Wahrscheinlich ist die ARD-Telenovela „Sturm der Liebe“ bisher maßlos unterschätzt worden. Sie ist keine Industrieproduktion, in der halbgare Groschenromanhandlungen fürs Fernsehen nachgedreht werden und arbeitet auch nicht mit Stereotypen, die Hausfrauenherzen höher schlagen lassen sollen, sondern glänzt durch ihre fein ausgearbeiteten Handlungsstränge mit einer besonderen Nähe zur Lebenswirklichkeit. Jedenfalls deutet das die Programmdirektion des Ersten an, wenn man bei ihr anruft und einen unschönen Schleichwerbeverdacht im Gepäck hat.
In der vergangenen Woche tauchten in „Sturm der Liebe“ merkwürdige Dialoge auf, die sich leicht als in die Handlung verwobene Werbung für die (umstrittene) Misteltherapie zur Behandlung von Krebs lesen lassen. (Genauso gut aber auch nicht, wie manche Kommentatoren im Fernsehblog anmerkten.)
In jedem Fall sorgen die Dialoge, die dadurch auffallen, dass sie in einer Serie verkommen, die bisher nicht in erster Linie für ihre differenzierte Darstellung alternativer Heilpräparate bekannt war, für Verwirrung. Ist das jetzt Themenplacement? Oder nicht?
Die Programmdirektion der ARD sagt: nein. Und findet, dass Journalisten, denen solche Dialoge auffallen, erst einmal zu beweisen haben, dass es sich dabei tatsächlich um ein unerlaubtes Placement handelt. (Was schwierig ist, wenn man keinen direkten Aktenschrankzugang in Geiselgasteig besitzt.) Auf die Frage, ob die ARD ganz konkret ausschließen könne, dass für Hinweise auf die Misteltherapie Gelder an die zuständige Produktionsfirma Bavaria oder an der Produktion beteiligte Personen gezahlt wurden, gibt es allerdings keine klare Antwort:
„Eine hundertprozentige Sicherheit lässt sich in Anbetracht der Fehlbarkeit von Menschen nie herstellen. Wir müssen uns auf die Aussagen unserer Produktionsfirmen verlassen. Das ist nicht zuletzt auch Gegenstand der Produktionsverträge.“
In einem will sich die ARD aber nichts vorwerfen lassen:
„Die ARD jedenfalls hat alles veranlasst, um einen Schleichwerbeverdacht ausschließen zu können.“
Falls Sie sich jetzt fragen, was das zu bedeuten hat: Das haben wir uns auch gefragt. Die Antwort lautet: Die ARD hat alles veranlasst, um einen Schleichwerbeverdacht auszuschließen, indem die für „Sturm der Liebe“ federführende Redaktion des WDR eine Stellungnahme der Bavaria einholte, in der die Bavaria versichert, dass es sich bei den Misteltherapie-Dialogen nicht um Themenplacement handelt. (Den genauen Wortlaut der Stellungnahme stellt die ARD Journalisten nicht zur Verfügung.)
Die Bavaria, Sie erinnern sich bestimmt, ist diese vertrauenswürdige Produktionsfirma, die der ARD vor vier Jahren einen ihrer größten Skandale bescherte, inzwischen aber vollständig rehabilitiert zu sein scheint.
