War ja zu befürchten, dass es irgendwann so weit kommen würde: Deutschland hat genug schmutzige Küchen im Fernsehen gesehen. Das schockt so schnell keinen mehr. Es wird Zeit für härteren Stoff: Haare im Waschbecken! Verfärbungen in der Toilette! Pilzbefall in der Dusche! Und für einen Mann, der diese Missstände anprangert und beseitigt (oder wenigstens den Auftrag dazu erteilt).
„Ich heiße Heinz Horrmann und für mich ist reserviert“,
sagt Heinz Horrmann in der neuen RTL-Dokusoap „Hotelinspektor“, und er sagt das so bestimmend, dass man in diesem Moment lieber nicht Rezeptionist wäre. Im Dienste des offiziellen Weltverbesserungssenders RTL ist Horrmann unterwegs gewesen, um Ordnung in verlotterte Hotels zu bringen, damit die Zimmer nachher nicht mehr nach Einzelhaft aussehen und das Frühstücksbuffet nicht mehr wie Konservenmonopoly.*
Es gibt einen Trailer, in dem ganz wunderbar aneinander geschnitten ist, wie Horrmann von einer Herausforderung in die nächste stolpert (leider momentan nicht online): Wenn er wegen eines stumpfen Messers mit einem ungeheuren Kraftaufwand versucht, ein Frühstücksbrötchen aufzuschneiden. Wie er aus Versehen mit einer übergroßen Zimmerpflanze kollidiert und „Mamma mia!“ flucht. (Das muss man auch erstmal fluchen können!) Wie er beim Anblick des ekligen Zahnputzbechers droht: „Da putz ich mir die Zähne heute abend nicht.“ Und beim Zubettgehen geschockt feststellt: „Es gibt keine Schlappen!“
Screenshots: RTL/Granada
Das hat fast etwas Komödiantisches, aber ohne dass Horrmann dabei albern wirken würde, denn dieser Mann meint jede Kritik ernst. Und gilt ja in seinem Fach seit einer kleinen Ewigkeit als seriöser Kritiker, wenn auch eher der gehobeneren Hotelerie.
Für die neue Dokusoap hat er sich jetzt in die Mittelklasse hinab begeben – und lässt dabei Welten kollidieren. Horrmanns Anreise erfolgt nämlich weiterhin im Luxuswagen, den sein Fahrer vor die zum Teil ziemlich schäbig wirkenden Übernachtungsstätten steuert. Morgens beim Frühstück ist er der einzige, der mit Anzug und korrekt gebundener Krawatte am Tisch sitzt, während rundherum alle Schlabberpulli tragen. Und die Mitarbeiter werden nicht zur Besprechung gerufen, sondern zum „Morgenappell“.
Das Fernsehblog: Herr Horrmann, Sie haben für RTL acht Hotels mit eher bescheidener Ausstattung besucht, testen sonst aber Fünf-Sterne-Hotels – das kann ja unmöglich derselbe Job gewesen sein, oder?
Heinz Horrmann: Nicht ganz. Aber Qualität lässt sich auf alle Klassen herunter brechen. Und Sie finden in allen Hotels der Welt dieselben Probleme. Ich war zum Beispiel entsetzt über das Ritz in Paris. Das ist eines der bekanntesten Luxushotels, da gibt es eine glamouröse Optik, ein sensationelles Bad mit barocken Verzierungen – und leider einen unterirdischen Service. Das einzige, was da am Empfang interessiert, ist Ihre Kreditkarte. Jeder einzelne Angestellte will vornehmer sein als der Gast. Das geht nicht.“
Was haben Sie denn dann während der Dreharbeiten über die spezifischen Probleme der kleineren Hotels erfahren?
Natürlich ist es oft eine Frage des Budgets, vor allem im gastronomischen Bereich. Aber man kann seine Möglichkeiten ja auch optimal ausreizen. Dass ich in einem 3-Sterne-Hotel keinen Ritz-Carlton-Service haben kann, ist ja klar. Man erwartet aber doch ein vernünftiges Bett, klinische Sauberkeit. In einem Berliner Hotel habe ich den Mitarbeitern gezeigt, wie man ein Frühstücksbuffet vernünftig anrichtet, dass das nicht alles in Plastik abgepackt sein darf und wie man Ananasschiffchen schneidet. Das kostet ja nicht mehr – aber es sieht viel besser aus.
