Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Eine Woche "Eine für alle": Positivdenken mit der ARD

| 10 Lesermeinungen

In der neuen ARD-Vorabendserie "Eine für alle – Frauen können's besser" will ein fieser Finanzinvestor ein mittelständisches Unternehmen abwickeln, um die Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern. Das passt toll in die Zeit, findet ARD-Programmchef Volker Herres. Nur die Zuschauer haben's anscheinend noch nicht verstanden.

So. Jetzt hab ich mir also pflichtbewusst die ersten sechs Folgen der neuen ARD-Serie „Eine für alle – Frauen können’s besser“ angesehen, und damit war der Sonntagabend dann auch schön im Eimer. Aber man muss ja ehrlich sein: Wahrscheinlich hätte es schlimmer kommen können. Jetzt hat die ARD halt noch eine Serie, die so aussieht wie die Dokusoaps, die davor laufen. Gäbe es den Vorspann nicht, könnte man zumindest den Eindruck haben, „Marienhof“ sei einfach um 20 Minuten und einen pseudo-realistischen Handlungsstrang aus der Wirtschaftswelt verlängert worden.

Dabei ist die ARD doch so stolz auf ihre Serie, in der ein Finanzinvestor ein baden-württembergisches Traditionsunternehmen übernimmt, um es abzuwickeln und die Arbeitsplätze nach Fernost zu verlagern. (Wie man das von diesen Heuschrecken eben gewöhnt ist: Pro Sieben Sat.1 wird ja auch längst aus China gesteuert, wenn Sie Ihren Wagen zu A.T.U. bringen, wird der zur Reparatur ohne dass Sie’s merken nach Indien geschickt, und die Mitarbeiter der Kabel-Deutschland-Hotline müssen irgendwo am anderen Ende der Welt sitzen, so teuer und so umständlich wie das ist, wenn Sie dort ein Problem mit Ihrem Kabelanschluss melden wollen. Private-Equity-Unternehmen eben.)

Bild zu: Eine Woche "Eine für alle": Positivdenken mit der ARD
Foto: ARD

Jedenfalls findet ARD-Programmchef Volker Herres, dass das eine tolle Leistung war, so eine Serie zu beauftragen, bevor irgendwer was von einer Wirtschaftskrise ahnen konnte: „Wenn Sie so wollen, hat die Aktualität die Fiktion eingeholt. Das macht es für Zuschauer besonders spannend“, zitierte ihn der „Tagesspiegel“ diese Woche.

Ja, fantastisch. Was wünschen sich Zuschauer in einer Zeit, in der die Nachrichten überlaufen vor schlechten Meldungen, sehnlicher als noch mehr schlechte Meldungen in ihrem Unterhaltungsprogramm? Ist doch besonders spannend, wenn so eine neue Serie sich eine ganze Woche Zeit lässt, ihr Publikum Folge für Folge mitzureißen: Ein Unternehmer wird gezwungen, seine Firma zu verkaufen, die neuen Eigentümer planen eine „grundlegende Redimensionierung unter großzügiger Freisetzung von Humankapital“, die Mitarbeiter stehen vor der Entlassung, schöpfen aber neuen Mut, indem sie noch härter arbeiten, um die Firma zu erhalten, was sich nach sechs Folgen als hoffnungslos herausstellt. Zwei Desaster in der ersten Woche – Mensch, da kann man’s kaum abwarten, am Montag wieder einzuschalten.

Bild zu: Eine Woche "Eine für alle": Positivdenken mit der ARDEs ist natürlich der denkbar schlechteste Zeitpunkt für so eine Serie, mitten in der Krise noch mehr Krisenthemen zu produzieren, und deshalb eigentlich auch kein Wunder, dass die niedrigen Quoten in der ersten Woche selbst wieder Krisenmeldungen provozierten.

Immerhin: Etwas Gutes hat „Eine für alle“ dann doch. Für die Werbekampagne zum Sendestart hat die zuständige ARD Werbung die gebeutelte Werbeindustrie ordentlich subventioniert und ganze Städte mit Citylight-Postern zugeklebt bzw. Zeitungen und Magazine mit Anzeigen vollgeschaltet. Das-Erste-Marketingleiter Dietmar Pretzsch verriet der Fachzeitschrift „Horizont“ kürzlich:

„Die Kampagne für ‚Eine für alle‘ ist die größte, die wir jemals für Das Erste gemacht haben. Sie übertrifft von der Länge und vom Volumen her jede unserer ‚Sportschau‘-Kampagnen.“

Das Mediavolumen für die Kampagne liege „deutlich jenseits der 5 Millionen Euro“, zitiert „Horizont“ Pretzsch weiter. Und: „Wenn wir so ein großes Projekt auf die Schiene bringen, dürfen wir nicht an dieser Ecke anfangen zu sparen und jeden Euro zweimal umdrehen. Damit würden wir das ganze Projekt riskieren. Wir haben den unbedingten Willen zum Erfolg.“

Da sieht man’s mal: Beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen haben sie das Positivdenken noch nicht verlernt – also: außer im Programm natürlich.


