Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Wie Oliver Pocher bei Kerner seinen Wechsel zu Sat.1 bekannt gab (und was Harald Schmidt davon gewusst hat)

| 38 Lesermeinungen

In der Show von Johannes B. Kerner kündigte Oliver Pocher am Mittwochabend an, künftig bei Sat.1 zu moderieren. Das kam überraschend. Also: Außer vielleicht für Harald Schmidt, der in der vorletzten "Schmidt & Pocher"-Sendung am vergangenen Donnerstag aus heiterem Himmel anfing, über seinen alten Arbeitgeber zu lästern, während Pocher still im Hintergrund saß.

Am Mittwoch war Oliver Pocher mit Atze Schröder bei „Johannes B. Kerner“ zu Gast und lästerte so lange, bis jeder mal was abbekommen hatte – Mario Barth, Angelina Jolie, Heidi Klum, Boris Becker, Mario Barth. Nebendran saß Kerner, grinsend, aber irgendwie auch peinlich berührt, weil es nicht alle Tage vorkommt, dass in seiner Show jemand alle beleidigt, zu denen er sonst als Gastgeber freundlich sein muss, damit sie wiederkommen. Und stellte dann doch noch eine interessante Frage:

„Gibt’s irgendjemanden, den ihr per se ausschließen würdet von eurem Humor? Also sagen würdet: über den reißen wir keine Witze?“

Bild zu: Wie Oliver Pocher bei Kerner seinen Wechsel zu Sat.1 bekannt gab (und was Harald Schmidt davon gewusst hat)
Screenshot: ZDF

Pocher antwortete ziemlich eindeutig: „Nee, es gibt niemanden.“ Dabei war das natürlich geflunkert. Es gibt exakt eine Person, die von Pochers Humor ausgenommen ist: Harald Schmidt. Wenn die Sprache auf Schmidt kommt, wird Pocher erstaunlich schmallippig und redet plötzlich im schönsten Konsensdeutsch davon, wie gut die Zusammenarbeit mit Schmidt gewesen sei , wie wichtig die Erfahrung für ihn war und wie schön die Zeit. Gestern stammelte er:

„Wir haben wirklich ein extrem gutes, und auch freundschaftliches, äh, zumindest kollegiales Verhältnis.“

Gegrinst hat er dabei nicht. (Video in der ZDF-Mediathek ansehen.)

Am heutigen Donnerstag läuft nun die letzte Ausgabe von „Schmidt & Pocher“. Und wenn man mag, kann man die Show in der vergangenen Woche als Generalprobe fürs Finale verstehen, in der alles wie immer war. Abgesehen davon, dass der doppelte Stand-up zu Beginn der Sendung einen merkwürdigen Eindruck hinterlässt, weil die beiden Gastgeber dann nicht zusammen auf der Bühne stehen, sondern nacheinander vors Publikum treten und jeder sein eigenes Humorprogramm abfeiert.

Noch rätselhafter war an diesem Donnerstag in der vergangenen Woche bloß, was genau Schmidt da vorzutragen hatte: jede Menge Spott über seinen alten Arbeitgeber nämlich, und zwar ohne dass es einen konkreten Anlass gegeben hätte. (Jedenfalls gab es dafür bereits geeignetere Wochen.) Mit dem Umweg darüber, dass sich arabische Investoren bei Daimler eingekauft haben, schlug Schmidt vor, dass auf diese Weise doch auch Pro Sieben Sat.1 gerettet werden könnte und zeigte eine kleine Grafik des Kursverlaufs:

„Dieselbe Firma, dieselbe Aktie – damals 30 Euro, heute 1,15 Euro.“

Bild zu: Wie Oliver Pocher bei Kerner seinen Wechsel zu Sat.1 bekannt gab (und was Harald Schmidt davon gewusst hat)
Screenshot: Das Erste

Dazu lästerte Schmidt intensiv über Haim Saban, der die Sendergruppe mal kurzzeitig besessen hatte, aber schon längst keine Rolle mehr spielt, und brachte zum Vergleich den Daimler-Investor Khadem Al Qubaisi als neuen Besitzer ins Spiel:

„Wen hätten Sie lieber als Eigentümer eines deutschen Fernsehsenders? Bei wem würden Sie lieber sagen: Ich drück dich. Oder wie immer die aktuelle Parole gerade heißt.“

Pocher saß schon hinten am Schreibtisch und war sehr, sehr still.

Und so ein Zufall: Sechs Tage später gab er bei Kerner bekannt, künftig bei Sat.1 zu moderieren. Der F.A.Z. sagte Pocher, Schmidt habe keinen Einfluss auf die Entscheidung gehabt, er habe mit ihm lediglich über die Gründung seiner eigenen Produktionsfirma gesprochen (die den Produktionsauftrag an eine Tochter von Spiegel TV weiterreichen soll, wie die „Süddeutsche“ berichtet. Deshalb wohl auch der Auftrag bei Kerner, das von derselben Spiegel-TV-Tochter produziert wird).

