Die Inflationsrate ist kräftig gestiegen und dürfte wohl noch einige Zeit hoch bleiben. Das lädt zur Frage ein, ob die heutige Wirtschaftstheorie zur Analyse hoher Inflationen in der Lage ist. Die aktuelle Theorie wurde sehr stark von einem genau 50 Jahre alten und geradezu gefeierten Fachaufsatz geprägt. Hat er die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt?
Wirtschaftliche Krisenzeiten haben sich mehrfach als Wendezeiten für das ökonomische Denken erwiesen. Ein Beispiel bildet die Zeit vor einem halben Jahrhundert, als die Phase eines weitgehend störungsfreien Wirtschaftswachstums nach dem Zweiten Weltkrieg durch eine Periode hoher Inflationsraten bei schwachem Wirtschaftswachstum abgelöst wurde. Ökonomen haben dies als “Stagflation” bezeichnet – und es bestehen Befürchtungen, in unserer Zeit könnte die Welt ebenfalls in eine “Stagflation” eintreten. Die erste “Stagflation” wurde von heftigen Debatten und bedeutenden theoretischen Durchbrüchen in der Makroökonomik begleitet.
“Expectations and the Neutrality of Money” (1972) aus der Feder des amerikanischen Ökonomen Robert Lucas ist der Aufsatz, mit dem die seit mehreren Jahrzehnten dominierende gesamtwirtschaftliche (makroökonomische) Theorie ihren Ausgang nimmt. In dieser Arbeit, “ein offenbar umfassender Entwurf zur Wiederherstellung der intellektuellen Ordnung einer gesamten Unterdisziplin1″ (David Laidler), brachte Lucas, dabei einen für die Makroökonomik bis dahin kaum gebräuchlichen theoretischen Rigorismus fordernd, drei Themen zusammen:
- die Nutzung des Konzepts rationaler Erwartungen für die Teilnehmer am Wirtschaftsleben
- die Überzeugung, dass sich gesamtwirtschaftliche Phänomene auf der Grundlage der alten, auf Léon Walras zurückreichenden Allgemeinen Gleichgewichtstheorie analysieren lassen, in der Märkte störungsfrei durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage geräumt werden.2)
- eine Erklärung des Zusammenhangs von Geldmenge, Beschäftigung und Preisniveau auf der Basis rationaler Erwartungen und der alten Gleichgewichtstheorie. Hier geht es nicht zuletzt um die alte Frage, ob mit der Geldpolitik auch reale Wirtschaftsgrößen wie das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung beeinflusst werden.
Der 50. Geburtstag des Aufsatzes hat Anlass für eine beachtliche Zahl von Betrachtungen gegeben, darunter ein Symposium des “Journal of Economic Methodology”. (Eine zusammenfassende Betrachtung ist hier.) Die Kombination aus Gleichgewichtstheorie und rationalen Erwartungen prägt den Mainstream der Makroökonomik seit Jahrzehnten – hierauf beruht der außerordentliche Einfluss von Lucas’ lediglich 19 Seiten umfassender, mathematisch anspruchsvoller Arbeit.
Aber was ist aus seiner Geldlehre geworden? Auf einer Podiumsdiskussion im Rahmen einer Konferenz der “European Society for the History of Economic Thought” hat sich David Laidler mit dieser Frage befasst – aus der Perspektive eines monetaristischen Ökonomen und Dogmenhistorikers, der seine Doktorarbeit bei Milton Friedman geschrieben hatte und sich seit Lucas’ berühmtem Aufsatz nach eigenen Worten “auf der falschen Seite der nachfolgenden 50 Jahre” sieht.
Geldpolitik mit Überraschungen
Lucas’ zentrale Botschaft lautet: Unter der Annahme rationaler Erwartungen kann Geldpolitik – im Gegensatz zu älteren Lehren – nur dann realwirtschaftliche Effekte besitzen, wenn die Zentralbank die Teilnehmer am Wirtschaftsleben überrascht. In seiner Nobelpreis-Vorlesung hat er die Bedeutung seiner Forschungen so zusammengefasst:
“The main finding that emerged from the research of the 1970s is that anticipated changes in money growth have very different effects from unanticipated changes. Anticipated monetary expansions have inflation tax effects and induce an inflation premium on nominal interest rates, but they are not associated with the kind of stimulus to employment and production that David Hume described. Unanticipated monetary expansions, on the other hand, can stimulate production as, symmetrically, unanticipated contractions can induce depression. The importance of this distinction between anticipated and unanticipated monetary changes is an implication of every one of the many different models, all using rational expectations, that were developed during the 1970s to account for short-term trade-offs.”
