Sollen die Reichen für die Corona-Schulden zahlen? Eine Vermögensteuer oder Vermögensabgabe ist populär. Aber gar nicht so einfach zu verwirklichen.
Wenn es gut läuft, geht die Corona-Krise nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr ihrem Ende entgegen. Dann muss die nächste Bundesregierung den Laden wieder aufräumen und die Staatsfinanzen nach den vielen Hilfsaktionen wieder in Ordnung bringen. Es werde reichen, wenn Deutschland aus seinen Schulden wieder hinauswächst, hat Finanzminister Olaf Scholz vergangene Woche in der Bundestagsdebatte gesagt – doch er sagt auch bei praktisch jeder möglichen Gelegenheit: Er wünscht sich, dass die Vermögensteuer wiederkommt.
Nun weiß eigentlich jeder, dass es dabei vor allem um Symbolik geht. Mit einer Vermögensteuer ist der Staatshaushalt nicht zu sanieren. Könnte Deutschland zum Beispiel Amazon-Gründer Jeff Bezos enteignen, den reichsten Menschen der Welt, dann wäre das geplante Staatsdefizit fürs kommende Jahr immer noch nicht beglichen. Dazu müsste der Staat schon die acht reichsten Deutschen komplett enteignen. Fürs übernächste Jahr wären dann die SAP-Gründer dran und die Brüder Strüngmann, die die Entwickler des deutschen Corona-Impfstoffs finanziert haben. Und wie lange das reicht, ist offen.
Wenn man sieht, wie wenig Geld der Staat auf diese Weise holen kann: Kein Wunder, dass es ihm zu teuer war, die Höhe der Vermögen so sorgfältig zu ermitteln, wie es das Verfassungsgericht gefordert hat, und dass die Vermögensteuer dann unter den Tisch fiel.
Ein neuer Überblick über Vermögensteuern und Vermögensabgaben
Allerdings steht nicht nur Deutschland vor der Frage, wie man Vermögen richtig besteuert. Dazu gibt es jetzt einen neuen Überblick: Die Ökonomen Florian Scheuer von der Universität Zürich und Joel Slemrod von der Michigan-Universität in Ann Arbor haben internationale Erfahrungen und Untersuchungen verglichen.
Am Anfang steht die Erkenntnis: Richtige Vermögensteuern gibt es nur noch in Norwegen, Spanien und der Schweiz. Die meisten anderen entwickelten Staaten haben ihre Vermögensteuern inzwischen abgeschafft. Zwar wird in internationalen Vergleichen oft betont, dass es in anderen Ländern mehr „Steuern aufs Einkommen“ gebe als in Deutschland. Das allerdings sind häufig Grund- oder Immobiliensteuern, teils auch Erbschaftsteuern.
Die Vermögensteuer ähnelt der Einkommensteuer auf Kapitalerträge
Die Vermögensteuer selbst ähnelt der Einkommensteuer auf Kapitalerträge. Die gibt es ja schon. Nur gilt auch die Abgeltungsteuer von 25 Prozent in Deutschland oft als ungerecht niedrig. Aber dabei wird oft vergessen, dass 25 Prozent Abgeltungsteuer für viele Leute ungefähr so viel ausmachen wie eine Einkommensteuer von 48 Prozent, weil der ausgeschüttete Gewinn im Unternehmen schon besteuert worden ist und dann die Abgeltungsteuer noch obendrauf kommt.
Scheuer und Slemrod betonen: Eine Vermögensteuer ist dieser Abgeltungsteuer erst mal gar nicht so unähnlich, wenn es um das Steueraufkommen geht. Eine Vermögensteuer von einem Prozent kommt auf den gleichen Betrag wie eine Abgeltungsteuer von 25 Prozent, wenn das Vermögen vier Prozent Rendite macht.
