Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Das Vorher-Nachher-Wunder von Pro Sieben

| 27 Lesermeinungen

Jede Woche schickt das Pro-Sieben-Magazin "red!" eine junge Kandidatin in den "Stylomaten", damit der ihr ein neues Outfit verpasst. Das kommt nachher bei den Männern auf der Straße ganz toll an - auch wenn sie es vielleicht gar nicht gesehen haben.

Heute erklären wir den „Stylomaten“ auf Pro Sieben, den es jeden Donnerstag im Entertainment-Magazin „red!“ zu sehen gibt. (Und zwischendurch als Wiederholung im Mischmagazin „taff“.)

Bild zu: Das Vorher-Nachher-Wunder von Pro Sieben
Screenshot: Pro Sieben

Der „Stylomat“ ist so eine Mischung aus Holodeck und sprechendem Schminkspiegel, und er hilft jungen Frauen, sich modern und sexy zu kleiden. Es gibt eine Vorher-Runde, in der die Kandidatin einschätzen muss, was die Männer auf der Straße über sie gesagt haben, dann ein aufwändiges Umstyling und schließlich eine Nachher-Runde, bei der die Männer sagen, was ihnen jetzt besser gefällt.

Kandidatin Susi hat das am Donnerstag erst mal geschockt. Der „Stylomat“ hatte ja schon zu Beginn Bedenken, weil sich die Nachtclub-Tänzerin auch privat „gerne offenherzig und freizügig“ zeigt – und die Passanten, die dazu vom „Stylomaten“ befragt wurden, haben das bestätigt:

„Das sieht schon ganz schön billig aus, so nuttig irgendwie.“
„Viel zu billig, würd gar nicht zu mir passen.“
„Die schaut aus wie 33, einfach viel zu alt für mich.“
„Sie ist verbraucht, sie sieht wie 30 aus.“
„Wenn ich die sehen würde, ich würd sie nicht ansprechen.“
„Optisch eher der Zonk.“

Bild zu: Das Vorher-Nachher-Wunder von Pro Sieben
Screenshots: Pro Sieben

Anschließend lieferte der „Stylomat“ noch ein paar genauere Zahlen:

„89 Prozent der Männer finden dein Outfit zu billig.“
Und: „86 Prozent schätzen dich wesentlich älter.“

Das war natürlich erschreckend für Susi. Aber sie durfte sich ja gleich für ein Umstyling ganz nach ihrem Geschmack entscheiden (die Frisur von Jennifer Aniston, das Outfit von Victoria Beckham). Anschließend stand sie mit ihrem „komplett neuen und weiblichen Look“ wieder im „Stylomaten“ und die Männer, die sie eben noch zurückgewiesen hätten, waren hin und weg:

„Unglaublich: die Veränderung! Richtig seriös, trotzdem sexy. Hut ab!“
„Super Outfit, Hammer-Körper. Würd mir echt Spaß machen, mich mit der in der Öffentlichkeit sehen zu lassen.“
„Jetzt würd ich mich gerne mit ihr treffen. Sie sieht super erotisch aus.“

Bild zu: Das Vorher-Nachher-Wunder von Pro Sieben
Screenshots: Pro Sieben

Toll, oder?

Nur: Wie haben die das bei Pro Sieben bloß mit den Männern gemacht? Jetzt sagen Sie vielleicht: Die haben denen einfach ein Vorher- und ein Nachher-Bild gezeigt. Aber so einfach ist das nicht. Immerhin bekommt Susi ja am Anfang vom „Stylomaten“ die Kommentare zu ihrem alten Styling vorgeführt – und sucht sich erst dann ihr neues Styling heraus, das es vorher noch nicht gegeben hat, aber von denselben Männern an denselben Plätzen wieder bewertet und dann für gut befunden wird.

Also, helfen Sie mir doch bitte mal: Wie geht das?

Ist Pro Sieben am selben Tag rausgegangen und hat die Männer für die Umfrage während des Umstylings an ihrem Platz festgehalten, damit sie danach nochmal was dazu sagen können? Nee, eher nicht.

Leistet sich der Sender für jeden neuen „Stylomat“-Beitrag zwei Drehtage, zeichnet die Vorher-Einschätzung mit dem alten Styling erst im Nachhinein auf, wenn bereits Vorher-/Nacher-Bilder da sind, man schnell eine Straßenumfrage machen kann, und zwingt die Kandidatin dann dazu, so zu tun als sei sie noch gar nicht umgestylt worden? Ach was, viel zu viel Aufwand.

Oder läuft da in Deutschlands Fußgängerzonen womöglich ein Pro-Sieben-Kamerateam herum, spricht Männer in Einkaufspassagen an und fragt, ob die mal in die Kamera sagen können, wie doof sie das alte Styling einer ihnen unbekannten Kandidatin finden und wie toll das neue…

…das sie dann noch gar nicht gesehen haben?


