Ich geb ja zu: Ich bin nicht der größte Fan von Maybrit Illner. Ich komme nicht so recht mit ihrer Art zu fragen zurecht, bin genervt davon, wenn sie Gästen ins Wort fällt, und kann es nicht ausstehen, wenn sie die Leute im Publikum (oder wie das bei der ARD ja heißt: Betroffene), die eingeladen wurden, um die Diskussion mit ihrer Meinung zu bereichern, wie kleine Kinder behandelt (obwohl sie wahrscheinlich bloß freundlich sein will). Aber jetzt hat Illners Redaktion eine schöne Idee gehabt und ihre Zuschauer aufgefordert, Videos mit Fragen an die Politiker in ihrer Talkrunde bei Youtube hochzuladen.
Das ist nichts Neues: Die ARD hat Ähnliches schon einmal mit „Ihre Frage nach Berlin“ im „Morgenmagazin“ ausprobiert, und N24 ist im vergangenen Jahr mit seinem Experiment „Debatte 2.0“ gescheitert, weil es kaum Leute gab, die Videofragen an Günther Beckstein richten wollten.
Als ich vor einigen Tagen das erste Mal auf Youtube sah, wie Illners Redaktionsleiter Wolfgang Klein seinen Mitmach-Appell für die aktuelle Sendung an die „lieben Freunde der gehobenen Politunterhaltung“ richtete („Lassen Sie’s krachen!“), bekam ich es sogar ein bisschen mit der Angst zu tun, weil das kein gutes Omen sein kann, wenn eine Redaktion ihre Modernität zur Schau zu stellen versucht, indem sie Youtube-Videos dreht, für die die Kamera ständig hin und her zappeln muss – weil das aussieht wie bei Viva in den 90ern.
Aber wie Illner die Youtube-Fragen an Franz Müntefering heute in ihren Talk integriert hat, war gar nicht schlecht (Video).
Screenshot: ZDF
Benjamin aus Mainz fragte, wie die SPD trotz Krise die Staatsverschuldung in den Griff bekommen will, Steffen aus Berlin erkundigte sich nach Investitionen in den Klimaschutz, Stefan aus Rosdorf wollte wissen, wie sich die SPD in einer möglichen Koalition mit der FDP beim Mindestlohn durchsetzen wollte. Es gab sogar eine Frage aus Finnland. Und zum Schluss war auch noch für Christoph aus Münster Zeit, der sich mit einem Schmunzeln erkundigte, ob Müntefering denn Guido Westerwelle für einen bequemen Chef im Kanzleramt halten würde.
Bei Sonja aus Brandis, die ihre Frage im Auto aufgenommen hat, versicherte Illner vorher noch: „Sie sitzt im Auto, ist aber rechts rangefahren“ – obwohl im Video ziemlich deutlich zu sehen war, dass die Aufnahme während der Fahrt gemacht wurde.
Nun sind fünf Zuschauerfragen wahrlich keine Revolution – aber vielleicht ist genau das die Lösung, Videos aus dem Netz in einen Fernseh-Talk einzubinden: nicht, indem man eine ganze Sendung draus macht, weil man dann im schlimmsten Fall dasteht und nicht genug geeignetes Material hat, sondern einfach, indem man sie in die laufende Diskussion einbindet und schön über 60 Minuten verteilt. Das wirkte relativ ungezwungen und trotzdem ein kleines bisschen modern.
„Wir fanden das klasse! Das wünschen wir uns weiter so“, bedankte sich Illner zum Abschied bei den Youtube-Mitmachern.
Da kann man eigentlich nur hinzufügen: stimmt.
Und wie fanden Sie’s?
Grundsätzlich mag es ja zu...
Grundsätzlich mag es ja zu begrüßen sein, wenn die Politiker mit dem „gemeinen Pöbel“ abgeben, das macht menschlich, das kommt an. Aber ich stelle hier einmal (vor allem an die gelernten Journalisten) die Frage: Wie viele Fragen sind Fragen von denen die Gefragten vorher nichts wussten? So weit mir bekannt, werden in allen TV-Formaten Fragen vorher genau durchgegangen um eine eventuell falsche Darstellung zu vermeiden. Man möge mich korrigieren wenn ich falsch liege.
Darian, liegt bequem seit 1975.
Wann werden die...
Wann werden die Verantwortlichen endlich auf das störende Publikum
(blöde Klatscherei) verzichten ?
Prinzipiell ist ein solches...
Prinzipiell ist ein solches Format demokratiefördernd. Die Fragen werden ja von der Redaktion vorher ausgewählt und so werden eigentlich nur interessante Fragen gestellt. Dennoch drücken sich Politiker in 99 % aller Fälle um eine richtige Antwort, was den Wert der Sendung sehr mindert.
Bei aller Freude über das...
Bei aller Freude über das Format, schaut bitte mal im Blog von Ulrike Langer, die nachgeschaut und nachgefragt hat, wie viele Leute da im Vorfeld mitgemacht haben. https://medialdigital.wordpress.com/2009/02/25/maybrit-illners-zuschauerfragen-per-youtube-ein-rohrkrepierer/
@Thomas: 30 sind tatsächlich...
@Thomas: 30 sind tatsächlich wenig, aber jetzt sehen die Leute ja, dass die Fragen tatsächlich gezeigt werden, vielleicht hat es einen Effekt. Falls nicht, wird es auch kein Problem sein, die Fragen in der Sendung künftig wegzulassen ohne dass darunter das Konzept leidet.
Ich finde ok, dass das ZDF es versucht. Nachher können wir immer noch sagen: Hat nicht geklappt.
