Vorstandschefs bringen besondere Eigenschaften mit. Es sind nicht immer die besten.
Wer hat das Zeug zum Konzernchef? Und wer hat in der Auswahl der Aufsichtsräte meistens Erfolg? Zwei amerikanische Wissenschaftler haben darauf neue Antworten, denn sie konnten eine sehr bemerkenswerte Sammlung psychologischer Profile von Spitzenmanagern auswerten. Die zeigen: Für unterschiedliche Positionen im Vorstand braucht es unterschiedliche Persönlichkeiten – und vor allem: Systematisch werden die falschen Leute zu Vorstandschefs berufen.
Schon vor einigen Jahren hat die Notenbank von New York gezeigt: Ob jemand überhaupt Karriere macht, das entscheidet sich früh. Und zwar schon vor dem 35. Geburtstag. Wer in dieser Zeit sein Gehalt viel schneller steigert als andere, der wird wahrscheinlich auch danach hohe Gehaltserhöhungen bekommen. Es geht um einen oder zwei von 20 Leuten. Für alle anderen brechen die Gehaltserhöhungen ungefähr zu jener Zeit ab, rund zehn Jahre nach dem Berufseinstieg. Was genau ein starker Gehaltsanstieg ist, das unterscheidet sich von Branche zu Branche – im Durchschnitt der USA geht es um eine Verdoppelung des Gehalts bis zum 35. Geburtstag. Menschen mit schlechten Karriereaussichten schaffen in dieser Zeit nur ein Drittel mehr.
Die Eigenschaften von Vorstandschefs
So beginnt die Karriere. Und wo endet sie? Ganz an der Spitze eines großen Konzerns? Wer dorthin kommt, das haben der Ökonom Steven Kaplan und sein Kollege Morten Sorensen ausgewertet. Sie hatten dafür Zugriff auf mehr als 2600 Persönlichkeitsprofile, die eine Personalberatung über Kandidaten für Konzernvorstände angefertigt hat: für Finanzvorstände, die Chefs fürs Tagesgeschäft und die Vorstandsvorsitzenden. 30 verschiedene Charakterzüge werden da für jeden Kandidaten untersucht. Handelt er schnell? Stellt sie gute Leute unter sich ein? Ist er kreativ? Offen für Kritik? Zieht sie ihre Leute für deren Leistung zur Verantwortung? Und so weiter.
Leider gibt es keine entsprechenden Profile für Durchschnittsbürger, mit denen man das Ergebnis vergleichen könnte. Doch die Profile in sich sind schon interessant. Es zeigt sich nämlich, dass manche guten Eigenschaften gegeneinander abgewogen müssen, sie treten selten in der gleichen Person auf. Dass jemand gute Leute einstellt und ein großes Netzwerk hat, ist auf jeden Fall ein Vorteil. Aber dann geht es schon los.
Gute Eigenschaften müssen abgewogen werden
Der Kandidat kann gut zuhören und geht respektvoll mit seinem Team um? Dann setzt er wahrscheinlich nicht so hohe Standards, arbeitet selbst etwas langsamer und handelt weniger aus eigenem Antrieb heraus. Zwischen guten emotionalen Fähigkeiten und starker Umsetzungsfähigkeit muss man also abwägen. Die Kandidatin kann ihr Team begeistern, sie vertritt auch mal eine unbeliebte Position und kann andere davon überzeugen? Dann fehlt es ihr vielleicht an Aufmerksamkeit fürs Detail und anderen analytischen Fähigkeiten – Charisma und Analysefähigkeit gehen ebenfalls nicht oft Hand in Hand. Genauso ist es mit dem strategischen Weitblick: Wer die großen Linien sieht, der hat oft Schwächen darin, sich um die tägliche Routine zu kümmern.
So lassen sich die Persönlichkeiten der unterschiedlichen Vorstände grob skizzieren: Vorstandschefs können oft gut umsetzen, haben Charisma und interessieren sich eher für die Strategie als für die Kleinigkeiten des täglichen Managements. Finanzvorstände sind ganz anders: emotional stärker, sehr analytisch und detailversessener. Und dann gibt es da noch die Vorstände, die sich um das Tagesgeschäft kümmern. Keine Überraschung: Sie liegen mit ihren Eigenschaften meist zwischen den Vorstandschefs und den Finanzvorständen, nur ums Detail kümmern sie sich besonders gründlich. Schon die Kandidaten für die unterschiedlichen Ämter haben diese Eigenschaften – und bei denjenigen, die Erfolg haben, ist alles noch deutlicher ausgeprägt.
Frauen und Männer unterscheiden sich in dieser Hinsicht übrigens kaum, allenfalls achten die Frauen in der Studie einen Hauch mehr aufs Detail als Männer. Und: Wenn die Persönlichkeitsprofile von Risikokapital-Investoren für ihre Start-up-Gründer bestellt werden, dann sind die Chefs besonders strategisch unterwegs, Details interessieren sie praktisch überhaupt nicht mehr. Das ist kein Wunder, schließlich sagt so mancher Firmengründer von sich, dass er am Management seines Unternehmens nicht mehr so viel Spaß habe, wenn es erst mal größer geworden ist – einige gründen dann lieber eine neue Firma.
Vorstandschefs sind emotional zu kompetent
All diese Beschreibungen klingen so klischeehaft, dass automatisch das Misstrauen wächst: Ist das alles Schwachsinn? Werden diese Persönlichkeitsprofile nur so dahingeschrieben, ohne tieferen Sinn und Erkenntnis? Das haben sich auch die beiden Autoren der Studie gefragt. Und sie haben einen Weg gefunden, das zu prüfen. In beträchtlicher Fleißarbeit haben sie mit ihren Teams nachgeguckt, was aus den Leuten später geworden ist. Die Personalberatung, die diese Persönlichkeitsprofile geschrieben hat, ist ja längst nicht die einzige auf dem Markt. Wenn die Topmanager sich also auch anderswo so entwickeln, wie es ihr Persönlichkeitsprofil voraussagt – das wäre eine starke Stütze für die These.
Und so kam es tatsächlich. Wenn zum Beispiel ein Kandidat für eine Position als Finanzvorstand angesehen wurde, aber das Persönlichkeitsbild eher zum Vorstandschef passte – dann hatte er hinterher auch gute Chancen, tatsächlich ganz an die Spitze zu rücken. Und wer um den Vorstandsvorsitz konkurrierte, aber eher wie ein Finanzvorstand daherkam, der wurde im Lauf der weiteren Karriere oft eben für die Finanzen zuständig.
Das Problem: Nicht jede Eigenschaft, die Auswahlkomitees schätzen, ist am Ende tatsächlich günstig für das Unternehmen. Das gilt vor allem für emotionale Fähigkeiten – und hier stimmen die Vorurteile nicht mehr unbedingt. Im Auswahlverfahren für Vorstandschefs nämlich haben die Kandidaten die besseren Chancen, die emotionale Intelligenz mitbringen und gut mit Leuten umgehen können. Das ist oft eine Fehlentscheidung. Schon vor zehn Jahren haben Steven Kaplan und Morten Sorensen gemeinsam mit einem weiteren Forscher gezeigt: Ganz an der Spitze eines Unternehmens kommt es nicht so sehr darauf an, dass die Chefs gut mit Menschen umgehen können. Wichtiger ist, dass sie ihre Strategie tatsächlich durchsetzen.
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