: So wie das Rau­chen aus der Mo­de kam, schon be­vor es ver­bo­ten wur­de, so könn­te – mit den rich­ti­gen po­li­ti­schen Im­pul­sen – auch kli­ma­schäd­li­ches Ver­hal­ten aus der Mo­de kom­men, ar­gu­men­tiert Sti­glitz auf Basis anderer Arbeiten. In so ei­nem Fall könn­te der Kli­ma­schutz so­gar mit ei­nem ge­rin­ge­ren CO2-Preis si­cherge­stellt wer­den.

Tat­säch­lich ver­su­chen Um­welt­or­ga­ni­sa­tio­nen schon heu­te, in Eu­ro­pa die „Flug­scham“ zu eta­blie­ren: Wer sich noch ins Flug­zeug setzt, soll sich wenigs­tens da­für schä­men. Das al­ler­dings hat bis­her nicht viel be­wirkt. Sol­che An­sät­ze kön­nen da­zu füh­ren, dass die Ge­sell­schaft von den ein­zelnen Men­schen in im­mer mehr Si­tua­tio­nen be­son­ders tu­gend­haf­tes Verhal­ten ein­for­dert, es ent­steht ein Kli­ma der so­zia­len Kon­trol­le. In solchen Si­tua­tio­nen gilt auch: Wer sich be­son­ders vor­bild­lich ver­hält, hat den Nach­teil, und den Vor­teil hat, wem die Ap­pel­le zum Kli­ma­schutz egal sind. Das wer­den vie­le Leu­te un­ge­recht fin­den, und so könn­te der Ruf nach Ver­bo­ten noch lau­ter wer­den.

Kann man Innovationen planen?

Ein drit­tes Bei­spiel sind In­no­va­tio­nen. Das Bei­spiel hängt da­mit zu­sam­men, dass die CO2-Steu­er an­fangs nied­rig be­ginnt und mit den Jah­ren stei­gen soll. Sti­glitz be­tont, dass der An­reiz zur Ent­wick­lung kli­ma­freund­li­cher Pro­duk­te in die­sem Fall klei­ner ist, als wenn die CO2-Steu­er von An­fang an hoch ist. Dann könn­te sie spä­ter so­gar sin­ken. Sti­glitz räumt ein, dass so ein CO2-Steu­er­schock die Be­völ­ke­rung über­for­dern wür­de. Statt­des­sen empfiehlt er, ei­ni­ge kli­ma­schäd­li­che Pro­duk­te zu ver­bie­ten, um die Forschung an Er­satz­pro­duk­ten zu be­schleu­ni­gen. Doch wer bei so ei­nem Vor­ha­ben das fal­sche Pro­dukt er­wischt, ver­kom­pli­ziert das Le­ben und spart da­bei trotz­dem nur we­nig Treib­haus­ga­se.

Was Sti­glitz kaum dis­ku­tiert, sind Nach­tei­le der Zu­satz­re­gu­lie­run­gen: Je mehr Re­geln ein­ge­führt wer­den, um­so leich­ter fin­den Lob­by­is­ten Ansatzpunk­te, um ih­re Spe­zial­in­ter­es­sen durch­zu­drü­cken. Tech­ni­sche Überra­schun­gen, die den Kli­ma­schutz er­leich­tern könn­ten, ha­ben es schwe­rer, wenn sie eben nicht zu­fäl­lig in die vie­len Ein­zel­re­geln pas­sen. Und je mehr Re­geln ein­ge­führt wer­den, um­so eher wi­der­spre­chen sie sich ge­gen­sei­tig oder ar­bei­ten ge­gen­ein­an­der. Der Streit dar­über wird wei­tergehen.

Sti­glitz’ Ar­beit zeigt, dass wei­te­re Kli­ma­schutz­re­geln ei­ne sorg­fäl­ti­ge Begrün­dung brau­chen. Für die For­de­rung von Kem­fert, dass auf Ben­zin höhere Steu­ern an­fal­len sol­len als auf an­de­re Pro­duk­te, lie­fert auch Sti­glitz kei­ne Be­grün­dung.


 

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Der Autor:


 

Patrick Bernau

 


13 Lesermeinungen

  1. Antesde sagt:

    Energiewende 2.0
    Die erste Energiewende hat bisher 500 Milliarden gekostet. Sie war ein Muster für Nachhaltigkeit, da sie zeigte, wie man nachhaltig alle Ziele verfehlen kann.

    Jetzt werden Witze dazu gemacht “Kommt ein Trittin und macht eine Energiewende, die soviel wie eine Kugel Eis kostet …”. So hat man den Unterhaltungswert erkannt. Die alte Synonymität von “grün” und unreif soll evident bleiben und Dummheiten aller Art kommen bei der jugendlich-emotionsbetonten Klientel hervorragend an. Die sich auch darauf berufen kann, dass ihre Grünheit sie a priori vom lästigem Verständnis komplexer Zusammenhänge befreit.

    Vor allem ist sie die Zukunft, wie sie selbst mit starrem Blick in den Spiegel immer wieder betont. Energiewende 2.0. ist geboren.

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