Das Fernsehblog

"DSDS" auf der Bühne: Bloß nicht alle Lichter gleichzeitig anmachen!

Gut, es kann natürlich sein, dass man am Ende des Abends im Industriegebiet von Köln-Ossendorf steht und auch noch mit geschlossenen Augen die vielen Lichter sieht, die einem den Abend über das Sichtfeld bestrahlt haben.

Aber das geht ja wieder weg. Die Eindrücke vom Studiobesuch bei „DSDS“ bleiben ein Weilchen länger.

Erinnert sich noch jemand an die Popmart-Tour Mitte der 90er, bei der U2 so wahnsinnig waren, ein Monstrum von einer Bühne, bei der fast die gesamte Breite mit Videobildern bespielbar war, monatelang über die halbe Welt schleppen zu lassen? Florian Wieder macht sowas heute fürs Studio. Zumindest, wenn das Fernsehen sowas bei ihm in Auftrag gibt. Wieder ist Setdesigner und hat im vergangenen Jahr die „Wetten dass..?“-Kulissen sanft modernisieren dürfen. In Großbritannien designt er unter anderem „X-Factor“. Und in Deutschland eben „DSDS“. (Der Kollege Harald Staun hat Wieder vor anderthalb Jahren mal für die F.A.S. in seinem Büro besucht.)

Seit der ersten Staffel hat sich bei „DSDS“ so einiges getan. Die Bauten sind größer geworden, die Anordnung der Elemente ist genauer durchdacht, und jedes Jahr sieht die Bühne leicht verändert aus. Während der Staffel kümmert sich Wieders Münchner Agentur auch um die komplette Inszenierung auf den Leinwänden.


Foto: RTL

Das Fernsehblog: Herr Wieder, warum sagen Sie eigentlich nicht: Wir haben ’ne prima Kulisse, die müssen wir nicht jedes Jahr verändern? Wird bei „Wetten dass…?“ doch auch nicht ständig gemacht.

Florian Wieder: Die Kunst ist, das beizubehalten, was der Zuschauer kennt, aber die Bühne trotzdem konsequent weiterzuentwickeln. Bei „DSDS“ ist der Inszenierungsspielraum vielleicht größer als bei anderen Sendungen. Aber wir haben in diesem Jahr ja kein vollständig neues Set gemacht. Eine Kompletterneuerung gab es in der Staffel davor. Wesentliche Elemente haben wir jetzt wiederverwendet, zum Beispiel die Türme und die Grundanordnung, die sehr aufs Zentrum ausgerichtet ist, damit sich alles auf den Kandidaten fokussiert. Das Konzept, dass die komplette Bühnenarchitektur zu Inszenierungszwecken mit Filmen bespielt und gestaltet werden kann, haben wir auch beibehalten.

Zur Person


    Florian Wieder ist Setdesigner und entwirft die Kulissen für Fernsehshows und Konzerte, in Deutschland u.a. für „Wetten dass..?“ und „DSDS“ sowie die MTV Europe Music Awards.
    Foto: privat

Sie bauen diese Elemente quasi jedes Jahr neu zusammen?

Genau. Zum Beispiel die Laufschriften – auch wenn das weltweit inzwischen schon inflationär nachgeahmt wird. Nachdem das bei „DSDS“ zu sehen war, wollte das jeder für seine Show haben. Vielleicht ist es deswegen Zeit, das nächste Mal wieder was Neues auszuprobieren.

Die „DSDS“-Bühne ist aber keine klassische Sperrholzkulisse wie bei anderen Shows, sondern besteht ja fast nur noch aus LED-Flächen und Lichtpunkten.

Ja, als Grundgerüst haben wir so eine Art Stahlskelett, das mit Projektionsflächen ummantelt ist. Auf diese Flächen können wir für jeden Auftritt andere Bilder spielen. Das macht die Kulisse ungeheuer wandelbar. An der Architektur erkennen die Leute immer noch sofort: Das ist „DSDS“! Trotzdem lässt sich jeder Auftritt eines Kandidaten individuell gestalten. Und wenn man die LEDs ausschaltet, sind sie komplett schwarz, dann können wir – wie in der letzten Show – zum Beispiel einen Kussmund auf die Leinwand im Hintergrund oder den Bühnenboden spielen, der dann sozusagen im freien Raum schwebt. Das ist ganz ähnlich wie im Theater, wo man mit Schwarz als Medium arbeitet, nur eben medial erzeugt.


Screenshot: RTL

Blutet Ihnen da als Designer nicht das Herz? Bei „Wetten dass…?“ haben Sie Flächen mit Holzmaserungen verarbeitet, einen edlen schwarzen Fußboden eingebaut, ein plüschiges Sofa hingestellt – und bei „DSDS“ ist alles bloß Skelett?

Das ist einfach eine andere Herangehensweise. Das Umfeld, in dem bei „Wetten dass..?“ die Gespräche stattfinden, ist eben eher gemütlich gehalten, aber die Showacts und Wetten sind davon völlig losgelöst. Vieles von dem, was da passiert, ist die gleiche Technik, wie wir sie auch bei „DSDS“ verwenden.

Die Grundfarbe bei „DSDS“ ist (durch das Logo) ja blau. Blau steht im deutschen Fernsehen aber doch immer für Nüchternheit und Seriosität – die „Tagesschau“ ist blau. Wie passt das zusammen?

Blau ist bei „DSDS“ ja nur die Basis, die Farbe, die zu sehen ist, wenn die Sendung beginnt, die Jury urteilt oder wenn es Moderationen gibt. Die Auftritte sehen dann ganz anders aus: Da arbeiten wir mit völlig unterschiedlichen, auch warmen Farben, die zum Titel und der angedachten Inszenierung passen. Das ist ja das Gute am Set: Es ist enorm wandelbar.

Grenzen die vielen Effekte nicht schon an mediale Überforderung? Vor allem, wenn man im Studio sitzt, kriegt man ja einen Lichtschock.

Die Wahrnehmung im Studio ist natürlich noch mal eine andere, weil man als Zuschauer dort immer das Komplettbild sieht. Im Fernsehen wird ja nicht permanent die Bühne aus der Totalen gezeigt. Aber sehr viel mehr als jetzt kann und sollte man da auch nicht machen. Die Kunst liegt ja darin, nicht durchweg alle Lampen und LED-Flächen gleichzeitig zu nutzen und anzuschalten. „DSDS“ braucht wegen der Menge an Titeln, die inszeniert werden müssen, nur einen größeren Spielraum als andere Shows und diese Plattform haben wir geschaffen.


Screenshot: RTL

Woher nehmen Sie die Ideen für die Elemente, die nachher zu einer Bühne zusammengesetzt werden?

Ich schau mir viele Live-Konzerte an, weil es da viele Ähnlichkeiten zu unserem Geschäft gibt. Was Madonna auf ihrer letzten Tour gemacht hat, fand ich zum Beispiel spannend. Manchmal gibt es aber auch Anregungen aus der Architektur und der Kunst. Eigentlich muss man nur mit offenen Augen durch die Welt gehen. Gerade arbeiten wir an der Bühne für die MTV Europe Music Awards in Berlin Ende des Jahres. Da sind die Anforderungen natürlich andere als bei „DSDS“, die Bands müssen noch individueller präsentiert werden. Und ich hab die letzten Jahre soviel mit LEDs gearbeitet, dass ich inzwischen eher wieder Low-Tech spannend finde. Jetzt versuchen wir, mal wieder einen neuen Weg einzuschlagen.

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