Wenn den Redakteuren vom Pro-Sieben-Mittagsmagazin „SAM“ mal wieder die Dokusoaps ausgehen, die sie wiederholen können, bis im Gegenprogramm endlich „Punkt 12“ vorbei ist, passiert Außergewöhnliches: Es wird neues Material gedreht! Mit Leuten wie Frank Rosin und Matthias Stieger.
Rosin und Stieger sind „Spitzenköche“ und besuchen für „SAM“ Restaurants, in denen es nicht mehr so gut läuft, um das zu ändern. Dafür bleiben ihnen nur wenige Tage Zeit.
Am Montag war Stieger im „Tannenhäuschen“. Er hat die Karte rauf und runter bestellt und gesagt: „Es riecht’n bisschen komisch.“ In der Küche hat er die unzureichende Hygiene bemängelt und eklige Sachen aus der Kühltruhe gefischt. Dann hat er Einnahmen und Ausgaben des „Tannenhäuschen“ gegengerechnet. Und dem Besitzer geholfen, auf dem Markt Werbung für seinen Laden zu machen. Dem Küchenpersonal hat er ein paar neue Handgriffe beigebracht. Am großen Tag der Neueröffnung sind dann ganz viele Gäste gekommen und zum Schluss waren alle sehr zufrieden.
Screenshots: Pro Sieben
Das kommt Ihnen bekannt vor? Vielleicht deshalb, weil dieselbe Sendung auch bei RTL läuft, nur mit Sternekoch Christian Rach (Folgen bei RTL Now). Die erste Folge wurde im September 2005 ausgestrahlt. Inzwischen holt Rach montagabends für RTL regelmäßig 5 Millionen Zuschauer.
Bei Pro Sieben heißt die Reihe „Hilfe vom Profi“ (und im Wechsel mit den Restaurants werden darin auch Unternehmen beraten und Friseursalons aufgemotzt). Die Idee für diese Reihe stamme aus der „SAM“-Redaktion, heißt es bei Pro Sieben. Produziert werden die Filme von der Firma south & browse, heißt es beim Sender. (Obwohl online die Firma Good Times als Ansprechpartner angegeben ist.) Und die scheint sich jetzt großzügig bei Aufbau und Erzählstruktur des Vorbilds zu bedienen. Besonders schön war das Anfang März zu sehen, als Sternekoch Rosin in einer Gaststätte in Berlin-Wedding unterwegs war: Auf das Kurzporträt der gestressten Chefin und des überforderten Küchenpersonals folgte der Inkognito-Besuch des Helfers und dann ein Einspielfilm zur Vorstellung des Sternekochs in seinem eigenen Restaurant – alles wie bei „Rach, der Restauranttester“.
Dort heißt es in dem in jeder Folge wiederkehrenden Einspielfilm:
„Der Sternekoch Christian Rach kommt aus Hamburg. Bereits 1991 bekam er den beliebten Michelin-Stern – und hat ihn bis heute behalten. Derzeit führt er drei erfolgreiche Restaurants. Sein Flaggschiff ist das Tafelhaus an der Elbe.“
Bei „SAM“ geht das so:
„Matthias Stieger, 28 – Spitzenkoch aus Willich. Sein Landgut Ramshof ist täglich ausgebucht. Mit kulinarischer Leidenschaft verleiht er exzellentem Essen die typische Stieger-Note.“
„Frank Rosin – Sternekoch und Vollprofi. Sein Restaurant in Dorsten ist ständig ausgebucht. Denn der Spitzenkoch ist auch ein perfekte Geschäftsmann. Chaos in der Küche – im Restaurant des 42-Jährigen undenkbar. Hier hat jeder seine Aufgabe und alles seinen Platz.“
Dazu werden Bilder des (jeweiligen) Sternekochs in der eigenen Küche gezeigt, in der er gerade eine Bestellung ans Personal weitergibt:
„Bitte vier Leber und einmal Fisch.“ (Rach)
„Dreimal Jakobsmuscheln, eine Entenstopfleber.“ (Stieger)
„Ferkel, aber klein. Dann Amuse Gueule und Ente.“ (Rosin)
Die Restauranttests auf Pro Sieben dauern genauso lange wie die bei RTL (ohne Werbun ca. eine Dreiviertelstunde), nur dass sie quasi als Sendung in der Sendung versteckt sind. Selbst kleinste Elemente aus „Rach, der Restauranttester“ sind bei „SAM“ wiederzuerkennen: Alle Restauranttester sprechen ihre Bewertung des Testessens unmittelbar in die Kamera, als würden Sie direkt mit dem Zuschauer reden. Und wie Rach geht auch Rosin nach den ersten Eindrücken aus dem Restaurant auf die Straße und erzählt, was das jetzt für anstrengende Tage werden, weil es soviel zu tun gibt.
Screenshots: RTL / Pro Sieben
Dabei hat auch „Rach, der Restauranttester“ ein Vorbild: die englische Sendung „Ramsay’s Kitchen Nightmares“. Die Rach-Produktionsfirma Eyeworks hat für die deutsche Umsetzung allerdings eine Lizenz erworben und zahlt dem Erfinder der Sendung Geld. Eigentlich ist das nämlich Voraussetzung, wenn man nicht nur die Grundidee einer Sendung übernimmt, sondern auch deren Machart und wesentliche Grundelemente.
Ob Pro Sieben für „Hilfe vom Profi“ ebenfalls eine Lizenz erworben hat, wollte der Sender auf Nachfrage lieber nicht sagen.
Mehr über den Formatklau im deutschen Fernsehen lesen Sie in den nächsten Tagen – natürlich im Fernsehblog.