Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Auch Fernsehshow-Anrufer haben Rechte – in Großbritannien

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Die Briten haben eine erfrischend eindeutige Haltung zu Fernseh- und Radiosendungen, in denen das Publikum dazu aufgefordert wird, die ein oder andere kostenpflichtige Telefonnummer anzurufen: Wenn der Zuschauer Geld ausgibt, muss er auch etwas dafür bekommen. Eine tatsächliche Chance auf einen Gewinn, zum Beispiel. Oder die Möglichkeit, eine Wahl mit einer abgegebenen Stimme tatsächlich zu beeinflussen. Die Abstimmung in einer großen BBC-Show löste deshalb einen in Deutschland undenkbaren Skandal aus.

Die Briten haben eine erfrischend eindeutige Haltung zu Fernseh- und Radiosendungen, in denen das Publikum dazu aufgefordert wird, die ein oder andere kostenpflichtige Telefonnummer anzurufen: Wenn der Zuschauer Geld ausgibt, muss er auch etwas dafür bekommen. Eine tatsächliche Chance auf einen Gewinn, zum Beispiel. Oder die Möglichkeit, eine Wahl mit einer abgegebenen Stimme tatsächlich zu beeinflussen.

Es war keine böse Absicht, dass die BBC am vergangenen Wochenende gegen diese Regel verstieß und wieder einmal den Volkszorn provozierte. Es war reine Dusseligkeit. Und das ausgerechnet bei der seit Monaten unter größter Anteilnahme der Nation laufenden Show „Strictly Come Dancing“, die auf deutsch in Deutschland „Let’s Dance“ heißt und in der Prominente um die Wette tanzen. Heute Abend ist das große Finale – es werden weit über zehn Millionen Zuschauer erwartet.

Eigentlich hätte im Halbfinale am vergangenen Samstag eines von drei verbliebenen Paaren ausscheiden sollen. Die Wertungen von vier Juroren einerseits und die Abstimmung des Publikums andererseits bestimmen jeweils zur Hälfte die Platzierung der Kandidaten. Die beiden schlechteren Paare müssen in ein Duell, in dem dann die Jury alleine entscheidet.

Es ergab sich aber, dass die Jury zufällig zwei Paare punktgleich auf den ersten Platz gesetzt hatte. Das drittplatzierte Paar hatte aufgrund des Punktesystems keine Chance mehr, den ersten Platz zu erreichen und so vor dem entscheidenden Duell gerettet zu werden – ganz egal, wie das Publikum abgestimmt hätte. Entgegen der ununterbrochenen Aufrufe, für das eigene Lieblingspaar zu stimmen und es so vor dem Duell zu bewahren, war jede Stimme für die Drittplatzierten verschenkt.

Leider fiel das den Verantwortlichen erst auf, als die Abstimmung längst lief. Und leider gab es keine Regel, was in einem solchen Fall zu tun sei. Und so beschloss die BBC, die Abstimmung nach einer Stunde „einzufrieren“ und alle drei Paare ins Finale kommen zu lassen. Die bereits abgegebenen Stimmen sollen dann dort gelten.

Ein Anruf in der Sendung kostet nur vergleichsweise lächerliche 15 Pence (16 Cent), aber das Ausmaß an Empörung und Schiebung-Rufen war dennoch gewaltig. Es legte sich erst dann ein wenig, als die BBC öffentlich erklärte, all die Anrufer, die wirklich unglücklich seien über den veränderten Ablauf, könnten ihr Geld zurück bekommen – zunächst hatte die BBC genau das abgelehnt. Aber bei kostenpflichtigen Telefonspielen sind die Briten besonders sensibilisiert, seit herauskam, dass nicht nur Sender und Sendungen nach dem Vorbild von 9Live die Zuschauer in die Irre führten, sondern die Anrufer auch in großen Shows und sogar Benefiz-Galas getäuscht wurden. Die Aufsichtsbehörde Ofcom griff mit Strafen in Höhe von mehreren Millionen Euro durch. Noch in dieser Woche verhängte sie eine Geldbuße von rund 100.000 Euro, weil vorher aufgezeichnete Radiosendungen der BBC so taten, als könne man live anrufen.

Eine funktionierende Medienaufsicht aber ist in Deutschland ähnlich unvorstellbar wie die Art, in der sich ein BBC-Verantwortlicher in den BBC-Nachrichten unangenehme Fragen vom Moderator nach dem peinlichen Chaos bei „Strictly Come Dancing“ gefallen lassen musste (Video). Vor allem aber fehlt bei uns fast jedes Gefühl, dass mit dem Geld, das die Fernsehsender durch die teuren Anrufe einnehmen, eine Verpflichtung verbunden ist.

Als im vergangenen Jahr der Kandidat Max Buskohl die RTL-Casting-Show „Deutschland sucht den Superstar“ außer der Reihe verließ, behaupteten er und sein Vater hinterher, der Sender habe ihn überredet, nicht sofort zu gehen, sondern erst nach der nächsten Entscheidungsshow. So konnte RTL am Samstag durch die Telefonanrufe der Zuschauer noch Einnahmen in schätzungsweise sechsstelliger Höhe generieren – bevor am Sonntag klar wurde, dass all diese Anrufe bedeutungslos waren, weil Buskohl ging und deshalb der vom Publikum herausgewählte Kandidat bleiben durfte. Die zuständige Landesmedienanstalt sah sich nicht veranlasst, bei RTL überhaupt nachzufragen, was denn da los war, ein öffentlicher Aufschrei über den Betrug an den Zuschauern blieb aus. Vermutlich hätte man das Gelächter der RTL-Verantwortlichen durch die halbe Republik gehört, wenn einer der Anrufer versucht hätte, sein Geld zurück zu bekommen.


1 Lesermeinung

  1. Mitleser sagt:

    Man kann sich auch fragen,...
    Man kann sich auch fragen, warum die BLM nicht ein Mal die Praktiken von 9live sanktioniert hat, obwohl es sehr engagierte Zuschauer gibt, die ständig darauf hinweisen. Böse Zungen behaupten, es habe etwas mit Steuereinnahmen für das Land Bayern zu tun, die man gefährden würde, und jetzt wo der Stern 9live langsam sinkt ringt man sich zu Regeln durch.

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