Die Wirkungen sind aber komplett andere. Die Vermögensteuer wirkt dann eher wie eine „Flat Tax“ auf das Vermögen: Die Steuer steht fest, unabhängig davon, wie viel Rendite der Steuerzahler mit seinem Vermögen tatsächlich erwirtschaftet. Wer eine Million Euro in Immobilien in der Frankfurter Innenstadt hat und daran eine hübsche Summe verdient, zahlt also genauso viel wie jemand, der eine Million Euro in Immobilien in der Eifel stecken hat, wo die Immobilienpreise nicht so schnell steigen. Ob dieser Aspekt der Vermögensteuer im Sinne der Erfinder ist? Wohl kaum.
Die Vermögensteuer hat unbeliebte Folgen
Das allerdings ist nicht die einzige zu befürchtende unliebsame Folge einer Vermögensteuer. Existenzgründungen könnten noch unbeliebter werden als jetzt schon, wenn erfolgreiche Gründer dann netto weniger verdienen. Diese Sorge halten Scheuer und Slemrod indes für übertrieben. Möglich sei aber, dass Reiche tatsächlich weniger sparen und investieren, ihr Geld stattdessen eher verjubeln. Ohne diese Investitionen gibt es auch für Arbeitnehmer nicht mehr so gute Arbeitsplätze, fürchten Scheuer und Slemrod, in der Folge könnten die Löhne der Arbeitnehmer sinken.
Es geht aber nicht nur ums Verjubeln, sondern auch um Steuervermeidung und um das Wegziehen. „Bei einer zweiprozentigen Vermögensteuer muss ich Deutschland verlassen“, sagte SAP-Gründer Hasso Plattner der F.A.S. vor einem Jahr. Vor allem für junge Start-ups mit hohem Marktwert und wenig Gewinn sei so eine Vermögensteuer schwer zu bezahlen.
Wie viel macht all das aus? Wie viel Vermögen würde gar nicht erst entstehen oder dem Zugriff des Finanzamts auf die eine oder andere Weise entzogen? Für Großbritannien hat das in den vergangenen Monaten ein Forscherausschuss berechnet. Nach sorgfältiger Analyse von Vermögensteuern und Studien in anderen Ländern kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss: Eine Vermögensteuer von einem Prozent würde das besteuerbare Vermögen in Großbritannien um 7 bis 17 Prozent senken – aber nur, wenn die Vermögensteuer in allen Belangen optimal gestaltet ist. Schon kleine Fehler können dazu führen, dass das Land noch mehr Vermögen verliert. Der Abschlussbericht der Kommission ist am Mittwoch vorgestellt worden, sie empfiehlt nun eine Vermögensabgabe. Thomas Piketty spricht sich für härtere Maßnahmen aus, die allerdings nicht jeder befürworten wird.
Ist eine Vermögensabgabe besser?
Eine Vermögensabgabe wird auch in Deutschland immer wieder gefordert. In der Vergangenheit wurden solche Abgaben oft nach großen Katastrophen beschlossen, zum Beispiel nach Pandemien oder Kriegen, wie wir in “Fazit” schon beschrieben haben, in Deutschland zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg. Meistens wollte die Politik dann die Lasten der Katastrophe umverteilen. Zahlen sollte, wer zufällig gut durch die schwierige Zeit gekommen war; bekommen sollte, wer viel verloren hatte.
Die Vermögensabgabe scheint einige Vorteile gegenüber der Vermögensteuer zu haben. Wenn man die Abgabe einmal feststellt und die Zahlung dann über viele Jahre streckt, unterscheidet sich die jährliche Belastung nicht sehr von einer Vermögensteuer. Aber die Größe der Vermögen muss nur einmal ermittelt werden. Das spart Verwaltungsaufwand. Und der Anreiz für Vermögende, das Geld zu verjubeln oder wegzuziehen, entfällt – zumindest theoretisch.
Der Theorie stimmen Scheuer und Slemrod zu, allerdings geben sie zu bedenken: „Das hängt entscheidend davon ab, ob die Politik so eine Steuer schnell einführen kann und ob sie glaubhaft machen kann, dass ähnliche Abgaben nicht immer wieder erhoben werden.“
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