Das Fernsehblog

Wir müssen mal übers Fernsehen reden – ein Treffen mit Markus Kavka

Neulich hatte Markus Kavka einen Termin bei der Arbeitsagentur. 9 Uhr oder so. Berlin-Mitte. Vor der Tür standen ein paar Nachfolgetermine mit ihren Kippen, Kavka stand da auch und ist gefragt worden: Markus Kavka, was machst du’n hier? Du bist doch bei MTV.

Kavka aber war nicht bei MTV, sondern in Mitte, um seiner Pflicht nachzuklommen, sich vorübergehend arbeitssuchend zu melden. „Na, das freut mich aber, dass ich Sie jetzt auch mal persönlich kennenlerne“, hat die Sachbearbeiterin ihm erzählt. Und eigentlich könnte man die kleine Anekdote sofort in Kavkas Videokolumne im Internet zeigen, um die’s hier später noch gehen soll. Es hätte halt bloß einer mit der Kamera dabei sein müssen.

Aber jetzt noch mal im Ernst: Markus Kavka war neulich tatsächlich bei der Arbeitsagentur. Im vergangenen Oktober hat sein Arbeitgeber, die MTV Networks Germany GmbH mit Sitz in 10245 Berlin, entschieden, dass Kavkas Sendung zu teuer ist, um sie weiter zu produzieren. Sie erinnern sich bestimmt: die „MTV News“, Neuigkeiten aus der Musikbranche, zerlegt in kurze Beiträge über Bands und Skandälchen, die von Kavka vor einer Pappkulisse im Studio ironisch anmoderiert wurden. Ein paar Minuten jeden Tag.

Und das war MTV zu teuer? Ach herrjeh.

„Wenn man ab einem gewissen Punkt merkt, dass deutlich weniger als 100.000 Leute zugucken, kann man sich an einer Hand abzählen, wie lange es dauert, bis jemand von oben kommt und sagt: Wir machen das nicht mehr“, sagt Kavka. Und außerdem: „Es gab für MTV gar keine anderen Möglichkeiten, Geld zu sparen, als die Eigenformate zu reduzieren.“

Er formuliert das so als sei das völlig klar. Und womöglich ist es das ja auch, wenn man sich langsam die Überzeugung abgewöhnt, das Fernsehen könne unmöglich so blöd sein, sich nach und nach selbst zu erledigen. Gerade das passiert aber derzeit. Zumindest hat MTV schon mal den Anfang gemacht. Nicht, weil dort kaum noch Musikvideos laufen und stattdessen Dokusoaps, die sich sehr günstig von der Muttergesellschaft aus den USA übernehmen lassen. Sondern weil es den Leuten, die heute bei MTV das Sagen haben, egal zu sein scheint.

Kann sein, dass Kavka zum Schluss ein bisschen zu lange in den Trümmern herum saß, die noch vom ehemaligen Musikfernsehen übrig geblieben sind, bei dem sich in den 90er Jahren all die jungen Leute ausprobieren konnten, die was mit Fernsehen machen wollten, aber bei den großen Sendern nicht gelassen wurden. Jetzt macht Kavka eben im Internet weiter: Seit zwei Monaten moderiert er für das Internetdings Myspace eine Videokolumne namens „Kavka vs. The Web“, eine etwas seltsame Mischung aus Interviews mit jungen Musikern und Albernheiten, die dem kleinen Team so einfallen, wenn es abends beim Bier zusammensitzt und sich fragt: Was machen wir diese Woche?

Besonders teuer ist das nicht. Aufgenommen wird „Kavka vs. The Web“ einfach in den Büros der Firma, die die Kolumne produziert. Und trotzdem kann man nur hoffen, dass es noch lange, lange, lange dauern wird, bis man bei Myspace ein funktionierendes Geschäftsmodell findet, weil dann wahrscheinlich wieder sehr schnell jemand auf die Abrufzahlen schaut und sagt: Wir machen das nicht mehr.

Bis es soweit ist, wird im Netz weiter ausprobiert, während das Musikfernsehen damit beschäftigt ist, alle Leute zu vergraulen, die es aufgebaut hat, und die sich danach anderswo im Fernsehen versucchen konnten. Oder eben ins Internet geflüchtet sind. (Fragen Sie doch mal Christian Ulmen.) Auch wenn das Problem wieder dasselbe ist, weil sich dort noch nichts richtig gegenfinanzieren lässt, erinnert Kavka beim Kaffeetrinken in der Sonne. Sowieso weiß der Mann ziemlich viel über Werbefinanzierung und Medienstrukturwandel und den ganzen Kram, der eigentlich bloß schlechte Laune macht. Er hat nur keine schlechte Laune. Kavka hat Terminstress.