Aus Pochers Sicht muss man den Weggang vermutlich eine konsequente Entscheidung nennen, weil Sat.1 der einzige große Sender ist, bei dem er derzeit das sein kann, was er sich selbst am ehesten zutraut: die Nummer 1. Das wäre weder bei RTL (mit Günther Jauch) oder Pro Sieben (mit Stefan Raab) möglich gewesen, und erst recht nicht mehr im Ersten, das Schmidt schon längst die Alleinherrschaft zurückversprochen hat. Eine Überraschung ist die Personalie trotzdem – offenbar auch für die ARD gewesen, wo man nach Bekanntwerden des Wechsels so reagierte, wie man das am besten kann: peinlich.

„Ohne Oliver Pocher geht’s auch, wie man in der ARD sagt“, lässt sich Programmchef Volker Herres in einer knappen Pressemitteilung zitieren. Und klingt dabei so beleidigt, dass man Pocher, selbst wenn man seinen Humor ablehnen mag, zu seiner Entscheidung nur beglückwünschen kann. Vielleicht hätte Herres auch früher etwas ahnen können – und einfach mal Harald Schmidt fragen. Der hat es doch gewusst.

Oder?

Oder die Regie bei „Schmidt & Pocher“ hat am vergangenen Donnerstag geradezu sensationell prophetische Arbeit geleistet.

Bild zu: Wie Oliver Pocher bei Kerner seinen Wechsel zu Sat.1 bekannt gab (und was Harald Schmidt davon gewusst hat)
Screenshot: Das Erste


38 Lesermeinungen

  1. Paule sagt:

    Soso... Sat.1 kauft einen...
    Soso… Sat.1 kauft einen ARD-Star, nachdem auch RTL eine Menge Interesse geäußert hatte. Das gabs zuletzt vor 15 Jahren. 😉

  2. ....das Abschlussbild. :D...
    ….das Abschlussbild. 😀

  3. Sven sagt:

    Es ist das Beste für alle...
    Es ist das Beste für alle Beteiligten, außer für Pocher.

  4. tv-addict sagt:

    zwei egos wie herren...
    zwei egos wie herren schmidt&pocher in einer sendung – das kann nun mal nicht lange gut gehen. wunderbar, dass pocher jetzt auf sat1 das sein darf, was er ist: das möchtegern enfant terrible mit einem humor, der so komisch ist wie eine woche toilettendienst. und wie wunderbar, dass schmidt auch das sein darf, was er einst war: geistreich komisch – und dass ohne vermeintlichen verjüngerungsversuch von seiten der ard. vielleicht kann man die sendung jetzt also mal wieder gucken, ohne den glauben an de menschheit zu verlieren.

  5. Ich frage mich nach wie vor...
    Ich frage mich nach wie vor welches Zeichen von Elend es sein muss, dass Humorbefreite Pausenclowns wie Pocher in der deutschen Medienlandschaft solche Erfolge feiern dürfen….

  6. Felix sagt:

    ...Darian, humorbefreit seit...
    …Darian, humorbefreit seit 1977.
    (mir fehlte da irgendwie was)

  7. Florian sagt:

    @Sven selbst für Pocher ist...
    @Sven selbst für Pocher ist das das Beste.
    Sauber endlich wieder Schmidt wie man ihn kennt, ohne einem Kindergarten um ihn herum. Mag zwar auch die Witze von Oliver, aber nur wenn ich eine bestimmte Laune habe

  8. angel sagt:

    das interessante an schmidt...
    das interessante an schmidt und pocher war ja gerade die erkenntnis, dass pocher nun gar nicht so humorbefreit ist, wie man gemeinhin annahm. und schmidt dann doch nur noch vor sich hinkraucht.

  9. BloodyFox sagt:

    @ Darian

    Weil viele Menschen...
    @ Darian
    Weil viele Menschen Idioten sind. Die Mehrzahl sogar.
    Keine Ahnung, es gibt keine guten Stand Up Comedians mehr und wenn, dann sind die nicht so bekannt. Guck dir doch mal die ganzen Idioten an, die da beim QCC auftreten. Sketch Comedy ist noch halbwegs stark in Deutschland, aber Sat. 1 tut ja sein bestes, um den Markt da mit ihren homogen-unlustigen Formaten zu übersättigen.
    Ich empfehle da gute Kabarett-Stand-Up wie z.B. Bodo Wartke…

  10. viewer sagt:

    Ich finds mutig von Pocher auf...
    Ich finds mutig von Pocher auf ein sinkendes Schiff aufzuspringen. Dieses schlechte Umfeld kann ihm doch nur schaden!

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