Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Corona bekämpfen oder Wirtschaft stärken? Beides!

Muss sich Deutschland zwischen dem Kampf gegen das Virus und dem Kampf gegen die Rezession entscheiden? Nein, sagt eine beachtenswerte Studie von Ökonomen und Infektionsforschern.

© dpaVorbereitung auf die Öffnung.

„Das ist genau das, was wir brauchen in der jetzigen Situation“ – mit so einem Satz kann der Virologe Christian Drosten eine Studie mitten in die politische Debatte bringen. Am Donnerstag sagte er das über eine neue Studie des Ifo-Instituts und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung. Darin rechnen die Wissenschaftler aus, was für die Volkswirtschaft besser ist: Wenn die Corona-Beschränkungen härter sind, aber nicht so lange dauern – oder wenn sie lockerer sind, dafür das Virus aber die Beschränkungen für längere Zeit erzwingt.

Die Antwort zuerst: Entgegen aller Öffnungsforderungen aus den Unternehmen scheint Deutschland gar nicht so weit weg von dem Weg, der volkswirtschaftlich am sinnvollsten ist. „Eine leichte, schrittweise Lockerung der Beschränkungen“ sei der Weg mit den geringsten wirtschaftlichen Kosten, heißt es in der Studie – bei einer Reproduktionszahl R von 0,75, das heißt: Vier Infizierte stecken drei weitere Menschen an. Genau dort lag der vom Robert-Koch-Institut angegebene Wert von R zuletzt.

Diese Lösung scheint gut für Gesundheit und Wirtschaft

Die Überraschung: Bei dieser Reproduktionszahl ist auch die Zahl der Toten sehr vergleichbar mit der von härteren Maßnahmen, nur bei höheren Reproduktionszahlen gäbe es deutlich mehr Tote.


 

Wie kommen die Forscher auf all das? 

  • Die Forscher gehen davon aus, dass sich in Deutschland auf Dauer nicht mehr als 300 Menschen täglich neu infizieren dürfen, dann könnten die Gesundheitsämter alle Fälle isolieren und der Shutdown enden.
  • Bei härteren Shutdowns sinkt die Reproduktionszahl R tiefer, die Grenze von 300 Neuinfektionen ist also früher erreicht – dafür sinkt das Bruttoinlandsprodukt tiefer. Bei weniger harten Shutdowns sinkt das Bruttoinlandsprodukt nicht so weit, dafür ist ein längerer Shutdown nötig. Bei einer Reproduktionszahl von 0,75 dauert der Shutdown rund zwei Monate länger als bei einer Reproduktionszahl von 0,1, mit der die 300-Neuinfektions-Grenze innerhalb weniger Tage erreicht wäre, was allerdings in der Praxis sehr schwer zu erreichen ist.
  • Das Ifo-Institut macht regelmäßig umfangreiche Umfragen unter zigtausenden Unternehmen. Daraus haben die Forscher Schätzungen abgeleitet, wie hart der Shutdown unterschiedliche Branchen trifft: Luftfahrt und Reisebüros sehr, die Chemieindustrie relativ wenig. Das rechnen sie auf unterschiedliche Shutdown-Szenarien hoch. Das Ergebnis: Der Unterschied zwischen einem sehr harten Shutdown und einem sehr lockeren macht mehr als 20 Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts aus – und zwar jeweils für die Zeit, in der der Shutdown gilt. Dazu kommt: Auch die Erholungsphase dauert länger, wenn der Shutdown sehr hart ist.
  • Die Forscher rechnen ihr Modell mehrfach mit unterschiedlichen Annahmen. Zum Beispiel testen sie unterschiedliche Zahlen dazu, wie sehr die unterschiedlichen Branchen auf Shutdowns reagieren. Oder wie schnell sich das neue Corona-Virus verbreitet. Oder wie viele Neuinfektionen die Gesundheitsämter verkraften können – vielleicht nicht 300, sondern 200 oder 400. Das Ergebnis ist meist ähnlich.

Und zwar sind ist das folgendes Ergebnis: Bei einer Reproduktionszahl von 0,75 kosten die Maßnahmen geschätzt 4,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in den Jahren 2020 und 2021. Bei einer Reproduktionszahl von 0,1 steigen die Kosten auf 9,2 Prozent des BIP – aber auch bei einer hohen Reproduktionszahl von 1, also bei stärkeren Lockerungen, liegen die Kosten höher, nämlich bei 7,7 Prozent.

 

 

 
Offen ist an dieser Stelle die Frage: Was kann man noch alles öffnen, ohne dass die Reproduktionszahl wieder steigt? Auch an dieser Frage haben sich nicht nur kanadische Epidemiologen in den vergangenen Tagen versucht. Auch Ökonomen haben ihre statistischen Methoden ausprobiert. Mit diesen Methoden untersuchen sie sonst die Auswirkungen politischer Entscheidungen auf zählbare Entwicklungen der Gesellschaft – so unterschiedlich ist das gar nicht. Dabei waren zum Beispiel das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit und die chilenische Zentralbank – allerdings mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen.

 

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