Einmal die Woche moderiert er noch für MTV, nur jetzt eben nicht mehr festangestellt, ein Tag geht für „Kavka vs. The Web“ drauf, an dessen Humor man sich erst ein paar Folgen gewöhnen muss, bevor man ahnt, was daraus werden könnte. Am Wochenende legt er in Clubs als DJ auf. Schreibt einen Roman. Und hat, quasi nebenbei, eine neue Sendung vorbereitet, bei der sich jetzt zeigen muss, ob sie zu ihm passt. Und ob es nicht doch noch Möglichkeiten gibt, ein Fernsehen für junge Leute zu machen, bei dem am Ende mal kein Superstar gewählt werden muss.

„Kavka“ heißt das Magazin, das er am Dienstag erstmals im digitalen Infokanal des ZDF moderieren soll. Und weil sich „Gesprächsrunde“ so furchtbar anhört, nennen wir’s jetzt einfach: ein Treffen für Leute zwischen 25 und 40, bei dem über Themen gesprochen wird, die man sonst nur mit Freunden beim Bier bequatscht. Wer Lust hat, redet einfach mit: per Skype.

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„Arbeit ist das ganze Leben?“ lautet das Thema, als Gast ist Nora Tschirner da, und wenn es gut geht, gibt es vielleicht auch eine zweite und eine dritte Sendung, und danach vielleicht noch mehr. „Ich bin dem Gerede, dass sich junge Leute für nix mehr interessieren, ein bisschen überdrüssig“, sagt Kavka. „Das ist ja alles überhaupt gar nicht wahr. Es braucht nur ein Forum, bei dem die Leute das Gefühl haben, ihre Interessen auf Augenhöhe diskutieren zu können – und keine neue Sendung, in der man sich wieder mit den ewig gleichen Worthülsen der Politiker rumplagen muss.“

Dass er nicht der Typ ist, dem es reicht, die neuesten Britney-Spears-Eskapaden anzusagen, hat Kavka mit seinen Engagements gegen Rechts, zum Beispiel beim „Zeit“-Projekt stoerunsgmelder.de, bewiesen. Und eigentlich kann er von Glück reden, dass sein alter Arbeitgeber sparen musste. Immerhin hat das dazu geführt, dass er mit 41 endlich ausprobieren kann, ob es sich nicht doch besser anfühlt, ein Fernsehen zu machen, das seine Zuschauer wirklich etwas angeht.

„Ich war selbst überrascht, wie nahtlos sich dieser Schritt von den MTV News zum Infokanal vollzogen hat“, sagt er. Im vergangenen Jahr war er bei „Maybrit Illner“ zu Gast und schimpfte darüber, dass es für jüngere Zuschauer kaum Möglichkeiten gebe, Themen aus ihrer Lebenswelt im Fernsehen zu finden. Wenige Wochen später kam eine Einladung nach Mainz zur Programmklausur des ZDF, bei der er seine Kritik konkretisieren sollte. Vor der Intendanz, der Chefredaktion, den Redaktionsleitern. „Das fand ich erstmal reichlich absurd: da als kleiner MTV-Fuzzi vor den ZDF-Granden zu stehen und denen zu erklären, wie sie Fernsehen machen sollen.“

Es scheint dann aber nicht so schlecht gewesen zu sein, was er zu erzählen hatte, und deshalb darf er es jetzt selbst ausprobieren.

Vielleicht ist das Überraschendste daran, dass beim ZDF tatsächlich jemand entdeckt hat, wie die Beschränkungen, die sich das Privatfernsehen aus Spargründen selbst auferlegt, eine Chance für die Öffentlich-Rechtlichen sein können. Eine Chance nämlich, ein bisschen was von dem nachzuholen, was man dort jahrelang versäumt hat: ein Programm für Menschen, denen der „Landarzt“ am Arsch vorbei geht, und die nicht bloß Gebühren dafür zahlen wollen, dass ihre Kinder irgendwann mal „Pipi Langstrumpf“ im Kinderkanal sehen können.

„Das soll schon ehrlich und auf die zwölf sein“, sagt der Ex-MTV-Fuzzi über die neue Sendung. „Es ist schon mein Wunsch, dass man im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in einem relevanten Format zu einer relevanten Sendezeit mal sagen kann, was man möchte.“

Soll er nur! Auch wenn die neue Sendung im Spartenkanal ZDF.info trotz Sendetermin um 21 Uhr kaum messbare Quoten haben wird. Aber das kennt Kavka ja schon. Beim letzten Mal ist es immerhin acht Jahre gut gegangen.

Fotos: Myspace, ZDF

Nachtrag, 16.13 Uhr: Interessanter Hinweis von Myspace per Mail: „Kavka vs. The Web“ ist durch Sponsoring komplett finanziert, gleiches gilt für die Web-TV-Serien „Wir sind größer als groß“ und „They call us Candy Girls“.

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