„Hilfe, mein Busen ist zu klein“, finden die Protagonistinnen der Pro-Sieben-Dokusoaps am Nachmittag und lassen sich operieren. Gegen viel Geld verschickt der Sender dazu praktische Tipps, zum Beispiel, dass Operieren im Ausland günstiger ist. Und Facharzt Heinz G. Bull, Präsident der Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschland, findet das nicht nur „eine Unverschämtheit“, sondern „gefährlich“. Ein Interview.
Prof. Dr. Dr. Heinz G. Bull ist Präsident der Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschland (GÄCD)
Das Fernsehblog: Herr Professor Bull, Pro Sieben zeigt in Dokusoaps regelmäßig, wie Frauen, die unzufrieden mit ihrer Brust sind, sich operieren lassen. Ist das nicht eine tolle Werbung für Ihre Branche?
Heinz G. Bull: Das ist eher eine Werbung, die man nur ablehnen kann. Das Fernsehen zeigt Eingriffe an der Brust, die ja nicht nur „Lustorgan“ ist, sondern eine körperliche Funktion hat und in hohem Maße von Krebserkrankungen betroffen ist, als ob es dabei um einen Besuch beim Friseur ginge. Das kann ich nicht akzeptieren. Es geht hier um ernst zu nehmende Operationen, bei denen – wie bei jeder anderen OP – eine Reihe von Komplikationen auftreten können. Darauf müssen die Patienten bei ästhetischen Eingriffen noch viel klarer hingewiesen werden. Wenn Sie eine akute Blinddarminfektion haben, gibt es nicht viel zu diskutieren, da spielt die Zeit eine viel größere Rolle. Von den Mitgliedern der GÄCD verlangen wir hingegen eine mehrstufige Aufklärung, für die sich der Patient Zeit nehmen muss.
Im Fernsehen wird das aber selten so gezeigt.
Ja, leider. Die Kollegen, die sich für eine solche Dokusoap zur Verfügung stellen, müssten eigentlich wissen, dass die Sender sie im Grunde genommen „missbrauchen“.
Merken Sie denn negative Auswirkungen solcher Dokusoaps bei Ihren Patienten?
Viele finden das abschreckend und schauen es sich deshalb gar nicht erst an. Ich bin aber sicher, dass die Sendungen bei unaufgeklärten Patienten durchaus einen „Werbeeffekt“ haben können.
Aber es kann doch auch sein, dass diese „Normalisierung“ der OPs einen positiven Effekt hat – dass also Menschen, die tatsächlich unter einer körperlichen Veränderung leiden, sehen, dass es die Möglichkeit gibt, etwas dagegen zu unternehmen.
Ja, wenn es den entsprechenden Grund dafür gibt. Das lässt sich aber nicht durch solche Sendungen vermitteln.
Es werden ja oft Protagonisten gezeigt, die nach ihrer OP wie neu geboren wirken: Die Ehe funktioniert wieder, die Kinder werden besser behandelt, im Job geht’s bergauf – ein kleines Wunder.
Wenn das alles so stimmt. Ich kenne Patienten, die tatsächlich äußern, dass sie ein ganz anderes Selbstwertgefühl bekommen haben. Aber es gibt auch andere, bei denen es nicht funktioniert. Und vor allem gibt es Patienten, die man nie zufrieden stellen können wird, weil der Wunsch nach ständigen Veränderungen einem Krankheitsbild gleicht – als Arzt müsste man eine Behandlung in so einem Fall von vornherein ablehnen. Oder man fordert, dass sich der Patient das Urteil eines Psychiaters einholt, der beurteilen kann, ob ein Eingriff – eventuell mit einer begleitenden Therapie – überhaupt sinnvoll ist.
Kontaktieren Sender oder Produktionsfirmen Sie eigentlich, um Tipps zu bekommen, wie sich solche Fälle im Fernsehen angemessen darstellen lassen?
Überhaupt nicht. Im Gegenteil: Ich glaube, die Sender sehen nur ihre Quote und die Vermarktung. Kritisches ist da leider überhaupt nicht gefragt. Und sie finden leider auch immer wieder Ärzte dafür.
Pro Sieben bietet ja über einen kostenpflichtigen Faxabruf Ratschläge zu Schönheitsoperationen.
Das ist eine Unverschämtheit. Die Zahlen, die dort genannt werden, stimmen nicht. Unsere Gesellschaft macht jedes Jahr Mitgliederumfragen, die ergeben: Die Zahl der Operationen wird nicht größer. Im Gegenteil, es gibt zum Beispiel deutlich weniger Fettabsaugungen. Und es ist gefährlich, wenn eine solche „Information“ suggeriert, diese Operationen seien simpel.
Es gibt darin auch den Tipp, sich günstiger in Osteuropa operieren zu lassen.
Das Problem ist, dass es dann im Schadensfall keinen Rechtsanspruch gibt. Ich will nicht sagen, dass in Osteuropa alle Ärzte schlecht sind – aber wenn Sie dort ein Facelift machen lassen, kommen zurück nachhause und nach zwei Tagen gibt es eine Infektion oder Nachblutung, dann stehen sie da. Und wir haben das Problem, das wieder korrigieren zu müssen. Es geht aber nicht nur um Osteuropa, sondern auch um Thailand, wo es etwa einfacher ist, sich operieren, weil zum Teil aufwändige Genehmigungen durch die Kassen wegfallen, die in Deutschland vorgeschrieben ist.
Was ist also Ihrer Meinung nach mit der Fax-Information von Pro Sieben anzufangen?
Nichts. Ab in die Tonne damit.
Was Pro Sieben zu seiner „Fax-Info“ sagt, warum der Sender glaubt, dass man TV-Sendern eher trauen sollte als Ärzteorganisationen und der Grund dafür, dass dieser Faxabruf so verdammt lange dauert – all das steht hier.
Ein aktueller Text zu den Konsequenzen der Verjahrmarktung von Brust-OPs im Ausland steht übrigens in der „taz“.