30 Videos waren in...
30 Videos waren in Wirklichkeit nur 24 Videos (27 minus 3 von den Usern selbst gelöschte) und in den letzten 24 Stunden vor der Sendung ist auch keins mehr dazu gekommen. Das hat das ZDF wohl ein wenig dadurch zu kaschieren versucht, dass die gleichen Videos im Illner-Kanal bei YouTube in 9er Displays immer wieder neu kombiniert angezeigt wurden.
Ich finde die Idee der Nutzereinbindung an sich klasse – ich habe auf meinem Blog anhand anderer Beispiele (RTL DSDS 3D-Welt, CNN.com und Facebook, CurrentTV und Twitter) schon mehrfach unter dem Stichwort ”Social Web TV“ darüber geschrieben. Aber bei Maybrit Illner sind die YouTube-Videos m.E. nur ein Anhängsel, um die Sendung jugendlicher wirken zu lassen. Ich fand, dass die Sendung – die ich übrigens meistens gerne sehe – dadurch nicht bereichert, sondern zerhackt wurde. Vielleicht wird das besser und wirkt dann mehr aus einem Guss, wenn sich mehr Nutzer beteiligen und die Redaktion dadurch eine größere Auswahl an brauchbaren Videos hat. Mal sehen.
Ganz sicher ist es trendy, die...
Ganz sicher ist es trendy, die Zuschauerbeiträge per Video zu integrieren. Aber was hat das gebracht? Ist der Beitrag der Zuschauer wirklich eindrucksvoller dadurch, dass man Gesichter sieht, die nun wirklich nicht besonders attraktiv sind? Ein Wortbeitrag hätte auch gereicht. – Der Hinweis, dass eine Anruferin an den Rand gefahren sei, wo der Hintergrund das Gegenteil zeigte, war eigentlich unverschämt. Für wie blöd hält man denn die Zuschauer?
Aber grundsätzlich ist der Versuch gut, weil dadurch neue Zuschauergruppen für diese Sendung interessiert werden können.
aber den Mut einer direkten...
aber den Mut einer direkten Schaltung in die Sendung hat keiner. Ist Youtube auch Schleichwerbung? Darf man, wenn man anruft, sagen: ich telefoniere dank Alice via 1 + 1 mit Zuschlägen für das Netz der Telekom, allerdings habe ich einen DSL-Anschluß von Comdirekt und meine Betreuung läuft über das Callcenter von XY … Man hat hier die ganze Zeit die ARD am Wickel, warum nicht mal ZDF, die fühlen sich vielleicht benachteiltigt. Machen Werbung und niemand bemerkt es?
alles Effekthascherei - die...
alles Effekthascherei – die wirklichen Fragen werden nicht durchgelassen nur die
die von den Politik Dummy´s ohne ins Schwitzen zu kommen beantwortet werden können.
Auf Mißstände wird nicht hingewiesen. Keiner fragt sich warum die Politiker
zu den brennenden Fragen keinerlei Antworten haben.
Ein verwahrlostes Schulsystem, eine inhumane Arbeitsmarktpolitik bei der
Hartz VI Empfänger vorgeführt und abgestraft werden.
Eine Justiz die weder Willens noch in der Lage ist Recht zu sprechen.
Was Deutschland fehlt sind Vorbilder in der Medizin, der Wissenschaft,
der Politik und der Justiz.
Gehorsame Deutsche haben jedoch gelernt sich mit Entscheidungen die andere für sie treffen zu leben.
Sie lassen sich dann gerne durch solchen Firlefanz berieseln bei dem in Wirklichkeit keine Antworten gegeben werden.
Den Politikern geht es gut solange der Homo Zappiens nicht aufwacht und das wird er hier nie.
Dann kann man also in Zukunft...
Dann kann man also in Zukunft im Internet Fernsehen, und im Fernsehen sieht man das Internet, und das Internet zeigt wieder Fernsehen – schon wegen des Dadaistischen Gehalts war das absolut notwendig, aber jetzt ist auch genug.
Das Fernsehen hat nicht die Aufgabe eine Volksnähe der Politikdarsteller auszustellen, und sollte auch selbst sich nicht anbiedern. Vor allem sollten den Journalisten selbst die richtigen Fragen einfallen, ohne daß sie dazu auf einen Zuschauer warten, der genau diese Frage stellt – oder ungefähr diese, die dann vom Reporter übersetzt wird.
Der Zuschauer kann ja auch nicht nochmal nachfragen, wenn der Politiker ausweicht – er kann nicht urteilen, ob die Frage jetzt beantwortet ist oder nicht, und nicht nachfragen, um zu präzisieren oder festzunageln.
Und das ein anderer Zuschauer eher eine Frage stellt, die andere Zuschauer interessieren, als ein Journalist, würde nur heißen, die Journalisten sind überhaupt unfähig.
Es ist auch zu persönlich. Das ist ja einer der Kardinalfehler des Fernsehens, daß die Anonymität überbrücken will, und statt Information immer Emotion zu transportieren versucht. Die Leute sollen mit ihren persönlichen Ansichten zu Hause bleiben – ich will Experten und Fachleute sehen, die gute Fragen stellen – nicht Betroffene mit authentischen Fragen, oder dem, was diese dafür halten.
Dank ausgiebigem Konsum versuchen die Zuschauer ja ohnehin nur Journalisten zu imitieren – so wie das Internet das Fernsehen imitiert, und dieses jenes. Ein lustiges Mimikridurcheinander; jeder versucht zu sein, was er nicht ist. 🙂 Ausschalten!