Steigende Preise ärgern die Verbraucher. Doch die Geldentwertung richtet noch mehr und größere Schäden an.
Das Jahr 2021 ist das Jahr, in dem die Verbraucher die Schrecken der Inflation wieder kennenlernen. In Deutschland liegt die Inflationsrate im November bei 5,2 Prozent. Das ist so viel wie seit der Hochkonjunktur nach der Wiedervereinigung Anfang der Neunzigerjahre nicht mehr. Für den Euroraum ist die Inflation um 5 Prozent ein Novum seit Einführung der gemeinsamen Währung im Jahr 1999. In den Vereinigten Staaten stiegen die Verbraucherpreise zuletzt um 6,8 Prozent. Man muss in Amerika fast vier Jahrzehnte bis 1982 zurückgehen, um auf eine höhere Teuerungsrate zu stoßen.
Für Verbraucher, die sich in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend an einen Anstieg des Preisniveaus um 2 Prozent oder weniger im Jahr gewöhnt hatten oder die sogar noch nie etwas anderes kennengelernt haben, ist das eine neue Erfahrung. Der Verlust an Kaufkraft schmerzt direkt im Geldbeutel an der Tankstelle, im Supermarkt oder beim Einkauf online. Das erklärt den allgemeinen Ärger über den Anstieg des Preisniveaus. Inflation aber schädigt die Wirtschaft und die Gesellschaft weit darüber hinaus.
Selbst mit einer Inflationsrate von 2 Prozent, die dem Ziel der Europäischen Zentralbank entspricht, sind 100 Euro nach 20 Jahren real nur noch 67,30 Euro wert. Bei einer Inflation von 5 Prozent sind es nach 20 Jahren real nur noch 37,69 Euro. Ein solcher Kaufkraftverlust muss durch eine gute Rendite der Geldanlage erst einmal aufgeholt werden. Derzeit gelingt das dem Sparer nicht und dem risikobewussten Anleger nur schwer. Die Geldentwertung führt die Verbraucher so dazu, das Geld lieber heute als morgen auszugeben. Sie mindert die Möglichkeiten, eigenständig für das Alter vorzusorgen. Die Inflation treibt die Menschen in die Fänge des Fürsorgestaates.
Inflation lenkt die Wirtschaft in die Irre
Inflation entsteht dadurch, dass zu viel Geld zu wenige Güter jagt. Im Ergebnis steigt dann das allgemeine Preisniveau. Im Gedankenexperiment des Wirtschaftsnobelpreisträgers Milton Friedman fliegt ein Hubschrauber über das Land und wirft allerorten und gleichzeitig ein Päckchen Hunderter ab. Nachfrage und Preise steigen überall im gleichen Ausmaß. In der Wirklichkeit funktioniert das nicht so. Speist eine Zentralbank mehr Geld in die Wirtschaft ein, um eine Zielinflationsrate zu erlangen, erreicht der Nachfrageschub die Wirtschaftsbereiche höchst ungleichmäßig. Manche Branchen werden künstlich stärker angetrieben als andere und ziehen Kapital und Arbeiter aus anderen Bereichen ab. Inflation verschiebt so nicht nur das Wirtschafts- und Preisgefüge zwischen heute und morgen, sondern auch zwischen Branchen oder Regionen.
Preise leiten in einer Marktwirtschaft als oft unbequemer, aber neutraler Hinweisgeber Käufe und Investitionen. Sie lenken, wie die Ökonomen sagen, die Ressourcen in die effizientesten Verwendungen: dahin, wo sie besonders gebraucht werden. Inflation verzerrt diese Signale. Manche Unternehmen und Branchen werden stärker als andere süchtig und abhängig von der Inflation. Die Inflation geldpolitisch wieder einzufangen bedeutet daher immer, dass die monetär verzerrten Preissignale sich wieder zurechtrücken, dass Kapital umgelenkt wird – und dass Arbeitsplätze verloren gehen.