Die Misteltherapie-Dialoge hält man in der Programmdirektion offenbar für ok, zu einer expliziten Unbedenklichkeitsbescheinigung will man sich aber nicht hinreißen lassen. Die Zuschauerredaktion des Ersten fand da Mitte des Monats in einer Mail an eine Zuschauerin, die den Verdacht der Schleichwerbung in „Sturm der Liebe“ vorgebracht hatte, schon klarere Worte:
„Wir können Ihnen versichern, dass es sich bei dem von Ihnen beschriebenen Vorgang in ‚Sturm der Liebe‘ nicht um Schleichwerbung handelt.“
Und, noch expliziter:
„Auf keinen Fall bekommen wir Geld dafür, dass wir die Misteltherapie in ‚Sturm der Liebe‘ erwähnen. Dafür hat die ARD eigens eine Clearing-Stelle gegen Schleichwerbung aufgebaut.“
Die Clearingstelle der ARD ist allerdings nicht, wie man sich das vorstellen könnte, eine Institution, die regelmäßige Kontrollen auf Schleichwerbeeinflüsse durchführt, um neue Skandale zu vermeiden, sondern wird bloß „im Einzelfall“ aktiv, das bedeutet: nach konkreten Zuschauerhinweisen, wie wiederum die Programmdirektion der ARD auf Anfrage bestätigt:
„Anders als noch im Jahre 2005 ist heute jedoch jeder Programmteil im Ersten Deutschen Fernsehen redaktionell an eine Landesrundfunkanstalt angebunden und wird dort auch redaktionell abgenommen. Die Clearingstelle geht daher entsprechenden Vorwürfen nach, holt Stellungnahmen ein und beantwortet Zuschaueranfragen, nimmt aber keine eigenen Programmbeobachtungen vor.“
Der Leiter der Clearingstelle, SWR-Justiziar Hermann Eicher, bestätigt auf Nachfrage, dass er sich wegen der Angelegenheit „Sturm der Liebe“ am gestrigen Mittwoch telefonisch an den Bavaria-Geschäftsführer Achim Rohnke gewandt habe, um ihn um eine eigene Stellungnahme zu bitten und sich vom Drehbuchautor schriftlich versichern zu lassen, dass dieser nicht zu einer Platzierung der Mistelteharpie angeleitet worden sei. Außerdem will Eicher bei der Bavaria Media überprüfen lassen, ob es zuletzt ungewöhnliche Zahlungseingänge gegeben habe. Offenbar gibt es innerhalb der ARD unterschiedliche Ansichten über die Problematik der Misteldialoge. Eicher scheint jedenfalls ein Interesse daran zu haben, den Fall noch einmal genauer zu prüfen. Er räumt aber auch ein: Sobald die Bestätigungen der Bavaria vorlägen, seien seine Möglichkeiten erschöpft.
Eine Stellungnahme des WDR, dessen Redaktion die betreffenden Folgen ja „redaktionell geprüft“ haben muss, ohne Auffälligkeiten festzustellen, ist angefragt und wird nachgereicht.
Bloß eines noch, wieder aus der ARD-Programmdirektion, die wie folgt argumentiert:
„Würde man sämtliche Elemente aus einer Serie eliminieren, die ’nach Themenplacement aussehen‘ könnten, dann wäre nur noch eine völlig inhaltsleere und weit von der Lebenswirklichkeit entfernte Serie möglich.“
Na gut, aber — ist das nicht einfach die korrekte Beschreibung für: Telenovela?
Vielen lieben Dank!
Unsere...
Vielen lieben Dank!
Unsere traurige, bei den ÖRs verrentete, so genannte Journalisten-Elite ist ja leider dem Intellekt in keinem Ausmaße mehr verhaftet. Um so wichtiger ist die Recherchefunktion unserer vierten Macht. Ich freue mich daher über jeden nicht primär den eigenen Einkunftsinteressen geschuldeten Kommentar. Ach – und zur Sache: die Faktenlage ist ja wohl jedem Beobachter dermaßen klar, dass genau hier ein ganz wunderbarer Hebelanzustzen ist. Daher nochmals: Vielen ieben Dank!
"Die Programmdirektion der ARD...
„Die Programmdirektion der ARD sagt: nein. Und findet, dass Journalisten, denen solche Dialoge auffallen, erst einmal zu beweisen haben, dass es sich dabei tatsächlich um ein unerlaubtes Placement handelt.“
Haben die das wirklich so („Das müsst ihr uns erstmal beweisen“) nachgeschoben? Jetzt glaube ich ja doch, dass die bei irgendwas erwischt wurden.
