Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Bei jeder Schnute mit dabei: Hinter den Kulissen von "DSDS"

| 19 Lesermeinungen

"Deutschland sucht den Superstar" gehört zu den am aufwändigsten inszenierten Shows im deutschen Fernsehen. In keiner anderen Sendung ist das Geschehen auf der Bühne aus so vielen Perspektiven zu sehen, für kaum eine andere Show sind soviele Kameras im Einsatz. Das ist faszinierend anzuschauen – und zugleich ziemlich manipulativ.

Wenn demnächst mal wieder jemand behauptet, das Fernsehen würde morgen aussterben, weil wir bald alle bloß noch ins Internet gucken, sollte er sich vielleicht am Samstagabend mal „Deutschland sucht den Superstar“ ansehen. Nicht der Kandidaten wegen, auch nicht wegen Dieter Bohlen – sondern einfach, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie faszinierend Fernsehen sein kann, wenn es mit einem gewissen Aufwand produziert wird, und zwar unabhängig davon, ob man „DSDS“ inhaltlich unterhaltsam oder stinklangweilig findet.

Keine andere Sendung im deutschen Fernsehen ist derart komplex inszeniert. Die Macher wollen eine Atmosphäre schaffen, die den Zuschauern signalisieren soll: Hier geht es nicht um einen kleinen Karaoke-Wettbewerb, es geht um den „Superstar“. (So sehr sich das auch relativiert, sobald die Lichter wieder aus sind.)

Das funktioniert zuhause vor dem Fernseher genauso wie im Studio – zumindest wenn man Lust hat, einen Schritt zurückzugehen und mal darauf zu achten, wie „DSDS“ gemacht ist: Wie die Kamera von der Decke auf die Bühne hinab saust, sich um die Kandidaten dreht, wie bei den Auftritten die Farben im Studio explodieren, einfach wie die Zuschauer durch all das in die Show hineingezogen werden sollen.

Das geht schon los, bevor der Vorspann gelaufen ist: Moderator Marco Schreyl steht hinter den Kulissen und spricht seine Anmoderation, bevor die Kamera an ihm vorbei auf die Bühne durch die sich öffnende Studioleinwand rast und dort von einem Publikum empfangen wird, das einen Lärm macht, als kämen gleich die Gladiatoren, um mit den Löwen zu kämpfen. Vielleicht ist es ja auch ein bisschen so.

Bild zu: Bei jeder Schnute mit dabei: Hinter den Kulissen von "DSDS"
Screenshots: RTL

Oder wie’s Volker Weicker formuliert:

„Die Leute, die ich erreichen will, sitzen zuhause auf der Couch – und die haben all das Haptische, was wir hier im Studio haben, nicht. Deshalb ist es mein Job, Emotionalität auf den Bildschirm zu bringen, schon durch die Bildauswahl.“

Weicker ist Regisseur der Liveshows von „Deutschland sucht den Superstar“. Mit 80 Kollegen sorgt er jeden Samstag dafür, dass die Show aus dem Coloneum, einer Halle für Fernsehproduktionen in Köln-Ossendorf, abends auf Sendung geht. Weicker bestimmt, aus welcher Kameraperspektive das Fernsehpublikum Auftritte, Jurybewertung und Publikumsjubel miterleben soll. Er sagt: „Den Zuschauern bleiben vor allem Bilder in Erinnerung, die mit Menschen zu tun haben.“ Zwölf Kameras sind bei „DSDS“ im Einsatz, nur beim Fußball arbeitet das Fernsehen sonst mit so vielen Perspektiven.

Das Fernsehblog: Herr Weicker, wird die Show eigentlich besser, je mehr Kameras Sie haben?

Volker Weicker: Mit der Anzahl der Kameras hat das nichts zu tun. Ernst Lubitsch hat mal gesagt: ‚There are thousand ways to place a camera, but really only one.‘ Und da hat er ja auch Recht. Klar kann ich die Show auch mit zwei Kameras weniger machen. Und auch mit drei, vier oder fünf. Aber ob das die Leute zuhause erreicht, wage ich zu bezweifeln. Sie könnten Ihr Interview doch auch zuhause am Telefon führen und ich würde Ihnen einfach sagen, wie’s hier aussieht. Es ist aber nicht dasselbe.

Bild zu: Bei jeder Schnute mit dabei: Hinter den Kulissen von "DSDS"Haben Sie denn Vorgaben, in welchen Situationen welche Bilder zu sehen sein müssen?