Screenshot: RTL/Granada
Aufs Ananasschiffchenschneiden müssen die Zuschauer allerdings noch ein Weilchen warten. In der ersten Folge zeigt RTL heute Abend, wie Horrmann in den Harz reist, um dort einem Herrn zu helfen, der ein ganzes Hotel alleine betreiben will (was bisher vor allem deshalb möglich war, weil er keine Gäste hatte). Auf die Dauer ist das ein bisschen ermüdend, weil die Situation von vornherein recht ausweglos erscheint und am „Hotel Sachsenross“ soviel zu verändern wäre, dass die Dreiviertelstunde Sendezeit dafür unmöglich ausreicht. Anders als man das von „Rach, der Restauranttester“ kennt gibt es zum Schluss auch keine große Neueröffnung mit lauter zufriedenen Gästen. Irgendwie fehlt: ein Schluss.
Stattdessen kriegt der Hotelbetreiber viele nützliche Tipps, die er umsetzen soll. Und der Hotelkritiker einen Anfall als er bei der Besichtigung des Kellers einen schweren Wasserschaden entdeckt, gegen den bisher nichts unternommen wurde:
„Das ist ja… Eieieieieiei! Eieieieieiei, ist ja nicht zu glauben! Gucken Sie sich das mal an! Meine Güte! Sie holen sich ja’n Bronchienschaden!“
In jedem Fall hat sich RTL mit Horrmann einen Cheftester herausgesucht, der in schönster Tradition von Peter Zwegat und Christian Rach steht, Leuten also, denen Fernsehmacher vor einigen Jahren keinerlei Chancen im Privatfernsehen eingeräumt hätten, die aber ihre spezielle Art haben, an Probleme ranzugehen. Horrmann ist noch ein bisschen steifer als Zwegat, und ganz sicher kein Anpacker wie Rach, der die Ärmel hochkrempelt und bei der Renovierung mithilft. Horrmann denkt nach, schreibt auf, gibt „Schulaufgaben“ (wie er sagt) und kehrt dann nach vier Wochen zurück, um zu sehen, was draus geworden ist. Das ist gewöhnungsbedürftig, aber manchmal eben auch sehr originell.
Horrmann sagt:
„Es gibt ja viele Leute, die glauben: Ich mach mal ein Hotel auf, das kann jeder. Man kann vieles lernen, das stimmt. Nur die Grundeinstellung muss vorhanden sein – und das ist für mich bei vielen das größte Problem. Das muss Passion sein, man muss das mit Leidenschaft tun und Service als eine Art Kunst zelebrieren.“
Zelebriert wird in der Auftaktfolge noch nicht so viel, es sei denn, man rechnet den Off-Kommentator dazu, dem irgendwer gesagt hat, dass er lustiger sein soll als die Protagonisten, die man auf dem Schirm sieht. Und das geht leider gar nicht gut. Als Horrmann im Harz erst mal vor verschlossenen Türen steht und das Hotel einen leicht gruseligen Eindruck macht, heißt es aus dem Off im Halloween-Ton: „Wahrscheinlich verscharrt der Hotelier die Leichen von Zimmer 13. Oder versenkt sie im Moor hinterm Haus.“ Und raten Sie mal, welche Musik läuft, als Horrmann die Küche besichtigt, wenn der Text dazu lautet: „Schon nach kurzer Besichtigung des Tatorts gibt es die ersten Ermittlungsergebnisse.“ Ohne diesen Unsinn wäre der RTL-„Hotelinspektor“ deutlich erträglicher.
Oder wie Horrmann sagen würde: Eieieieieiei!
„Hotelinspektor“, 8 Folgen, sonntags um 19.05 Uhr bei RTL.
* Eigentlich sollte die Dokusoap bereits im vergangenen Jahr gezeigt werden, aber dann kam Stefan Effenberg dazwischen. (Was die RTL-Verantwortlichen inzwischen bereut haben dürften.) Der NDR versuchte im vergangenen Jahr übrigens ähnliches mit „Retten Sie unser Hotel!“, produziert von Probono TV („Raus aus den Schulden“), aber das passt ja besser in die Formatklau-Serie.