Allerdings lässt sich kaum eine sinnvolle Politik betreiben, die diese realen Effekte der Geldversorgung nutzt. Lucas empfahl den Zentralbanken daher wie früher schon Milton Friedman, eine an der Stabilität des Geldwertes ausgerichtete Geldmengenpolitik zu betreiben und dies klar und frühzeitig zu kommunizieren. Für ein möglichst hohes Wirtschaftswachstum braucht man nach dieser Sichtweise keine Geldpolitik, wohl aber eine funktionierende Marktwirtschaft.
Mit Blick auf diese wirtschaftspolitische Empfehlung hat aus keynesianischer Perspektive James Tobin die Lehre von Lucas als “Monetarismus Mark 2” bezeichnet und sie damit in die Tradition Friedmans gestellt, dessen Lehre Tobin “Monetarismus Mark 1” nannte. Wie Laidler angibt, haben Lucas und seine Mitstreiter, darunter Thomas Sargent und Neil Wallace, dieser Kategorisierung Tobins nicht widersprochen.
Monetarismus Mark 1 versus Monetarismus Mark 2
Dieser Vergleich ist nicht vollständig (was Tobin wusste). Friedman und Lucas stimmten zwar in ihren Grundüberzeugungen von Marktwirtschaft und Wirtschaftspolitik überein, doch in theoretischer Hinsicht trennten sie Welten. Friedman bevorzugte einfache Modelle, aus denen er empirisch testbare Hypothesen ableitete. Ein Koloss wie die Allgemeine Gleichgewichtstheorie blieb ihm immer fremd. Er begrüßte Lucas als einen politischen Verbündeten, blieb aber gegenüber dessen theoretischen Ambitionen immer distanziert.3) Aber auch andere Monetaristen wie Karl Brunner, Allan Meltzer und David Laidler bewahrten gegenüber der Makroökonomik à la Lucas Vorbehalte, unter anderem, weil sie die Prinzipien, nach denen aus Sicht von Lucas Theoriebildung künftig nur mehr möglich sein sollte, für viel zu streng und einengend hielten. Am pointiertesten hat diese Kritik wohl seinerzeit Brunner in seinem Aufsatz “The Disarray in Macroeconomics” formuliert.4)
Lucas gewann die Debatte um die zukunftsträchtige Fundierung der Makroökonomik , weil er, wie Laidler einräumt, den wissenschaftlichen Nachwuchs mit der Idee überzeugen konnte, sein Ansatz in der Makroökonomik erlaube die Behandlung aller wichtiger Probleme:
“This property was particularly appealing to new-comers to the discipline who were seemingly relieved of the need to read anything published before 1972, at least in macroeconomics.5) Any missing details of this reconstructed sub-discipline could, furthermore, be filled in by the systematic application to any issue of the analytic principles that new Classical economics embodied, another feature well calculated to appeal to those same new-comers as they looked for research topics.”
Bündig schließt Laidler mit Blick auf Lucas’ Pionierarbeiten: “(W)ithout his 1972 paper, macroeconomics would be very different in 2022.” 6)
Verlierer unter sich
Ja, Lucas gewann die Debatte um die künftige Ausrichtung in der Makroökonomik, aber seine Geldlehre, die reale Wirkungen des Geldes an Überraschungen in der Geldpolitik band, bestand den empirischen Test der Zeit nicht. Wir erlauben uns, aus einem früheren FAZIT-Artikel zu zitieren, der, auf ältere Arbeiten Laidlers gestützt, sich schon einmal mit diesem Thema befasst hat:
“Lucas’ Überraschungs-These war auf Basis von Daten aus den Vereinigten Staaten testbar – und die Ergebnisse fielen ernüchternd aus. Laidler zitiert ‘heroische Anstrengungen’ seines Kollegen Robert Barro, dessen Untersuchungen einen Befund brachten, der nahezu im Gegensatz zu Lucas’ These stand. Demnach zeigten erwartete Änderungen des Geldmengenwachstums rasche Wirkungen (was sie nach Lucas nicht tun sollten), während nicht erwartete Änderungen, wenn überhaupt, erst nach zwei Jahren Wirkungen zeigten (nach Lucas sollte es schnelle Wirkungen geben). Barros Arbeit stand nicht alleine – die Überraschungsthese schien um das Jahr 1980 nach rascher Popularität in der Luft zu hängen.”
