Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

N24 schafft die SPD ab

| 4 Lesermeinungen

Während am frühen Sonntagabend ARD, ZDF, HR und n-tv live über die Ergebnisse der Hessenwahl berichteten, entschied sich N24 wieder mal für ein Alternativprogramm und zeigte - nein, diesmal keine Dokumentation über Panzer und Flugzeugträger, sondern: die Muppetshow. Wenn auch mit einer ungewohnten Besetzung.

Während am frühen Sonntagabend ARD, ZDF, HR und n-tv live über die Ergebnisse der Hessenwahl berichteten, entschied sich N24 wieder mal für ein Alternativprogramm und zeigte – nein, diesmal keine Dokumentation über Panzer und Flugzeugträger, sondern: die Muppetshow. Wenn auch mit einer ungewohnten Besetzung. Im Studio saßen sich Claus Strunz und Michel Friedman gegenüber und beerdigten mit Unterstützung der permanent dazwischen murmelnden N24-„Chefkorrespondentin“ Michaela May die SPD.

Gut, das war erst mal nichts Ungewöhnliches, Strunz und Friedman beerdigen die SPD quasi täglich, aber an diesem Wahlabend hatte ihre – nennen wir es einmal euphemistisch: Diskussion – eine besondere Qualität. Zur Einstimmung fasste May die Stimmung der Dreierrunde zusammen:

„Aber die Sätze des heutigen Abends, zumindest der, der uns alle am meisten gefreut hat, war nämlich der von Frau Ypsilanti, die nämlich ihren Rücktritt verkündet hat. (…) Sie hätten mal dieses Bild sehen sollen, wie wir zum Zeitpunkt der Liveübertragung hier überm Tisch lagen und drauf gewartet haben, dass dieser Satz kommt.“

Immerhin: Friedman lag den Zuschauern zuliebe an diesem Abend noch öfter überm Tisch, vor allem als Strunz es „unangemessen arrogant“ von ihm fand, dass er die Mitglieder der Linkspartei in Hessen als Typen bezeichnet hatte, „mit denen man nicht in einem Raum sitzen will“.

Bild zu: N24 schafft die SPD ab
Screenshot: N24

Sonst waren sich die beiden N24-Experten aber weitestgehend einig. Die derzeitige politische Lage fasste Strunz mit einer anschaulichen Metapher zusammen:

„Wir leben doch in einer Situation: Die einen mögen Frühstück mit Croissant, Marmelade und Nutella und die anderen mögen lieber Eier, Speck und was Herzhaftes. Zurzeit bereiten wir den Bürgern ein Frühstück mit Eierschaum und Marmelade drauf und Nutella mit Speck. Das schmeckt keinem Menschen.“

Messerscharf analysierte Strunz die verzwickte Lage seiner Lieblingspartei:

„Die SPD hat kein einziges Problem gelöst, sondern eins mehr, das hat jetzt nur nicht mehr den Buchstaben Y, sondern vielleicht Z für Zukunft. Und: Fragezeichen. Denn ich sehe keine wirkliche Zukunft für die SPD.“

Und über den „Kanzlerkandidatendarsteller“ Frank-Walter Steinmeier, den Friedman zuvor „unsere Teflonplatte, die eigentlich zu nichts wirklich was zu sagen hat“ genannt hatte, lästerte Strunz unter Einsatz aller ihm möglichen Empörungsgestiken:

„Vor allen Dingen, wo isser denn, ich hör ihn gar nicht. Er tritt nicht in Erscheinung, er sagt nicht, was … äh – vielleicht macht er sich heute ’nen schönen Abend.“

Bild zu: N24 schafft die SPD ab
Screenshots: N24

Um kurz vor sieben war die SPD bei N24 also so gut wie erledigt, und dass der Vorsitzende Franz Müntefering, „der Alte“ (Strunz), nicht sofort die Auflösung seiner Partei bekannt gab, konnte vermutlich nur dadurch verhindert werden, dass Strunz eine Wende um 180 Grad schaffen musste, um den Ausgang der übernächsten Bundestagswahl als Bedrohungsszenario vorauszusagen:

Strunz: „Der einzige Ausweg der SPD ist der Linksblock. Also das bedeutet: 2013 wird es Rot-Rot-Grün geben mit einem Kanzlerkandidaten Klaus Wowereit. Und dann besteht eine Möglichkeit, dass die strukturelle linke Mehrheit in Deutschland auch links wählt.“
Friedman: „Aber das bedeutet, dass die SPD endgültig bei 20 bis 25 Prozent ist und mit der Linken fast gleich auf.“

Das ging dann selbst N24-Chefgestikuliererin May ein bisschen zu weit,die den Abend über bereits für eine höchst lebendige Debatte gesorgt hatte.