Ich hab früher immer viel vorher festgelegt. Mittlerweile hat sich mein Meinung da geändert. Wenn ich mich nur auf das verlasse, was ich mir vorher auf den Zettel geschrieben habe, also auf das, von dem ich glaube, dass es passieren wird, wird es alle emotionalen Bilder, die einfach durch Zufall entstehen, nie geben – weil ja schon festgelegt ist, dass wir in diesem Moment vielleicht eine Halbtotale zeigen.

Diese Zufallsmomente gibt es in einer Liveshow wie „DSDS“ zuhauf: Wenn hinten in der Lounge ein Kandidat eine Schnute zieht, weil auf der Bühne ein Konkurrent gelobt wird. Wenn Bohlen besonders begeistert oder besonders genervt ist. Oder wenn alle Kandidaten aufstehen, um beim Auftritt eines Kollegen mitzuklatschen. Weicker bestimmt, wie die Zuschauer zuhause eine Situation wahrnehmen und bewerten, allein durch die Bildreihenfolge, die er festgelegt. Man könnte genauso gut sagen: er manipuliert.

Das Fernsehblog: Gibt es Perspektiven, die Sie hauptsächlich verwenden, weil sie vielleicht besonders stark sind?

Volker Weicker: Natürlich ist es eine tolle Möglichkeit, sich mit der Kamera zu bewegen und vielleicht aus einer Totalen ganz nah an einen Kandidaten heranzugehen – zumindest wenn man das im Einklang mit der Musik hinbekommt. Das größte Manko im deutschen Fernsehen ist meiner Meinung nach, dass anscheinend zu wenig zugehört wird: Sie sehen bei fast jeder Talkshow, wie ein Gast spricht und mitten in der Aussage in die Totale geschnitten wird. Damit bekommt der Zuschauer aber das Gefühl vermittelt: Das ist nicht mehr wichtig. Ich finde, man muss lernen, mit Bildern auch zu werten und Situationen durch die Bildauswahl eine Gewichtung zu geben.

Im Idealfall produziert diese Auswahl eine Show, die visuell beeindruckender ist als man das sonst vom Fernsehen kennt, wenn um Oliver Geißen auf dem Sofa herum immer dieselben Kulissen aufgebaut werden. Aber natürlich liegt es auch an Weickers „Gewichtung“, ob Skandale verstärkt werden, die RTL um seine Kandidaten und deren (angebliche) Zerstrittenheit rankt, einfach weil die Zuschauer ständig miterleben können, wie der eine auf den anderen reagiert.

Wer Lust hat, kann bei „DSDS“ großen Spaß haben, indem er einfach die Inszenierung genießt – und zwischendurch mal darauf achtet, welche Bilder in welchen Momenten gezeigt werden und warum wohl. Manchmal hilft das, um bei all der Aufregung, die die Show produziert, nicht zu vergessen, dass es am Ende doch bloß Fernsehen ist.

Mehr über die Kameras bei „DSDS“ steht am Freitag im Fernsehblog.

Foto V. Weicker: RTL


19 Lesermeinungen

  1. Smart sagt:

    na die klauergeschichten...
    na die klauergeschichten wurden mir langsam ein bisserl zu anstrengend. bin froh, dass es wieder neue themen gibt.
    arte brauch ich hier nicht unbedingt, denn sind wir mal ehrlich, wer schaut den sender schon? (höchstens der blog schreibt über programme, welche dort erst laufen werden, dann kann man gezielt einschalten)
    Mir geht es hier darum, darüber zu reden was die mehrheit sieht und die presse beschäftigt. dazu gehört nunmal dsds samt einer annemarie, welche polarisiert und hier höre ich das ganze mal aus sicht von herrn weicker. das finde ich gut, weiter so.

  2. schreibvieh sagt:

    Eine profunde Analyse eines...
    Eine profunde Analyse eines TV-Profis zu der oben geschilderten Unart deutscher Talkshows, ständig zu schneiden, zusammen mit völlig miesen Bildausschnitten (Zoom auf den Mund eines Sprechers, oder auf die Hände eines anderen Teilnehmers) – das würde mich auch interessieren. Nur aos als Anregung 🙂 Ich habe es nicht gezählt, würde aber vermuten, dass „Anne Will“ mehr Schnitte hat als ein duchschnittlicher Kinofilm aus den USA. Eine der wenigen Ausnahmen ist (auch hier) Plassberg, der sich sehr zurücknimmt mit den Schnitten und den Kamerafahrten.

