Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Wir müssen mal übers Fernsehen reden – ein Treffen mit Markus Kavka

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Acht Jahre hat Markus Kavka die "MTV News" moderiert, im vergangenen Jahr ist die Sendung eingestellt worden, weil MTV sparen muss. Vielleicht war das ganz gut so: Jetzt probiert er in einer Videokolumne für Myspace aus, was im Netz alles möglich ist, und testet fürs ZDF, ob sich ein paar der jungen Zuschauer zurückholen lassen, die das Zweite Jahre lang vergrault hat.

Neulich hatte Markus Kavka einen Termin bei der Arbeitsagentur. 9 Uhr oder so. Berlin-Mitte. Vor der Tür standen ein paar Nachfolgetermine mit ihren Kippen, Kavka stand da auch und ist gefragt worden: Markus Kavka, was machst du’n hier? Du bist doch bei MTV.

Kavka aber war nicht bei MTV, sondern in Mitte, um seiner Pflicht nachzuklommen, sich vorübergehend arbeitssuchend zu melden. „Na, das freut mich aber, dass ich Sie jetzt auch mal persönlich kennenlerne“, hat die Sachbearbeiterin ihm erzählt. Und eigentlich könnte man die kleine Anekdote sofort in Kavkas Videokolumne im Internet zeigen, um die’s hier später noch gehen soll. Es hätte halt bloß einer mit der Kamera dabei sein müssen.

Aber jetzt noch mal im Ernst: Markus Kavka war neulich tatsächlich bei der Arbeitsagentur. Im vergangenen Oktober hat sein Arbeitgeber, die MTV Networks Germany GmbH mit Sitz in 10245 Berlin, entschieden, dass Kavkas Sendung zu teuer ist, um sie weiter zu produzieren. Sie erinnern sich bestimmt: die „MTV News“, Neuigkeiten aus der Musikbranche, zerlegt in kurze Beiträge über Bands und Skandälchen, die von Kavka vor einer Pappkulisse im Studio ironisch anmoderiert wurden. Ein paar Minuten jeden Tag.

Und das war MTV zu teuer? Ach herrjeh.

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„Wenn man ab einem gewissen Punkt merkt, dass deutlich weniger als 100.000 Leute zugucken, kann man sich an einer Hand abzählen, wie lange es dauert, bis jemand von oben kommt und sagt: Wir machen das nicht mehr“, sagt Kavka. Und außerdem: „Es gab für MTV gar keine anderen Möglichkeiten, Geld zu sparen, als die Eigenformate zu reduzieren.“

Er formuliert das so als sei das völlig klar. Und womöglich ist es das ja auch, wenn man sich langsam die Überzeugung abgewöhnt, das Fernsehen könne unmöglich so blöd sein, sich nach und nach selbst zu erledigen. Gerade das passiert aber derzeit. Zumindest hat MTV schon mal den Anfang gemacht. Nicht, weil dort kaum noch Musikvideos laufen und stattdessen Dokusoaps, die sich sehr günstig von der Muttergesellschaft aus den USA übernehmen lassen. Sondern weil es den Leuten, die heute bei MTV das Sagen haben, egal zu sein scheint.

Kann sein, dass Kavka zum Schluss ein bisschen zu lange in den Trümmern herum saß, die noch vom ehemaligen Musikfernsehen übrig geblieben sind, bei dem sich in den 90er Jahren all die jungen Leute ausprobieren konnten, die was mit Fernsehen machen wollten, aber bei den großen Sendern nicht gelassen wurden. Jetzt macht Kavka eben im Internet weiter: Seit zwei Monaten moderiert er für das Internetdings Myspace eine Videokolumne namens „Kavka vs. The Web“, eine etwas seltsame Mischung aus Interviews mit jungen Musikern und Albernheiten, die dem kleinen Team so einfallen, wenn es abends beim Bier zusammensitzt und sich fragt: Was machen wir diese Woche?

Besonders teuer ist das nicht. Aufgenommen wird „Kavka vs. The Web“ einfach in den Büros der Firma, die die Kolumne produziert. Und trotzdem kann man nur hoffen, dass es noch lange, lange, lange dauern wird, bis man bei Myspace ein funktionierendes Geschäftsmodell findet, weil dann wahrscheinlich wieder sehr schnell jemand auf die Abrufzahlen schaut und sagt: Wir machen das nicht mehr.

Bild zu: Wir müssen mal übers Fernsehen reden – ein Treffen mit Markus KavkaBis es soweit ist, wird im Netz weiter ausprobiert, während das Musikfernsehen damit beschäftigt ist, alle Leute zu vergraulen, die es aufgebaut hat, und die sich danach anderswo im Fernsehen versucchen konnten. Oder eben ins Internet geflüchtet sind. (Fragen Sie doch mal Christian Ulmen.) Auch wenn das Problem wieder dasselbe ist, weil sich dort noch nichts richtig gegenfinanzieren lässt, erinnert Kavka beim Kaffeetrinken in der Sonne. Sowieso weiß der Mann ziemlich viel über Werbefinanzierung und Medienstrukturwandel und den ganzen Kram, der eigentlich bloß schlechte Laune macht. Er hat nur keine schlechte Laune. Kavka hat Terminstress.

