Hat die expansive Geldpolitik eine Zukunft? Wie kann sie sich wieder mehr Handlungsspielraum verschaffen? Claudio Borio hält viele alte Weisheiten für prüfenswert. Und in Australien wird diskutiert, ob der dortige Zentralbankrat überhaupt etwas von Geldpolitik versteht.
Die jährlich in Frankfurt ausgerichtete Konferenz “The ECB and its Watchers” ist traditionell sehr international ausgerichtet und mit Befürwortern wie Kritikern der aktuellen Geldpolitik besetzt. Dies sorgt für unterschiedliche Standpunkte und manchmal auch für lebhafte Diskussionen. Von den zahlreichen interessanten Beiträgen in diesem Jahr soll an dieser Stelle der Vortrag Claudio Borios kurz behandelt werden. Borio ist Leiter der Abteilung für Geld und Wirtschaft in der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), der Bank der Zentralbanken. Er ist seit viele Jahren als ein Kritiker der Geldpolitik der großen Zentralbanken bekannt – ohne allerdings in das Untergangs-Gedröhne von Katastrophenökonomen zu verfallen.
Folgende Punkte sind wichtig:
- Auf absehbare Zeit sieht Borio die Geldpolitik notwendigerweise weiterhin in einem expansiven Krisenmodus. Das kritisiert er nicht. Er fürchtet aber, dass bisher als außergewöhnlich wahrgenommene geldpolitische Instrumente wie Anleihenkäufe und Negativzinsen nach der Krise zu Instrumenten für eine gewöhnliche Geldpolitik werden. Das fände er nicht gut.
- Borio bestreitet nicht positive Wirkungen etwa von Anleihekäufen in Krisen. Dieses Instrument habe sogar besser gewirkt als befürchtet. Allerdings ließen die positiven Wirkungen solcher Instrumente im Zeitablauf nach und die negativen Nebenwirkungen sollten nicht unter den Tisch gekehrt werden.
- Er ist sehr kritisch gegenüber dem nachhaltigen Einsatz von Ankündigungen in der Geldpolitik, um die Inflationsrate zu beeinflussen. Das lässt sich als Kritik an aktuellen Diskussionen in Zentralbanken betrachten, durch die Ankündigung (“Forward Guidance”) höherer Inflationsziele die Menschen zu mehr Ausgaben zu veranlassen, um damit die höhere Inflation zu erreichen. Untersuchungen zeigten, dass viele Menschen ihre Inflationserwartungen nicht an Inflationszielen von Zentralbanken ausrichteten, sondern an Inflationsraten aus der jüngeren Vergangenheit. Die Menschen hätten längst erkannt, dass Zentralbanken die Inflationsrate nicht punktgenau steuern könnten.
- Auch die Zentralbanken sollten akzeptieren, dass sie zumindest ein Stück weit die Kontrolle über die Inflation verloren hätten. So sei ein enger Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftswachstum und der Inflationsrate (“Phillips-Kurve”) nicht mehr nachweisbar.
- Damit wird aber auch die Strategie von Zentralbanken fragwürdig, im Falle sehr niedriger Inflationsraten durch immer weitere geldpolitische Lockerungen mehr Wirtschaftswachstum und Inflation erzeugen wollen. Borio kritisiert damit das Mantra: “Der Weg zu höheren Zinsen geht zunächst über Zinssenkungen.”
- Schon lange kritisiert Borio die Neigung von Zentralbanken, niedrige Leitzinsen mit einem säkularen Rückgang des sogenannten natürlichen Zinses zu erklären, auf den die Geldpolitik reagieren müsse. Borio bestreitet dabei nicht einen säkularen Rückgang des natürlichen Zinses, aber nach seiner Ansicht haben die Zentralbanken selbst zu diesem Rückgang beigetragen.
Daraus folgt: Borio ruft dazu auf, die Grenzen geldpolitischer Handlungsfähigkeit zu akzeptieren und Geldpolitik langfristiger auszurichten, anstatt kurzfristig auf jede Zielverfehlung zu reagieren. Und er erinnert daran, dass es auch andere Politikbereiche gibt, die für das wirtschaftliche Wohlergehen Verantwortung tragen. Dazu zählt er auch die Notwendigkeit, Strukturreformen durchzuführen.