Während am frühen Sonntagabend ARD, ZDF, HR und n-tv live über die Ergebnisse der Hessenwahl berichteten, entschied sich N24 wieder mal für ein Alternativprogramm und zeigte – nein, diesmal keine Dokumentation über Panzer und Flugzeugträger, sondern: die Muppetshow. Wenn auch mit einer ungewohnten Besetzung. Im Studio saßen sich Claus Strunz und Michel Friedman gegenüber und beerdigten mit Unterstützung der permanent dazwischen murmelnden N24-„Chefkorrespondentin“ Michaela May die SPD.
Gut, das war erst mal nichts Ungewöhnliches, Strunz und Friedman beerdigen die SPD quasi täglich, aber an diesem Wahlabend hatte ihre – nennen wir es einmal euphemistisch: Diskussion – eine besondere Qualität. Zur Einstimmung fasste May die Stimmung der Dreierrunde zusammen:
„Aber die Sätze des heutigen Abends, zumindest der, der uns alle am meisten gefreut hat, war nämlich der von Frau Ypsilanti, die nämlich ihren Rücktritt verkündet hat. (…) Sie hätten mal dieses Bild sehen sollen, wie wir zum Zeitpunkt der Liveübertragung hier überm Tisch lagen und drauf gewartet haben, dass dieser Satz kommt.“
Immerhin: Friedman lag den Zuschauern zuliebe an diesem Abend noch öfter überm Tisch, vor allem als Strunz es „unangemessen arrogant“ von ihm fand, dass er die Mitglieder der Linkspartei in Hessen als Typen bezeichnet hatte, „mit denen man nicht in einem Raum sitzen will“.
Screenshot: N24
Sonst waren sich die beiden N24-Experten aber weitestgehend einig. Die derzeitige politische Lage fasste Strunz mit einer anschaulichen Metapher zusammen:
„Wir leben doch in einer Situation: Die einen mögen Frühstück mit Croissant, Marmelade und Nutella und die anderen mögen lieber Eier, Speck und was Herzhaftes. Zurzeit bereiten wir den Bürgern ein Frühstück mit Eierschaum und Marmelade drauf und Nutella mit Speck. Das schmeckt keinem Menschen.“
Messerscharf analysierte Strunz die verzwickte Lage seiner Lieblingspartei:
„Die SPD hat kein einziges Problem gelöst, sondern eins mehr, das hat jetzt nur nicht mehr den Buchstaben Y, sondern vielleicht Z für Zukunft. Und: Fragezeichen. Denn ich sehe keine wirkliche Zukunft für die SPD.“
Und über den „Kanzlerkandidatendarsteller“ Frank-Walter Steinmeier, den Friedman zuvor „unsere Teflonplatte, die eigentlich zu nichts wirklich was zu sagen hat“ genannt hatte, lästerte Strunz unter Einsatz aller ihm möglichen Empörungsgestiken:
„Vor allen Dingen, wo isser denn, ich hör ihn gar nicht. Er tritt nicht in Erscheinung, er sagt nicht, was … äh – vielleicht macht er sich heute ’nen schönen Abend.“
Screenshots: N24
Um kurz vor sieben war die SPD bei N24 also so gut wie erledigt, und dass der Vorsitzende Franz Müntefering, „der Alte“ (Strunz), nicht sofort die Auflösung seiner Partei bekannt gab, konnte vermutlich nur dadurch verhindert werden, dass Strunz eine Wende um 180 Grad schaffen musste, um den Ausgang der übernächsten Bundestagswahl als Bedrohungsszenario vorauszusagen:
Strunz: „Der einzige Ausweg der SPD ist der Linksblock. Also das bedeutet: 2013 wird es Rot-Rot-Grün geben mit einem Kanzlerkandidaten Klaus Wowereit. Und dann besteht eine Möglichkeit, dass die strukturelle linke Mehrheit in Deutschland auch links wählt.“
Friedman: „Aber das bedeutet, dass die SPD endgültig bei 20 bis 25 Prozent ist und mit der Linken fast gleich auf.“
Das ging dann selbst N24-Chefgestikuliererin May ein bisschen zu weit,die den Abend über bereits für eine höchst lebendige Debatte gesorgt hatte.
Screenshots: N24
Die restliche Zeit durfte Friedman deshalb darauf verwenden, auch noch die übrigen ihm lästigen Parteien in Grund und Boden zu argumentieren: also die Linke, die „in Hessen wirklich nur aus einer Chaostruppe“ besteht, und die Grünen, die „eigentlich völlig verwischt und verwascht“ sind.
Bloß Kermit der Frosch, der zwischendurch durchs Bild stürmt und „Applaus, Applaus!“ ruft, fehlte bei dieser Parodie einer politischen Diskussion, die von der Parodie eines Nachrichtensenders übertragen wurde und sich lediglich unter satirischen Aspekten betrachten lässt, wenn man nicht ganz den Glauben ans deutsche Fernsehen verlieren mag.
„Ich kann nur jedem sagen: Wer in Hessen links gewählt hat, hat seine Stimme verschenkt. Das ist gaga“,
ließ sich Friedman dann noch zu einer abschließenden Bemerkung hinreißen. Gaga, ja. Was soll einem sonst auch zu dieser lästigen Demokratie einfallen, in der jeder das sagen darf, was ihm durch den Kopf schwirrt. Selbst wenn das meiste davon aufgeschäumter Irrsinn ist.