Einmal die Woche moderiert er noch für MTV, nur jetzt eben nicht mehr festangestellt, ein Tag geht für „Kavka vs. The Web“ drauf, an dessen Humor man sich erst ein paar Folgen gewöhnen muss, bevor man ahnt, was daraus werden könnte. Am Wochenende legt er in Clubs als DJ auf. Schreibt einen Roman. Und hat, quasi nebenbei, eine neue Sendung vorbereitet, bei der sich jetzt zeigen muss, ob sie zu ihm passt. Und ob es nicht doch noch Möglichkeiten gibt, ein Fernsehen für junge Leute zu machen, bei dem am Ende mal kein Superstar gewählt werden muss.

„Kavka“ heißt das Magazin, das er am Dienstag erstmals im digitalen Infokanal des ZDF moderieren soll. Und weil sich „Gesprächsrunde“ so furchtbar anhört, nennen wir’s jetzt einfach: ein Treffen für Leute zwischen 25 und 40, bei dem über Themen gesprochen wird, die man sonst nur mit Freunden beim Bier bequatscht. Wer Lust hat, redet einfach mit: per Skype.

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„Arbeit ist das ganze Leben?“ lautet das Thema, als Gast ist Nora Tschirner da, und wenn es gut geht, gibt es vielleicht auch eine zweite und eine dritte Sendung, und danach vielleicht noch mehr. „Ich bin dem Gerede, dass sich junge Leute für nix mehr interessieren, ein bisschen überdrüssig“, sagt Kavka. „Das ist ja alles überhaupt gar nicht wahr. Es braucht nur ein Forum, bei dem die Leute das Gefühl haben, ihre Interessen auf Augenhöhe diskutieren zu können – und keine neue Sendung, in der man sich wieder mit den ewig gleichen Worthülsen der Politiker rumplagen muss.“

Dass er nicht der Typ ist, dem es reicht, die neuesten Britney-Spears-Eskapaden anzusagen, hat Kavka mit seinen Engagements gegen Rechts, zum Beispiel beim „Zeit“-Projekt stoerunsgmelder.de, bewiesen. Und eigentlich kann er von Glück reden, dass sein alter Arbeitgeber sparen musste. Immerhin hat das dazu geführt, dass er mit 41 endlich ausprobieren kann, ob es sich nicht doch besser anfühlt, ein Fernsehen zu machen, das seine Zuschauer wirklich etwas angeht.

Bild zu: Wir müssen mal übers Fernsehen reden – ein Treffen mit Markus Kavka„Ich war selbst überrascht, wie nahtlos sich dieser Schritt von den MTV News zum Infokanal vollzogen hat“, sagt er. Im vergangenen Jahr war er bei „Maybrit Illner“ zu Gast und schimpfte darüber, dass es für jüngere Zuschauer kaum Möglichkeiten gebe, Themen aus ihrer Lebenswelt im Fernsehen zu finden. Wenige Wochen später kam eine Einladung nach Mainz zur Programmklausur des ZDF, bei der er seine Kritik konkretisieren sollte. Vor der Intendanz, der Chefredaktion, den Redaktionsleitern. „Das fand ich erstmal reichlich absurd: da als kleiner MTV-Fuzzi vor den ZDF-Granden zu stehen und denen zu erklären, wie sie Fernsehen machen sollen.“

Es scheint dann aber nicht so schlecht gewesen zu sein, was er zu erzählen hatte, und deshalb darf er es jetzt selbst ausprobieren.

Vielleicht ist das Überraschendste daran, dass beim ZDF tatsächlich jemand entdeckt hat, wie die Beschränkungen, die sich das Privatfernsehen aus Spargründen selbst auferlegt, eine Chance für die Öffentlich-Rechtlichen sein können. Eine Chance nämlich, ein bisschen was von dem nachzuholen, was man dort jahrelang versäumt hat: ein Programm für Menschen, denen der „Landarzt“ am Arsch vorbei geht, und die nicht bloß Gebühren dafür zahlen wollen, dass ihre Kinder irgendwann mal „Pipi Langstrumpf“ im Kinderkanal sehen können.

„Das soll schon ehrlich und auf die zwölf sein“, sagt der Ex-MTV-Fuzzi über die neue Sendung. „Es ist schon mein Wunsch, dass man im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in einem relevanten Format zu einer relevanten Sendezeit mal sagen kann, was man möchte.“

Soll er nur! Auch wenn die neue Sendung im Spartenkanal ZDF.info trotz Sendetermin um 21 Uhr kaum messbare Quoten haben wird. Aber das kennt Kavka ja schon. Beim letzten Mal ist es immerhin acht Jahre gut gegangen.

Fotos: Myspace, ZDF

Nachtrag, 16.13 Uhr: Interessanter Hinweis von Myspace per Mail: „Kavka vs. The Web“ ist durch Sponsoring komplett finanziert, gleiches gilt für die Web-TV-Serien „Wir sind größer als groß“ und „They call us Candy Girls“.