Als misslich erwiesen sich zudem praktische Erfahrungen mit der Geldmengenpolitik zu jener Zeit. In Deutschland und der Schweiz, wo man diese Politik pragmatisch anwandte, waren die Ergebnisse gar nicht schlecht, aber in mehreren Ländern in der englischsprachigen Welt wurde Geldmengenpolitik bald wieder aufgegeben. Ein Grund waren die Begleiterscheinungen heftiger Rezessionen wie in den Vereinigten Staaten nach 1980 – obgleich nach der Lehre von Lucas eine vorher von der Zentralbank angekündigte, das Publikum nicht überraschende Straffung der Geldpolitik keine schweren realwirtschaftlichen Belastungen mit sich bringen sollte. Auch zeigte sich der Zusammenhang von Geldmenge und Preisniveau nicht als so eng wie erhofft. Ein kanadischer Geldpolitiker sagte seinerzeit: “Wir haben die Geldmenge nicht aufgegeben. Die Geldmenge hat uns im Stich gelassen.”
Die Folgen für die Entwicklung der ökonomischen Theorie waren weitreichend. In der Tradition von Lucas entstanden zwei Schulen, die auf die Kombination von Allgemeiner Gleichgewichtstheorie und rationaler Erwartungen setzten, aber anders als Lucas das Geld aus der Theorie verbannten. Die nunmehr seit Jahrzehnten dominierende neokeynesianische Theorie hat die Vorstellung jederzeit effizienter Märkte aus der Theorie herausgenommen und um Friktionen in Arbeits- und Gütermärkten angereichert. Diese Weiterentwicklung hat Lucas bekämpft, aber nicht aufzuhalten vermocht.
Die alternative, heute in den Hintergrund gedrängte Theorie rationaler Konjunkturzyklen hielt an flexiblen Märkten fest, verzichtete aber ebenfalls auf eine Rolle für das Geld. Das war eigentlich nicht das, was Lucas wollte, aber zumindest in dieser Hinsicht hatte er die Kontrolle über die Weiterentwicklung seiner Theorie verloren. Seine Nobelpreis-Vorlesung von 1995 schloss mit der Feststellung:
“But who can say how the macroeconomic theory of the future will develop, any more than anyone in 1960 could have foreseen the developments I have described in this lecture? All one can be sure of is that progress will result from the continued effort to formulate explicit theories that fit the facts, and that the best and most practical macroeconomics will make use of developments in basic economic theory.”
Zum Entsetzen der alten Monetaristen in der Tradition Friedmans und Brunners wurde mit der Geldlehre von Lucas gleich auch ihr “Monetarismus Mark 1” ins Museum der Theoriegeschichte abgeschoben, obgleich Brunner lauthals dagegen protestierte. Auch aus der Sicht Laidlers lief damals etwas grundlegend schief. Laidler räumt allerdings ein, dass Friedman (um 1975) und Meltzer (nach 2008) mit Prognosen bevorstehender hoher Inflationsraten daneben lagen und damit dem Ansehen der Monetaristen geschadet hatten. Es finden sich auch heute noch Ökonomen, genannt seien Michael Belongia und Peter Ireland (zum Beispiel hier und hier), die in monetaristischer Tradition arbeiten. Aber es sind nicht viele.
Kehrt das Geld in die ökonomische Analyse zurück?
Laidler hielt seinen Vortrag im Jahre 2021, als die Inflationsraten schon im Anstieg waren, aber noch nicht den zweiten Schub durch den Krieg im Osten und die durch die chinesische Covid-Politik verschärfte Lieferkettenproblematik erhalten hatten. Wenig erstaunlich meint Laidler, dass der weitere Verzicht der Geldpolitik auf eine explizite Berücksichtigung der Geldmenge schlecht ausgehen könnte. Aber man wird heute kaum jemanden finden, der einen engen und zuverlässigen, von der Geldpolitik nutzbaren Zusammenhang zwischen der Geldmenge und dem Preisniveau postuliert – vor allem nicht mehr seit der Einführung verzinslicher Guthaben bei den Zentralbanken.
Die geldpolitischen Konzepte der vergangenen Jahrzehnte waren zweifellos zumindest vorübergehend sehr erfolgreich. In vielen Ländern rund um den Globus sind die Inflationsraten ab den neunziger Jahren für lange Zeit zurückgegangen. Der Verzicht auf Geldmengenpolitik hat offensichtlich mit Blick auf die Entwicklung des Güterpreisniveaus nicht geschadet. Heute ist unter Ökonomen kaum umstritten, dass gerade bei sehr niedrigen Inflationsraten der Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisniveau locker ist. Aber die Zeiten haben sich geändert – wie in den siebziger Jahren, als Friedman populär war und Lucas sich einen Namen machte, ist die Inflationsrate nicht länger niedrig.