Bild zu: N24 schafft die SPD ab
Screenshots: N24

Die restliche Zeit durfte Friedman deshalb darauf verwenden, auch noch die übrigen ihm lästigen Parteien in Grund und Boden zu argumentieren: also die Linke, die „in Hessen wirklich nur aus einer Chaostruppe“ besteht, und die Grünen, die „eigentlich völlig verwischt und verwascht“ sind.

Bloß Kermit der Frosch, der zwischendurch durchs Bild stürmt und „Applaus, Applaus!“ ruft, fehlte bei dieser Parodie einer politischen Diskussion, die von der Parodie eines Nachrichtensenders übertragen wurde und sich lediglich unter satirischen Aspekten betrachten lässt, wenn man nicht ganz den Glauben ans deutsche Fernsehen verlieren mag.

„Ich kann nur jedem sagen: Wer in Hessen links gewählt hat, hat seine Stimme verschenkt. Das ist gaga“,

ließ sich Friedman dann noch zu einer abschließenden Bemerkung hinreißen. Gaga, ja. Was soll einem sonst auch zu dieser lästigen Demokratie einfallen, in der jeder das sagen darf, was ihm durch den Kopf schwirrt. Selbst wenn das meiste davon aufgeschäumter Irrsinn ist.


4 Lesermeinungen

  1. orkork sagt:

    <p>Wo ist das Problem? Die...
    Wo ist das Problem? Die Aussagen mögen pointiert sein, aber die Einschätzung ist treffend. Steinmeier macht sich in Gaza zum Mini-Medienkanzler. Eine große Koalition ist immer Rührei mit Nutella, und die SPD Vorreiter für den Tod der Volksparteien. Ihr bleibt in der Tat nur eine Linke Mehrheit. Das wird Wowereit nach der Wahl mit Sicherheit forcieren, weil in der bürgerlichen Mitte für die SPD kaum noch Platz ist. Ich habe die Sendung nicht gesehen, aber die Aussagen wirken doch errfrischender als die proporzrunde Fürbitten-Abfragerei der Talkrunden bei ARD und ZDF.

  2. reiherkopf sagt:

    Die SPD ist wohl schon...
    Die SPD ist wohl schon „abgeschaffter“ als manche denken. Sonst hätte sich doch hier mal ein Sozialdemokrat gemeldet, der gegen diese Missachtung durch „N24“ protestiert hätte.

  3. werbitte sagt:

    Ja Hallo Herr Schader!

    Haben...
    Ja Hallo Herr Schader!
    Haben Sie ja einen schönen Fisch an Land gezogen: Na ja was soll man von Egomanen, wie Strunz und Friedman erwarten, wen die Sendung One Air läuft. Herrliche Mäner-Rhetorik und eben diese Facetten. Davon können wir uns, in diesem Jahr -dem Superwahljahr 2009 bei N24 noch öfter überzeugen! Wer von Anne Will endgültig bedient ist und auf Frank Plasberg nicht warten kann.Und den schönen Kontrast sucht, bei N24 sind Sie richtig!
    Und die SPD,ist noch lange icht unter der Erde! Sage ich mal, als Sozialdemokratin-hier und jetzt. Aber war hübsch geschrieben das ganze ! Habe es mehrfach gelesen.Michaela May und ich wir haben uns echt amüsiert.
    Denn Namen Michaela May darf man sich übrigens ruhig merken.Ich meine die N24-Chefkorrespondentin oder wie Sie sagen Chefgestikulierin und nicht die Schauspielerin-die so normalerweise nicht heisst!!
    Gruß aus Potsdam!

  4. Frederik S. sagt:

    Es vergessen hier einige, dass...
    Es vergessen hier einige, dass es hier um die Meinungsäußerung geht von (eig neutralen Journalisten)!Man erwartet von studierten Journalisten Neutralität. Sie verdienen damit ihr Geld, sonst können sich demnächst ja auch alle anderen ins Fernsehen setzen und ihre Sicht darbieten, dies hätte dann den Professionnalitätsgehalt dieser Sendung.wenn eine May sagt, sie hätten auf dem Tisch gelegen u. ä.. Das entbehrt jeder Professionalität und hat mit „erfrischend“ nichts zu tun.

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