Sonnenschein und DNA-Tests sind die effizientesten Waffen im Kampf gegen die Kriminalität. Von Winand von Petersdorff
Die Vereinigten Staaten sperren mehr Menschen in Gefängnisse als jede andere Demokratie. Zwei von drei Haftentlassenen werden überdies binnen drei Jahren abermals festgenommen, die Hälfte der Ex-Häftlinge landet wieder im Gefängnis. Hier zeigt sich ein kollektives Versagen in der Re-Integration von Menschen, die vom rechten Weg abgekommen sind.
Allerdings wimmelt es von Ideen, die hohe Rückfaller-Quote zu reduzieren. Ein Erfolg in dieser Hinsicht würde nicht nur die Gesellschaft sicherer machen, er hätte auch große ökonomische Folgen: Die Unterbringung, Versorgung und Bewachung von Häftlingen kostet viel Geld. Als gestrandetes Humankapital fallen sie überdies für produktive Rollen als Arbeitnehmer, Unternehmer oder Konsumenten weitgehend aus.
Die Vorschläge zur Beseitigung dieses Missstandes sind wohlwollend und oft auch plausibel. Sobald sie allerdings einer genaueren Überprüfung unterzogen werden, lassen sich oft kaum positive Wirkungen identifizieren.
Ein deutliches Beispiel liefert das “Ban the Box”-Projekt, dem sich zeitweise viele progressive Politiker und Organisationen verschrieben hatten. Ihre Energie richtete sich auf folgenden Umstand: Stellenbewerber mussten in schriftlichen Bewerbungen in einem Kästchen (der “Box”) ankreuzen, ob sie Vorstrafen haben. Politiker und Organisationen fürchteten, dass sich Ex-Häftlinge mit dem Kreuz in der Box stigmatisierten und damit ihre Aussicht auf eine Stelle verdarben. Ohne Arbeit, so der generelle Konsens, folgen die ehemaligen Strafgefangenen mit höherer Wahrscheinlichkeit einer kriminellen Laufbahn. Daher setzte sich in einigen Bundesstaaten die Idee durch, das Kästchen zur Bestätigung von Vorstrafen aus den Formblättern zu eliminieren, damit Ex-Häftlinge nicht schon in der Vorauswahl ausgesiebt wurden.
Die gewünschte Wirkung der in mehreren Bundesstaaten und Städten umgesetzten Idee blieb aus. Ehemalige Häftlinge hatten kaum bessere Berufschancen, wenn sie ihre Vorstrafen verschweigen durften. Noch schlimmer: Die Neuregelung ging sogar nach hinten los. Die Anhänger der Idee hatten die Motivation der Arbeitgeber falsch gedeutet. Nur weil sie Vorstrafen der Bewerber nicht mehr sofort abfragen durften, änderten sie ihre Haltung nicht. Wenn sie vorher keine Ex-Sträflinge einstellen wollten, dann wollten sie es nach der Neufassung der Bewerbungsregeln genau so wenig. Sie griffen nun aber nach anderen, gröberen Methoden.
Die Ökonomin Jennifer Doleac fasste den Stand der Forschung für eine Kongress-Anhörung so zusammen: Die “Ban the Box”-Politik veranlasst Arbeitgeber zu rassischer Diskriminierung. Sie stellen weniger Leute von Gruppen ein, die eine höhere Kriminalitätsquote aufweisen. Das hat Doleac zufolge die Beschäftigungschancen schwarzer Männer mit geringer Berufsausbildung verschlechtert. Sie konnten nicht mehr auf dem Formblatt darauf hinweisen, keine Vorstrafen zu haben.
Eine andere vielfach praktizierte Methode ist es, die Straffälligen nach Haftentlassung eng an der Hand zu nehmen und ihren Alltag zu kontrollieren und steuern. Solche Intensiv-Supervision kann beinhalten, dass die Schützlinge an bestimmten Programmen teilnehmen, häufig mit ihren Bewährungshelfern konferieren und generell eng kontrolliert werden. Mehrere solcher kommunaler Programme wurden mit Testverfahren überprüft. Man konnte indes in der entscheidenden Frage keinen Unterschied feststellen zwischen solchen Häftlingen, die intensiver Supervision unterzogen wurden, und solchen, die kaum überwacht wurden: Beide Gruppen wurden mit gleicher Wahrscheinlichkeit wieder straffällig.