  3. hewi sagt:

    Tolles Thema. Was da jeden...
    Tolles Thema. Was da jeden Samstag bei DSDS hinter den Kulissen geleistet wird, finde ich nach wie vor großartig. Wenn man mal von ein ganz paar Musikpreisverleihungen und evtl. „The X Factor“ in England absieht, habe ich bis heute noch keine Fernsehshow entdeckt, die derart professionell und modern produziert wird wie „DSDS“. Zumindest was den Studio-Teil der Sendung angeht (Die Einspieler in der Show finde ich jetzt nicht überdurchschnittlich gut gemacht). Weicker mit seiner Kameracrew, Wieder mit seiner Kulissen-Crew samt Lichtdesignern und den Designern dieser tollen Hintergrund-Graphikanimationen leisten da wirklich fabelhafte Arbeit, oft auch Pionierarbeit. Wenn mich nicht alles täuscht, war DSDS beispielsweise weltweit die erste Fernsehshow, in der diese tolle Spidercam eingesetzt wurde. Aber dazu lesen wir ja vermutlich morgen Näheres.

  4. Zitat von Hofnarr Florian:...
    Zitat von Hofnarr Florian: „….sorgt der Einsatz so vieler Kameras dafür, dass sich der Zuschauer als Voyeur fühlt!“.
    Kommentar von Darian: Ein besseres Kompliment hätten Sie Herrn Weicker nicht machen können.

  5. Paule sagt:

    @Smart "arte brauch ich hier...
    @Smart „arte brauch ich hier nicht unbedingt, denn sind wir mal ehrlich, wer schaut den sender schon?“
    … was auch kein Wunder ist, wenn im Wesentlichen für RTL Werbung gemacht wird. Dass keiner arte schaut, liegt eher nicht am Programm, sondern an der mangelnden Aufmerksamkeit. Und dann beschweren sich alle, dass ARD und ZDF ja so furchtbar privat daherkämen.
    Da kann man hier im Blog nachlesen, wie dummdreist „Mitten im Leben“ gestaltet ist, aber von Peer Schaders recht positiver Kritik zu Sarah Wieners Küchenkindern bei Spiegel Online kommt hier nichts an, dabei wäre eine Gegenüberstellung durchaus mal angebracht, um zu zeigen was auch möglich ist.
    Das erinnert mich an andere Kritiker bei Spiegel Online, die es sich bis vor kurzen nicht verkneifen konnten, wirklich jede Ausgabe von Will, Plasberg, Illner, Maischberger oder Beckmann zu verreißen, aber in der Folgewoche wieder brav zugesehen haben, um es abermals in Grund und Boden zu schreiben.
    Man hat den Eindruck, der Fernsehkritiker von heute übersieht das Gute gern gezielt oder klammert sich an den Dingen fest, die ohnehin beim Zuschauer verankert sind oder um Klischees zu fördern. Wo sind neue Perspektiven?
    Davon abgesehen ist der Superstar von vorn bis hinten exakt durchgeplant. Was bei mir aber spätestens an der Stelle verliert, wo man im Rahmen dessen mit Kai Diekmann ins Bett steigt. Denn das ist auch Ausdruck der Kalkulation.

  6. Christian sagt:

    > .. Das größte Manko im...
    > .. Das größte Manko im deutschen Fernsehen ist meiner Meinung nach, dass anscheinend zu wenig zugehört wird ..
    Wie wahr, wie wahr. Regisseure hören nicht und gucken zT noch nicht einmal hin, bestes Bsp Fußballübertragungen, die mir minutenlang jubelnde Stadionbesucher zeigen, aber nicht das Tor und seine Entstehungsgeschichte.
    Hr Weicker ist auch ganz schön mutig so etwas zu sagen.. Glaushaus. Steine etc. Mit all‘ seinen SkyCams und MultiScreens sollte er lernen, besser zuzuhören und zuzuschauen.

  7. Kevin H. sagt:

    Der Artikel ist falsch!
    Im...

    Der Artikel ist falsch!
    Im Zeitraum von 01:05 bis 01:24min. , ist eine Steadicam in der Einstellung und keine Spider Cam: Man erkennt das dadaurch das die Kameraeinstellung auf den boden bleibt und nicht so wie die SteadiCam „wegfliegt“.

  8. Kevin H. sagt:

    Von 00:17 bis 00:20 ist nur...
    Von 00:17 bis 00:20 ist nur kurz die Spidercam als einstellung,
    Von 00:23 bis 00:25 sowie von 00:48 bis 00:51 und eine hohe von 01:40 bis 01:42
    01:47 bis 01:51

  9. @ Kevin H., es ist keine...
    @ Kevin H., es ist keine Spidercam du Vollidiot. Es ist ein Kran. Und wen interessiert es wann welche Kamera im Einsatz ist?

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