Jedenfalls ist bemerkenswert, wie weit Laidler die heutige Geldpolitik von jener alten monetaristischen Tradition sieht, in der, wenn auch theoretisch auf unterschiedliche Weise, Friedman und Lucas standen. Laidlers Einschätzungen werden im Einzelnen kaum unwidersprochen bleiben, aber sie sind doch recht interessant:
- Moderne Geldpolitik beruht seit langem nicht mehr auf der Steuerung einer Geldmenge, sondern auf dem sogenannten “Inflation Targeting”, in dem eine Zentralbank die Erwartungen des Publikums steuert, in dem sie sich mittelfristig einem Inflationsziel verpflichtet. Der kurzfristige Leitzins bildet das wichtigste Instrument dieser Politik. Diese zuerst in Neuseeland in den neunziger Jahren angewandte Strategie hat sich über die Welt ausgebreitet und besitzt seit längerem eine Fundierung im Geiste der dominierenden neokeynesianischen Makroökonomik. Laidler aber stellt heraus, dass diese geldpolitische Strategie ursprünglich in einem theoretischen Vakuum zuerst von Praktikern entwickelt und das theoretische Fundament erst später erarbeitet und sozusagen angeflanscht wurde.7)
- Manche moderne Ökonomen erkennen im “Inflation Targeting” dennoch einen starken Einfluss Friedmans, selbst wenn Geldmengen keine Rolle spielen. Das Wirken Friedmans in diesem Konzept eines “Monetarismus ohne Geld” schreiben sie der mittelfristigen Ausrichtung der Geldpolitik sowie der Fixierung der Geldpolitik auf das Ziel der Stabilität des Preisniveaus zu. Laidler lehnt diese Interpretation ab – “Inflation Targeting” habe sich weder von Friedman noch von Lucas inspirieren lassen. Vielmehr sei in der Ära des “Inflation Targeting” die Bedeutung des Geldes für die Geldpolitik zurückgedrängt worden.8)
- Die expansive Geldpolitik in und nach der Finanzmarktkrise von 2007 bis 2009 war weniger durch die Analyse der Geldpolitik in der Weltwirtschaftskrise von Friedman/Schwartz beeinflusst, sondern eher von Ben Bernankes Forschungen der Störungen von Kreditmärkten in der Weltwirtschaftskrise. Besonders kritisch setzt sich Laidler mit Warnungen von Monetaristen zu jener Zeit vor einer schlimmen Inflation auseinander – wir erwähnten in diesem Zusammenhang bereits Allan Meltzer: 9)
“These commentators had apparently failed to notice that the policy induced explosion in the size of the Fed’s balance sheet after 2008 was not leading to a corresponding expansion of the quantity of money, a phenomenon associated with the payment of interest on newly created reserves during this episode, but which had also marked the experience of the mid-1930s. They thus set monetarism up for what was once more perceived to be major empirical failure, every bit as dramatic, though every bit as fictitious, as that of the early 1980s.“ - Aber wie sieht es denn mit den Wertpapierkaufprogrammen, fachmännisch “Quantitative Easing” (QE) genannt, aus? Geht es hier nicht um Geldschöpfung und damit um ein monetaristisches Thema par excellence? Gerade in Deutschland finden sich Unterstützer dieser Sichtweise. Doch, ach: Laidler weist auch diese Interpretation zurück. Zum einen sei “Quantitative Easing” nichts anderes als ein anderer Name für das in der Geldpolitik seit fast 100 Jahren bekannte Instrument der Offenmarktpolitik. Und zudem habe keine Zentralbank in der Finanzkrise von 2007 oder danach Wertpapierankaufprogramme mit Blick auf ihre Bedeutung für die Geldmenge begründet. Das Argument kam in der Fachwelt praktisch nie vor – die Wertpapierankaufprogramme wurde eher mit einer Wirkung auf den langfristigen Zins begründet.