Auch Beschäftigungsprogramme, die Ex-Häftlingen subventionierte Arbeit für sechs Monate geben, sind offenbar nicht besonders ergiebig, um die Rückfaller-Quote zu senken. Ob das daran liegt, dass diese Programme zu schlechte Stundenlöhne zahlen oder ob der zwangsläufige Umgang mit anderen Ex-Kriminellen negativ abfärbt, ist unklar. Bessere Chancen, die Rückfaller-Quote zu reduzieren, bieten sich, wenn der lokale Arbeitsmarkt, in den die Häftlinge entlassen werden, gut bezahlte offene Stellen für Personen mit geringer Berufsausbildung bietet, etwa auf dem Bau oder in der Industrie. Schlecht bezahlte Jobs als Pizzabote oder Regalauffüller für Supermärkte hingegen beeinflussen die Rückfaller-Quote nicht positiv.
Wenn es so schwer ist, die früheren Sträflinge in die Arbeitswelt zu integrieren, hilft vielleicht der indirekte Weg: Wenn sie fürchten müssen, erwischt zu werden, könnte das die Neigung zu neuen Straftaten senken. Eine Methode ist es, den Häftlingen DNA-Proben abzunehmen. Ein Politikwechsel in einem anderen Land, nicht in Amerika, ermöglichte Ökonomen, das zu untersuchen. Im Jahr 2005 erhöhte Dänemark den Anteil der Häftlinge, denen eine DNA-Probe abgenommen und in eine Datenbank gespeichert wurde, von 4 auf 40 Prozent. Der Erfolg war groß: Die Rückfaller-Quote, in Dänemark im Vergleich zu den Vereinigten Staaten ohnehin niedrig, sank im ersten Jahr um 5,7 Prozentpunkte oder 43 Prozent. Die Wirkung hielt mindestens drei Jahre an und war am stärksten bei Gewalttätern. In den Vereinigten Staaten zeigten sich ähnliche Ergebnisse, wenn auch in geringerem Ausmaß, wie Doleac nachwies.
Fernsehbildung könnte dafür eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Verbrecher entwickeln, wie der Rest der Bevölkerung, dank TV-Krimi-Konsum die Vorstellung, dass Täter häufig durch ihre am Tatort hinterlassene DNA überführt werden: ein Haar, Hautfetzen unter Fingernägeln, ein Blutfleck, reichen, um einen Täter zu identifizieren. In der Realität sind die Ermittlungen heute noch schwieriger, doch tatsächlich sind die Fortschritte groß. Der Vorteil der DNA-Methode für die Re-Integration von Straftätern ist, dass sie günstig ist und den Ex-Häftlingen offenbar auch die Einmündung ins normale Leben erleichtert. Sie sind häufiger verheiratet oder in stabilen Beziehungen.
Günstig ist auch eine andere Methode. Nach der Umstellung auf die Sommerzeit geht im Frühjahr regelmäßig die Anzahl der Überfälle und Vergewaltigungen zurück. Verbrecher scheuen das Tageslicht. Durch die Umstellung auf die Sommerzeit können mehr Menschen noch bei Tageslicht Feierabend machen und sicherer nach Hause kommen. Die Tatsache, dass es morgens dafür länger dunkel bleibt, veranlasst die Kriminellen offenbar nicht, ihre Aktivitäten in die Morgenstunden zu legen. Doleac plädiert dafür, die Sommerzeit in den Vereinigten Staaten permanent zu machen, also im Herbst nicht zur Winterzeit zurück zu kehren. Manchmal hilft mehr Licht.
Literatur:
Jennifer Doleac: Encouraging desistance from crime. 2020.
Anne Sofie Tegner, Jennifer Doleac, Rasmus Landersø: The effects of DNA databases on the deterrence and detection of offenders. 2020.
Jennifer Doleac, Benjamin Hansen: The unintended consequences of “ban the box”: Statistical discrimination and employment outcomes when criminal histories are hidden. 2020.