Haben die zu viele Krimis gesehen und Redewendungen unbedacht übernommen? Denn das sagt in der TV-Fiktion doch immer der Täter, dem der Ermittler noch auf die Spur kommen muss.
Oder habe ich jetzt zu viel ferngesehen? 😉
@Marc: Die konkrete Antwort...
@Marc: Die konkrete Antwort auf meine Frage „Kann die ARD ganz konkret ausschließen, dass für die Hinweise auf die Misteltherapie Gelder an die Bavaria oder an der Produktion beteiligte Personen gezahlt wurden?“ lautet: „Bereits die Fragestellung verkehrt die Prüfungsnotwendigkeiten in ihr Gegenteil (s.o.): Wenn Herr Niggemeier die Tatsachenbehauptung aufstellt, bei der ARD werde für Pharmafirmen geworben, dann hat er dafür die notwendigen Beweise zu liefern. Dies ist bislang aber nicht geschehen. (…)“
Also wenn ich als ARD...
Also wenn ich als ARD unschuldig wäre, würde ich mich offensiver verteidigen. Riecht ganz danach, als ob sie was zu verbergen hätten oder selber noch nicht genau Bescheid wissen.
WAS FÜR EIN QUATSCH! In der...
WAS FÜR EIN QUATSCH! In der Programmankündigung für morgen war doch schon zu lesen, dass die Figur, die angeblich für die Misteltherapie schleichwirbt, daran stirbt! Ist ja ne Superwerbung!!! Vielleicht ist hier mal nicht die ARD über das Ziel hinausgeschossen, sondern paranoide Journalisten…
Das Thema "Schleichwerbung und...
Das Thema „Schleichwerbung und ARD“ scheint aktuell mehrere Medien zu beschäftigen:
https://www.stern.de/unterhaltung/tv/:Kritik-ARD-Schleichwerbung-Tatort/655979.html
Ich stimme in so weit zu, als das natürlich ein gewisses „Leben drumherum“ in einer TV-Serie schon Sinn macht. Das es sich bei dieser Art von Leben jedoch nicht selten um eine Parallelwelt aus dem Kitschausverkauf handelt: Ist nicht neu. Und es hat (wie so weit mir bekannt der Schwabe sagt) ein „G`schmäckle“, wenn Themen in solchen Scheinechteslebenproduktionen auftauchen, die sich in bestimmten Zielgruppen aktuell großer Beliebtheit erfreuen, zumindest aber diskutiert werden.
Und selbst wenn an alle dem nichts dran ist, so ist eines erreicht: Die ARD wird in Zukunft vielleicht noch ein wenig vorsichtiger mit gesendeten Inhalten aus der Digitalretorte umgehen. Ich hoffe nur, dass hier und jetzt nicht wieder eine Endlosdiskussion zum Thema „Krebs und Therapien“ oder auch „Misteln: Was sie wirklich bringen“ vom Stapel getreten wird, weil: Das wäre dann noch ein neuer Schleichwerbeskandal, Titel:
„Schleichwerbeskandal im Schleichwerbeskandal um Misteltherapie“, Untertitel: „Da hat wohl jemand Mist(el) gebaut!“
Darian, mistelig seit 1975.
@Peter Wuschko: Ja, aber wäre...
@Peter Wuschko: Ja, aber wäre es nach den Schulmedizinern gegangen, wäre er schon ein Jahr früher gestorben, sagt er. Das Jahr verdankt er angeblich den Misteln.
Bei Krebs im Endstadium geht es oft um Wochen. Ein ganzes Jahe Lebensverlängerung ist auch mit modernen Medikamenten in vielen Fällen eine Utopie. Pharmakonzerne sind froh, wenn ihnen überhaupt der Nachweis gelingt, dass ein Medikament das Leben um ein paar Wochen verlängert. Bei vielen Modernen Krebsmedikamenten gelingt ihnen nicht einmal das.