27 Lesermeinungen

  1. hannah sagt:

    Genau diese Frage musste ich...
    Genau diese Frage musste ich mir auch gestern Abend während dieser Sendung stellen.
    Mal davon abgesehen, dass das Nachher-Resultat fast noch schlimmer aussah, als das ursprüngliche Styling/Outfit, wundert mich bei Prosieben eigentlich gar nichts mehr.
    Billges „Hartz IV-TV“ mit hohen Einschaltquoten. Herr Reich Ranicki hatte eben doch Recht.

  2. hihi sagt:

    ist echt merkwürdig xD ist...
    ist echt merkwürdig xD ist auch schon dem fernsekritiker (fernsehkritik.tv) aufgefallen xD

  3. Michael sagt:

    obwohl ich es eigentlich...
    obwohl ich es eigentlich logischer finde, dass zuerst der ganze mist im studio gemacht wird: Sie nimmt das Styling von Blablahastenichtgesehen, sagt ach und oh, und erst dann eht das Team auf die Straße…dass das Team ohne Bilder die Passanten zwingt, irgendeinen Mist zu sagen, wäre natürlich vorurteilsunterstützender…

  4. Der Andere sagt:

    Danke schön, dass Sie den...
    Danke schön, dass Sie den „Stylomat“ mal ansprechen hier.
    Habe ihn beim Durchzappen mal entdeckt. Was mich jedoch fasziniert hat, war weniger die Taktik der Drehtage für die Kommentare von Passanten, sondern diese grausame, schreckliche, hirnzerbräsende Inszenierung des „Stylomaten“. Dieses sprechende Aparillo, dieser Kitt für Arme, und dazu eine schlechte Laiendarstellerin. Das gehört für mich in die Kategorie von Fernsehsendungen oder -Rubriken, bei denen ich mich frage, ob es wirklich irgendwo da draussen jemanden gibt, der sich das anschaut und es als das, als was es von den Machern eigentlich inszeniert wird, ernst nimmt.

  5. Lukas sagt:

    Danke, Peer! Genau das hab ich...
    Danke, Peer! Genau das hab ich mich auch schon mehrfach gefragt (Warum habe ich diesen Quatsch eigentlich schon mehrfach gesehen?) und bin zu keinem Ergebnis gekommen.
    Warum nehmen diese Programmmacher eigentlich an, sowas würde schon keinem auffallen?

  6. Al sagt:

    Hervorragende Frage...!

    Ich...
    Hervorragende Frage…!
    Ich habe die Sendung zum Glück noch nie gesehen, aber tendiere zu einer Variation von Option 2: Die Kandidatin im Originaloutfit muss so tun, als sähe sie gerade schockierende Aussagen von Passanten, dann kommt das Umstyling, und die Straßenumfrage wird im Anschluss mit Vorher-/Nachher-Bildern gemacht. Dann wären zumindest die Aussagen der Passanten authentisch.
    Oder bezieht sich die Kandidatin auf die konkreten Aussagen der Passanten? Dann wäre das natürlich nicht möglich.
    Möglichkeit 3 möchte ich lieber nicht in Erwägung ziehen, da ich selbst Journalist bin und mir das ein wenig an die Berufsehre ginge…

  7. Das ist ein Holo-Automat, da...
    Das ist ein Holo-Automat, da geht das immer so schnell mit dem umstylen. Ihr kapiert aber auch ga nichts, Leute!

  8. Thomas sagt:

    Vielleicht wird den Kandidaten...
    Vielleicht wird den Kandidaten auch ein ganz anderes Bild von einer ganz anderen Frau gezeigt. Oder kann man bei den zufällig angesprochenen Passanten sehen, was für ein Bild Ihnen gezeigt wird. Und wer sagt denn, dass die neu gestylten Frauen nicht vorher so aussahen wie in der Nachher-Ansicht?
    Aber egal – allein wie armselig Styling auf eine Promi-Copy-Auswahl zu beschränken.
    Givenchy hat recht. Das Ordinäre hat gesiegt. Eleganz ist tot.

  9. Ich weiß gar nicht, was daran...
    Ich weiß gar nicht, was daran so schwer sein soll: Uri Geller hat mit einem Raben auf den Schultern den Protagonisten auf der Straße mental die neuen Bilder schon vor der Umsetzung ins Hirn digitalisiert. Sollte das nicht des Rätsels Lösung sein, müsste sich „Galileo Mystery“ dem Ganzen einmal gewohnt kritisch und seriös annehmen. Wenn die nichts heraus bekommen, kann ja der freundlich-nette Herr Aminati ab Montag bei „taff“ journalistisch anspruchsvoll das Thema aufdröseln. Das ganze aufgefrischt mit ein paar Promis (also mal ohn Gülcan, ohne Olli P. und Janinen Kunze so wie Herrn Hoécker) in der Bluebox: Fertig ist die Laube. Zusammenfassung dann bei Herrn Raab, Verstehen Sie?
    Darian, versteht seit 1975.

  10. Philipp sagt:

    Nunja, es gäbe noch eine...
    Nunja, es gäbe noch eine weitere Möglichkeit:
    erst umstylen, dann mit Bildern (vorher, nachher) Feedback erfragen.
    Aber dass bei RED alles so billig wie möglich gemacht wird, sieht man der Sendung ja auch an…

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