Das Fernsehblog

Dschungeltagebuch (3): Warum Lorielle London nicht ins Dschungelcamp gehört

Lorielle London hat schon alles über ihr Leben erzählt, auch manches, das sie besser für sich behalten hätte.

Seit sie vor sechs Jahren – damals noch als Lorenzo – bei „Deutschland sucht den Superstar“ teilnahm und danach beschloss, sich nicht mehr nur wie eine Frau fühlen zu wollen, sondern auch wie eine auszusehen, ist sie Stammgast in den Boulevardmagazinen. Beim „DSDS“-Wiedersehen im Frühjahr 2008 hat sie den anderen Ex-Kandidaten ihre frisch operierten Brüste vorgeführt, ein Expander-Implantat mit Ventilen, über das sich mit nachfüllbarer Kochsalzlösung die Brustgröße bestimmen ließ, wie bei einem aufblasbaren Gummiboot. Als sie jemand als „Drag Queen“ bezeichnete, war sie den Tränen nah: „Ich bin keine Drag Queen, ich bin eine Frau!“, schluchzte sie und musste getröstet werden.


Screenshot: RTL

In der RTL-Talkshow „Natascha Zuraw“ hat sie erzählt, wie sich ihre Familie von ihr abgewandt hat. Für das „Sat.1-Magazin“ ist sie nach New York geflogen, um so zu tun, als könne sie sich dort eine millionenteure Penthouse-Wohnung leisten. Und jetzt sitzt Lorielle London, nachdem sie wegen eines Rechtsstreits mit einer anderen Sängerin ihren vorherigen Künstlernamen „Lory Glory“ abgeben musste, im RTL-Dschungelcamp, wo sie die Zuschauer gleich als erstes für die Dschungelprüfung nominierten, die sie – wider Erwarten – bravourös meisterte.

Vielleicht hat ihr das den Respekt eingebracht, den sie sich so sehnlichst wünscht.

Eine andere Erklärung kann es nicht dafür geben, dass sie ihr ständig frisch operiertes Näschen in jede Kamera hält, die sich auf sie richtet.

Das RTL-Magazin „Explosiv“ hat gerade in einer Wochenserie eindrucksvoll dokumentiert, wie wenig Lorielle London ins „Dschungelcamp“ gehört, und sie auf ihrem letzten OP-Marathon begleitet, der im vergangenen November begann, als sie zwei Stunden zu spät ins Krankenhaus kam, weil sie sich noch aufwändig schminken und stylen musste, bis ihr die Ärzte sagten, dass sie sich gleich wieder abschminken könne, weil das bei OPs so üblich sei.

Dann bekam die Frau, die hauptberuflich gerne „Entertainerin“ wäre, in sechs Stunden Vollnarkose ihr neues Brustimplantat, ein Wangenimplantat und ein Nasenimplantat, was sich nicht so leicht gestaltete, weil von den vielen anderen OPs noch so viele Narben übrig waren. Zehn Tage später ließ Lorielle sich die Oberlider und die Schläfen machen, „und vielleicht noch’n paar Unterspritzungen im Gesicht“, was der Chirurg allerdings keine so gute Idee fand. Der Termin mit dem Kieferorthopäden, der ihr die Zähne gerade rücken soll, ist schon vereinbart. Und kurz vor dem Abflug nach Australien gab es noch eine Fetteinspritzung in den Po, damit der weiblicher wird und nicht mehr so flach ist. „Explosiv“ hat das übersichtlich zusammengefasst:


Screenshot: RTL

Und der Arzt hat gesagt: „Das ist alles im Timing schon sehr eng. Noch enger wäre grenzwertig.“ Lorielle hingegen erklärte, noch auf dem Krankenbett: „Ich bin immer für keine Operationen – grundsätzlich.“


Screenshot: RTL

Wenn man aber so unter dem eigenen Aussehen gelitten habe wie sie, wenn nichts anderes mehr möglich sei, dann müsse man es eben richten lassen, meint die 23-Jährige, die sich immer noch an Lorenzo erinnert fühle, wenn sie in den Spiegel schaue. „Ich mochte Lorenzo nicht, und ich möchte Lorenzo auch nie wieder sehen.“ Das ist schon hart, wenn man von sich – oder dem, der man einmal war – in der dritten Person spricht. Nach Vergangenheitsbewältigung hört es sich jedenfalls nicht an.

Interessanterweise hat „Explosiv“ bei der Sexualforscherin Hertha Richter-Appelt an der Uni Hamburg auch eine Gegenthese eingeholt:

„Das ist eine innere Vorstellung, die er von sich hat. Die kriegt er vielleicht durch eine Psychotherapie raus – aber nicht, wenn er die Nase kleiner macht. Der Wunsch ist nachvollziehbar, aber das ist ein Teil seines Lebens. Man kann seine Vergangenheit nicht wegoperieren.“

Lorielle London versucht sich gerade das Gegenteil zu beweisen, mit Unterstützung des Privatfernsehens, das heiter bis kritisch über ihre OP-Exzesse berichtet, weil man sowas natürlich nicht alle Tage kriegt: einen Promi, den man fragen kann, ob er jetzt eigentlich auf die Männer- oder die Damentoilette gehe, so lange die geschlechtsangleichende OP noch ausstehe.

Nur kommt keiner auf die Idee, dass es womöglich besser wäre, ihr nicht ständig die Aufmerksamkeit zu schenken, wegen der sie sich all das zuzumuten scheint. Sie hätte fast geweint, erklärte Lorielle am Freitag in „Explosiv“, als der Arzt ihr erklärte, dass er ihr vorerst nur 50 ml Fett in den Hintern spritzen wolle – ihrer Meinung nach viel zu wenig:

„Ich wollte für das Dschungelcamp einiges hergeben an Weiblichkeit und Rundungen.“

Es ist schwer, über Menschen zu urteilen, die man bloß aus dem Fernsehen kennt, und noch schwerer, wenn diese Menschen eine radikale Veränderung ihres Ichs als momentan einzigen Lebensinhalt begreifen. So wie Loreille London sich verhält, wie sie ihren Körper innerhalb kürzester Zeit zu verändern versucht als sei er ein beliebig ergänzbares Bauset, ein Gummitier, das man aufblasen und wegsaugen kann, wie sie darüber alle Risiken vergisst, wie sie sich aufplustert und mediengerecht zu verhalten versucht, kann man aber eigentlich nur zu einem Schluss kommen:

Lorielle London gehört nicht zu den Promis, die sich zwei Wochen im australischen Dschungel einsperren lassen sollten, damit andere Menschen sich ein Bild von ihr machen können.

Lorielle London muss sich erst einmal selbst ein Bild von sich machen.

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