Somit bleibt der Befund, dass die Geldpolitik in der jüngeren Vergangenheit weder von Friedman noch von Lucas beeinflusst ist. Wird sich daran etwas ändern? Laidler sieht die Makroökonomik derzeit in einem gewaltigen natürlichen Experiment mit offenem Ausgang:
On the other hand, the current (again at the time of writing) mainstream consensus that money does not matter may turn out to be correct after all. The current inflation might still prove to be transitory and fade away of its own accord as central banks are predicting. If these things happen, then all will be well with the
theory and practice of monetary policy that has dominated the last three decades. But if they don’t, if the most basic monetarist proposition about the behaviour of the price level, that was adopted unquestioningly in Lucas (1972), (despite its incompatibility with his analytic approach): namely, that it is determined by the interaction of the supply and demand for money, and its corollary that in the long run inflation responds systematically to variations in money growth, are still true, then there is serious economic and political trouble ahead. Macroeconomics thus seems to be in the middle of an important natural experiment.”
Unbestreitbar haben die Ereignisse der vergangenen Jahre Zweifel an der Überzeugung geweckt, die Geldpolitik verfüge über krisensicheres theoretisches Fundament. Von dieser Erkenntnis bis zur Anwendung einer plausiblen Alternative ist es jedoch ein weiter Weg. Braucht die Makroökonomik einen neuen Star vom Kaliber eines Robert Lucas? Wer weiß: Vielleicht entstehen gerade in diesen Tagen in den Studierstuben junger und innovativer Studenten neue Ansätze, die den Wirtschaftswissenschaften einen weiteren Schub bescheren.
Anmerkungen:
- Mit der “Unterdisziplin” ist die Makroökonomik gemeint.
- Wegen des Rückgriffs auf die Allgemeine Gleichgewichtstheorie und die These vom problemlosen Funktionieren von Märkten hat man die Lehre von Lucas auch als “New Classical (Macro)Economics” bezeichnet.
- Über das Verhältnis von Milton Friedman und Robert Lucas informiert ausführlich Edward Nelson in seinem voluminösen Zweibänder über Friedmans Wirken als theoretisch und empirischer Ökonom. Eine Rezension dieses Werks findet sich ebenfalls in FAZIT.
- Laidler hat selbst unter den rigorosen Ansprüchen der Generation von Lucas gelitten, nachdem er Arbeiten zur sogenannten “Lagerhaltungstheorie” des Geldes verfasste. (Eine Übersicht findet sich hier.) In der neuen Lehre wurde postuliert, dass die Menschen einfach rationale Erwartungen besitzen; von Kosten der Erlangung von Informationen über die Zukunft wurde abgesehen. Genau solche Kosten können aber Geldhaltung begründen. Wie Laidler beklagt: “Buffer-stock models of the demand for money, based on the notion mentioned earlier that information came at a positive marginal cost, and its corollary that agents’ market decisions were based on less than ‘all available’ information seemed for a while to fare much better with the data, but were routinely dismissed as irrelevant because they violated new classical standards of deductive rigour, and they faded from the literature as the 1980s progressed.”
- Robert Lucas und Thomas Sargent hatten Mitte der siebziger Jahre in einem furiosen Konferenzbeitrag die lange Zeit dominierende keynesianische Theorie in Bausch und Bogen für gescheitert erklärt. Ein Teil der Kritik ließ sich allerdings auch gegen den Monetarismus Friedmans in Feld führen. Insofern konnten junge Ökonomen damals durchaus den Eindruck gewinnen, das Studium der makroökonomischen Theorie vor Lucas sei obsolet.
- Vor ein paar Jahren hat Kartik B. Athreya in seinem Buch “Big Ideas in Macroeconomics. A nontechnical View” eine ganz hervorragende Beschreibung der Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie in der Makroökonomik verfasst. Eine Rezension dieses Buches befindet sich hier.
- Diesen Prozess hat unter anderem Marvin Goodfriend in einer Reihe von Arbeiten beschrieben, zum Beispiel hier.
- Erwähnenswert sind die Erfahrungen der EZB: Ihr erster Chefvolkswirt Otmar Issing hatte eine Zwei-Säulen-Strategie entwickelt mit einer “monetären Säule”, in der neben der Geldmenge auch andere monetäre Daten Anwendung fanden. In der EZB-Abschiedskonferenz für Issing im Jahre 2006 erklärte Mike Woodford die monetäre Säule im Einklang mit der herrschenden ökonomischen Lehre für überflüssig. Wenige Jahre später legte die EZB eine von Lucas Papademos und Jürgen Stark herausgegebene umfangreiche Studie zur Rolle der monetären Analyse für die Geldpolitik vor, aber spätestens nach Starks Rücktritt einige Zeit später nahm ihr Gewicht weiter ab.
- Viele Monetaristen waren nicht nur für ein aggressives Diskussionsverhalten gegenüber Vertretern anderer Schulen bekannt. Auch untereinander scheuten sie keineswegs Auseinandersetzungen.