Es gibt ein Vorurteil, das sich seit den ersten beiden Staffeln von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ hartnäckig hält: die Show sei für RTL zwar ein großer Zuschauererfolg, die Werbekunden allerdings würden die Sendung meiden, weil keiner seine schöne Marke im Umfeld eines solchen Madenspektakels präsentieren wolle.
Inzwischen läuft das Dschungelcamp in der vierten Staffel, und spätestens jetzt lässt sich sagen: Das stimmt nicht (mehr).
Markenartikler scheinen ganz und gar keine Scheu mehr zu haben, Spots bei „Ich bin ein Star“ zu buchen. In den drei Werbepausen der (etwas längeren) Sendung am Freitag warben unter anderem folgende Hersteller für ihre Produkte: Seat, Peugeot, Opel, Renault, Citroёn (die Krise der Automobilindustrie scheint sich zumindest auf die Werbeindustrie keine Auswirkungen zu haben), außerdem Maybelline Jade, „Stern“, Dove, Bayer, Mediamarkt, Ikea und Commerzbank. Das zweite Vorurteil, dass sich vor allem die nahrungsmittelherstellende Industrie dem Dschungelcamp verweigert, scheint ebenfalls überholt zu sein. Sonst hätten sich in der Freitagssendung ja wohl kaum Danone (Activia), Leibniz (Pickup), Verpoorten (Eierlikör – bitte keine schlechten Witze jetzt) und McDonald’s einbuchen lassen. Am Samstag waren Danone (Actimel) und McDonald’s wieder dabei, dazu kam Lidl.
Nur bei den Sonderwerbeformen sieht’s mau aus: Es gibt zwar einen Sponsor der Sendung (die Telefonauskunft 11880, Konkurrent des letztjährigen Sponsors 11883), aber das Angebot, als Sponsor des Telefonvotings genannt zu werden oder den „Voting-Pre-Split“ zu nutzen, wollte offenbar kein Kunde nutzen – jedenfalls bis jetzt nicht.
Beispielbild: IP Deutschland
Dass die Samstagssendung im Allgemeinen weniger gut gebucht war, lag vermutlich daran, dass der RTL-Vermarkter IP Deutschland am Wochenende höhere Preise für die Spots verlangt, vor allem in der ersten Werbeunterbrechung. Dass die dann allerdings so knapp ausfällt wie am 10. Dschungeltag ist schon ungewöhnlich: nach drei Spots ging’s schon wieder weiter im Programm. Und wenn das tatsächlich nur an „Ich bin ein Star“ liegen würde, wäre RTL wahrscheinlich heilfroh.
Das Problem ist allerdings viel größer, wie in der RTL-Geburtstagsshow davor zu sehen war, weil es dort nicht gerade viele Gelegenheiten gab, die schönen Werbetrenner zu zeigen, die RTL sich zum Geburtstag selbst geschenkt hat.
Screenshots: RTL
Die Sendung war quasi ein Quotenhit mit Ankündigung: Die erste Show zum 25. Sendergeburtstag holte vor einer Woche einen fantastischen Marktanteil von 28,6 Prozent Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe, insgesamt sahen 5,5 Millionen Menschen zu. Selbst wenn sich in dieser Woche die Konkurrenz durch das parallel auf Pro Sieben laufende „Schlag den Raab“ bemerkbar machen würde, war anzunehmen, dass auch die zweite Show gute Quoten holen würde – und deshalb ein ideales Umfeld für Werbekunden wäre.
Und trotzdem weiß ich nicht, wann ich das letzte Mal so lange am Stück RTL ohne Werbeunterbrechung gesehen habe – an einem Samstagabend zur besten Sendezeit vermutlich noch nie. Ganze zwei Mal unterbrach RTL die von Oliver Geissen moderierte Show, zwischen der ersten und der zweiten Pause lagen eine Stunde und drei Minuten – in einer Sendung, die auf 135 Minuten angelegt ist. Zwölf Minuten dürfen die Sender sonst pro Stunde werben. Aus Zuschauerfreundlichkeit werden sie kaum darauf verzichten.
Der Januar ist im Fernsehen traditionell nicht der buchungsstärkste Monat. Aber für RTL muss ein solcher Ausfall in der Primetime ein drastisches Warnsignal sein. Dabei ist der Sender mit diesem Problem keineswegs alleine. Auch Pro Sieben hat arge Mühe, seine Werbezeiten auszulasten (wobei die Flaute in „The Next Uri Geller“ natürlich auch am Programm gelegen haben könnte). Für die Zuschauer mag das ganz angenehm sein – obwohl weniger Werbung nicht automatisch mehr Programm bedeutet, denn die Sender stopfen Lücken auch schon mal mit Spots für Tochterunternehmen und Kooperationspartner oder mit noch mehr Programmtrailern als sonst schon. Wenn die Zurückhaltung der Werbekunden allerdings so weiter geht, werden sich die Sender sehr bald überlegen, ob sie weitere Kürzungen bei den Programminvestitionen in Kauf nehmen.
Das ist das Absurde an der Situation: wenn weniger Werbung da ist und mehr Platz fürs Programm, fehlt es an Geld, welches zu machen. Da kann die Quote noch so toll sein, für RTL gibt es derzeit trotz des gut laufenden Januars nur wenig zu feiern.