Durch die Story eine Art Gleichwertigkeit der beiden Therapieansätze suggeriert: Dem einen hilft dies, dem anderen hilft jenes. Mehr würde ich als Mistelpräparatanbieter gar nicht für mein Geld verlangen.
@Peer: Auch wenn die Antwort...
@Peer: Auch wenn die Antwort der ARD einen ziemlich patzigen Unterton hat, völlig falsch ist die nicht. Dass Herr Niggemeyer aus seinem Verdacht einfach eine Tatsachenbehauptung macht (und das tut er bereits in Ueberschrift und erstem Satz) finde ich auch etwas fragwürdig. Spezielle da ja nun schon mehrfach erwähnt wurde dass im Laufe der Serie diese Therapie zum Tode führt. Dagegen einfach stur mit jede Publicity ist gute Publicity zu argumentieren überzeugt mich nicht, lässt aber so doer so in jedem Falle gnug Sielraum dass man fairerweise wirklich von einem VERDACHT reden/schreiben sollte und nicht einfach seine Eigenwahrnehmung als Tatsache verkaufen.
Davon ab, finde ich Ihre Bescheibung der Clearing-Stelle etwas widersprüchlich. Einerseits erwecken sie den Eindruck, diese Stelle wäre nur ein Papiertiger, anderseits schreiben Sie ja selber, dass der zuständige Papierkrieger beispielsweise den Zahlungsvekehr auf Auffälligkeiten prüfen wird und die Beteiligten wie z.B. den(die) Drehbuchautor(en). Ich wüsste jetzt ehrlich gesagt nicht was ich sonst gross von so ner Stelle erwarten sollte? Hausdurchsuchungen? Verhaftungen?
@Daniel: Na, in erster Stelle...
@Daniel: Na, in erster Stelle war es mal eine Beschreibung dessen, was die Clearingstelle macht – und dass Sie offenbar nicht die Prüfstelle ist, die soviel leisten kann wie nach der Problematik 2005 evtl. nötig wäre. Dass es dennoch Bemühungen gibt, ist doch gut – und deshalb steht es hier.
Das eigentlich Absurde ist doch: Sollte die Bavaria wirklich auf alte Methoden zurückfallen (und ich schreibe nur: sollte), kann die ARD nichts anderes tun, als Stellungnahmen einzuholen und abzuwarten, bis ein Journalist evtl. belastende Verträge auftut? Uiui.
Um eins klarzustellen: nicht...
Um eins klarzustellen: nicht er (Fred) stirbt, sie (Frau Tarasch) stirbt, dass ist dann kein unerheblicher Unterschied (weil bei ihr, trotz Mistelzweigtherapie, lediglich wenige Wochen zwischen Diagnose und Tod vergegehen). Darüber hinaus, erscheint es mir so (ich wollte mir nicht schon durch die Vorschau die Spannung nehmen;)), dass Fred ein Morphium-Junkie ist und probiert durch die Mistel-Geschichte, sein angeblichen Hirntumor glaubwürdiger zu machen, den die Ärztin in der Serie nicht bestätigen kann, weil sie ihn nicht untersuchen kann (Weil er ja angeblich der Schulmedizin abgeschworen hat – der Nebeneffekt ist aber, dass auch niemand diagnostizieren kann, dass er gar keinen Gehirntumor hat, sondern lediglich seinen Stoff braucht).
Klingt alles wirr und sehr durchgeknallt und unrealistisch. Aber genau das macht ja eine Telenovela aus. Die Behauptung die Mistelzweigtherapie würde differenziert oder noch besser poitiv dargestellt, ist allerdings, egal wie man es drehen und wenden will sowas von an den Haaren herbeigezogen, dass ich an Stelle der ARD, von Herrn Niggemeier (den ich als Journalisten sehr schätze, momentan besonders wegen des Koch-Inerviews) auch mehr Beweise/Indizien, als 2-3 total aus dem Kontext gezogene Dialoge, fordern würde.