Das sind die schädlichen Folgen geldpolitischer Versuche der Konjunkturbelebung, um Vollbeschäftigung zu erlangen. Sie hat vor allem der Wirtschaftsnobelpreisträger Friedrich August von Hayek in der Kontroverse mit John Maynard Keynes herausgearbeitet. Es sind diese Inflationsschäden innerhalb des wirtschaftlichen Gefüges, die beim keynesianisch motivierten Blick auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in der Regel unter den Tisch fallen.
Die Kosten der Pandemie …
Der aktuelle Teuerungsschub wird getrieben durch höhere Energiepreise und durch die Verwerfungen, die die Corona-Pandemie in der Wirtschaft angerichtet hat. Computerchips und andere elektronische Bauteile wurden knapp, weil Lockdowns die Nachfrage nach Computern und Videovergnügen im Heimbüro befeuerten – und weil Donald Trump durch seinen Handelskrieg chinesische Elektronikhersteller antrieb, Halbleiter zu bunkern. Covid-19-Ausbrüche in Ländern wie Malaysia oder Thailand führten zu größeren Produktionsausfällen bei Vorprodukten. Vor vielen Häfen stauten sich Frachtschiffe, weil sie pandemiebedingt nicht entladen werden konnten.
Die realwirtschaftlichen Störungen führen zu Verschiebungen im Preisgefüge, die erwünscht sind, weil sie Knappheiten anzeigen. Es sind Kosten der Pandemie, denen sich nicht ausweichen lässt, vergleichbar den Kosten einer schlechten Ernte. Doch es sind keine Kosten einer schädlichen Inflation. Bei genauer Betrachtung sei es verfehlt, in solchen Situationen von Inflation zu sprechen, betonte Hayek. Wenn in Japan eine wichtige Halbleiterfabrik brennt und die Versorgung mit Mikrochips beeinträchtigt, haben die folgenden Preissteigerungen nichts mit Inflation zu tun.
… werden zu Schäden der Inflation
Sie können sich aber schnell zur langfristigen Inflation auswachsen, wenn die Geldpolitik den Preisdruck monetär unterfüttert. Diese Gefahr ist hochaktuell. Vor und während der Pandemie pumpten die Zentralbanken viel Geld in die Wirtschaft. Ein Ende ist nicht in Sicht. Die Weltwirtschaft nimmt mit dem Ende vieler Corona-Restriktionen Fahrt auf. Die Preissteigerungen bilden auch diese konjunkturelle Erholung ab. Das ist das Umfeld, in dem höhere Knappheitspreise sich entlang der Lieferketten ausbreiten können. Versuchen Gewerkschaften, sich die Welt schönzureden und diese Kosten der Pandemie dann auch noch durch Lohnerhöhungen auszugleichen, erhält der Preisdruck breiten Schub. Dann werden die Kosten der Pandemie zu Schäden der Inflation.
Sosehr Politiker das öffentlich bedauern mögen, so zwiespältig ist das Verhältnis des Staates zur Inflation. „Seit Menschengedenken war die größte Quelle der Inflation der Versuch des Souveräns, Finanzmittel zu erlangen, um Kriege zu führen, um Monumente zu bauen oder für andere Zwecke“, schrieb Friedman. Der Staat profitiert von der Inflation, ganz unabhängig von den Motiven. Jedem Finanzminister kommt zupass, dass Inflation die angehäufte Staatsschuld real entwertet. Der Staat schröpft so seine Gläubiger. Nach dem rasanten Schuldenzuwachs während der Pandemie ist das besonders verlockend. Der Staat schröpft mit der Inflation auch die Steuerzahler. Mit höheren nominalen Einkommen rutschen sie in höhere Steuersätze hinein, die Steuerlast steigt.
In Deutschland wurde diese kalte Progression zuletzt durch Sondergesetze einigermaßen ausgeglichen. Eine automatische Korrektur, die die Bürger dauerhaft entlastet, vermied der Bundestag indes. Friedman könnte mit seinem historischen Diktum recht haben.
Literatur
Milton Friedman: Monetary Correction. Institute of Economic Affairs, London 1974.
Friedrich A. von Hayek: Full Employment at Any Price? Institute of Economic Affairs, London 1975.
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