25 Lesermeinungen

  1. Smart sagt:

    @ ahhh christian, das hatte...
    @ ahhh christian, das hatte ich auch beim durchzappen gesehen…. ah schnell weiterschalten 🙂
    @ robert, von zattoo hatte ich schon mal von gelesen nur nie ausprobiert. danke für den hinweis.
    @ peer, auch dir danke für den hinweis. livestream kann ich aber nicht gucken, wie paule schon sagte, dienstag ist houseday. mmmhhh oder ich programmiere meinen dvd-recorder… *schaunwermal*

  2. pschader sagt:

    @Smart: Du hast einen...
    @Smart: Du hast einen Festplattenrekorder und bist bloß zu faul den zu programmieren??? Argh, es geht wirklich zu Ende mit uns…

  3. Smart sagt:

    ich schau sehr viel über...
    ich schau sehr viel über meinen recorder und das meistens live zeitversetzt um die werbung überspringen zu können. aber es geht eher um den punkt, ob ich bereit bin mein gehirn heute abend mit einer diskussion über wichtige dinge des lebens / der gesellschaft zu beschäftigen oder lasse ich mich von house einfach unterhalten. ^^

  4. pschader sagt:

    @Smart: Tja, dann......
    @Smart: Tja, dann…

  5. Robinhosa sagt:

    Danke für den...
    Danke für den Programmhinweis, Kavka hielt ich schon immer für den mit Abstand interessantesten und besten Moderator im Musikfernsehen (als ich das noch gekuckt habe und entsprechend beurteilen konnte, nehme nicht an, dass sich das geändert hat). Sollte ich morgen Abend zu Hause sein, werde ich mir das im ZDF-Infokanal mal geben, House schaut man am Besten im Original über Streams im Internet, dann kann man auf die deutschen Folgen getrost verzichten. 😉

  6. Was ein Glück, dass derart...
    Was ein Glück, dass derart Pickel-TV selbst zu meinen Pickelzeiten an mir vorbeizog. Kein Kind der MTV-Generation, kein Zögling des Viva-Zeitalters, kein Opfer der Jamba-Sparabos. Ich hab schon als 15-jähriger lieber WDR 2 „Unterhaltung à la carte“ zum Einschlafen gehört… okay, Handys gabs damals nur mit 2 Stunden Standby, 3 Kilo schwer für Unsummen im alten, inzwischen eingestellten aber einwandfreien C-Netz. Und mein Computer war ein VC20 mit Datasette, Load *,*,8,1 oder so ähnlich… herrliche Zeiten… damals… aber früher war ja alles besser – auch die Zukunft.

  7. nona sagt:

    Ja, der Kavka. Kann mich noch...
    Ja, der Kavka. Kann mich noch halbwegs entsinnen, wie er seinerzeit nach langen Jahren beim (Metal) Hammer zu MTV entfleuchte und mir ein genuscheltes und nicht wirklich ernst gemeintes „Verräter…“ durch die Gedanken ging. Und im Vergleich zu heute war MTV damals ja sogar noch fast ein bisschen erträglich. Dass er jetzt zum ZDF geht, „nur“ Infokanal hin oder her, finde ich richtig gut, das passt in die Vita. Und als junggebliebener älterer Herr (mal ehrlich, mit 41 bist du nicht mehr jugendlich) könnte er bei diesem latenten Rentnersender durchaus was reissen. Auf Myspace muss ich ihn nicht wirklich „frienden“, aber das im ZDF… ich glaube, das sehe ich mir mal an.

  8. Die Kolume bei mypsace ist...
    Die Kolume bei mypsace ist typisch Kafka. Wunderbar trocken. Hätte aber nicht gedacht, dass er schon 41 ist.
    MTV kann man sowieso nicht mehr gucken, da ist er im Internet besser aufgehoben.

  9. Christian sagt:

    Hallo Zusammen.

    Hier gibts...
    Hallo Zusammen.
    Hier gibts ebenfalls weitere Infos zu Kavka:
    https://bonz.ch/blog/?cat=7
    Wow, vom MTV zur FAZ.. dass nenn ich n Aufstieg für Kavka.
    Liebe Grüsse aus der Schweiz

  10. Smart sagt:

    wenn jemand extra eine tv...
    wenn jemand extra eine tv sendung fürs internet produziert und keine feste sendung im fernsehen hat, dann ist das für mich eigentlich ein armutszeugniss (siehe frau heidenreich) bzw. ich habe mitleid, dass herr kavka nicht ins richtige fernsehen kommt. TV im internet ist immer lowbudget und man findet wenig gut gemachte sendungen (z.B. selbst bei spiegel online videos, die sind zwar nett anzuschaun, sind aber alleine vom sprecher her selten so gut wie etwas was fürs fernsehen produziert wird).
    herrn kavka im zdf find ich gut, zu rtl wprde er auch nicht passen. vielleicht schafft das zdf damit etwas für jüngere menschen was auch noch ein bisserl niveau hat.

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