10 Lesermeinungen

  1. Ben sagt:

    Und nebenbei noch 5 Mio. EUR...
    Und nebenbei noch 5 Mio. EUR mit einer Werbekampagne versenkt. Da kam die
    Meldung von möglichen Millionen-Verlusten dan Wirtschaftskrise erst recht. In
    Zukunft spart man sich hoffentlich solche Programme im ÖR-TV.

  2. Bevor K. Böhm nicht auch noch...
    Bevor K. Böhm nicht auch noch bei der unsäglichen Rampensau (er bezeichnet sich selbst so) Götz A. und der übertrieben naiv spielenden Christine W. in „Zimmerfrei“ noch die Werbetrommel für die Serie rühren durfte, wusste ich von der Existenz nichts. Dank Niggemeier und Schader, die sich die Themen jetzt vermutlich für Ihre Blogs teilen oder zur Füllung leerer Seite kopieren, hat die Serie jetzt kurzfristig einen Zuschauer mehr. Vielen Dank dafür….

  3. Paule sagt:

    "Was wünschen sich Zuschauer...
    „Was wünschen sich Zuschauer in einer Zeit, in der die Nachrichten überlaufen vor schlechten Meldungen, sehnlicher als noch mehr schlechte Meldungen in ihrem Unterhaltungsprogramm?“
    Natürlich nicht. Dann lieber primitv-naives Geschunkel mit Silbereisen, denn die richtige Welt ist ja schon schlimm genug.
    Es war nicht wirklich schlau, noch eine Seifenoper zu machen. Die Serie – bzw. das Quoten-Desaster – zeigt aber derzeit eines noch deutlich: Die Nachrichten im Zweiten werden deutlich häufiger gesehen. Der Zuschauer ist doch noch nicht ganz RTL-isiert, wo frühere Casting-Shows jetzt ganz offiziell Doku-Soaps sind. BTW Ist RTL aktuell jetzt auch eine Doku-Soap, wenn darin über die Superstar-Doku-Soap berichtet wird?
    Ach ja: Und man kann dem Ersten nicht vorwerfen, dass es Quotenjagd betreibe.

  4. tov sagt:

    "grundlegende...
    „grundlegende Redimensionierung unter großzügiger Freisetzung von Humankapital“ – Haha :). Schon toll wenn Drehbuchautoren mit Begriffen aus der Wirtschaftspresse um sich scmeißen, die sie nicht verstehen. Ein kurzer Blick in ein Wirtschaftswörterbuch, das den Begriff „Humankapital“ erklärt, hätte doch ausgereicht um sich wenigstens die größten Peinlichkeiten zu ersparen. Qualitätsfernsehen at its best.
    Achja, wenn ich im RSS-Feed (mit dem Google Reader) den Originalbeitrag hier sehen will, komm ich auf eine Login-Seite. Ist das beabsichtigt?

  5. PabloD sagt:

    Für das Herzchenkleeblatt...
    Für das Herzchenkleeblatt waren aber keine 5Mio€ notwendig, da reichte einfaches copy&paste.
    https://www.wolfgang-lippert.de/television/gifs/glueck1.jpg

  6. pschader sagt:

    @tov: Nee, natürlich nicht....
    @tov: Nee, natürlich nicht. Ich leit’s mal weiter. Danke.

  7. Uni sei dank habe ich um die...
    Uni sei dank habe ich um die Uhrzeit keine Zeit für Fernsehen.

  8. ajk sagt:

    Nicht zu vergessen das dies...
    Nicht zu vergessen das dies ziemlich Männerfeindlich und Männerherabwürdigend aufgebaut ist.
    Und das in einer Zeit wo jede Kraft benötigt wird, damit es weitergehen kann. Peinlich und Sexistisch.
    /ajk – perseus.foren-city.eu

  9. Iggy_Rock sagt:

    Männerfeindlichkeit und...
    Männerfeindlichkeit und Sexismus im Ersten
    Wozu soll ich als Mann eigentlich noch GEZ-Gebühren zahlen?
    Um mich mit Hilfe meines gezahlten Geldes vom „Ersten“ als (Zitate aus der Radiowerbung zur Sendung)
    „Versager“
    „lebendes Verkehrshindernis“
    „herumirrender Gockel“
    beleidigen zu lassen?
    Wie weit sind wir eigentlich in dieser Gesellschaft gekommen, dass völlig unverblümt und überall Männer ständig sexistisch beleidigt und diffamiert werden können?
    Die Verantwortlichen sollten sich mal überlegen, was wohl los wäre, würde man eine solche Sendung frauenfeindlich gestalten.
    Die FernsehmacherInnen müssen sich nicht wundern, dass „die Männer“ – von D-MAX – und Sport mal abgesehen, nicht mehr für Fernsehen zu begeistern sind und lieber Internetangebote nutzen.
    Der Erste ist – mit Verlaub- das Letzte.

  10. Paule sagt:

    "Wozu soll ich als Mann...
    „Wozu soll ich als Mann eigentlich noch GEZ-Gebühren zahlen?“
    Es ist schon erstaunlich, wovon sich manche einschüchtern lassen: Von Radio-Werbung für eine Seifenoper. Man könnte meinen, da wären iranische Präsidenten am Werk, die den Untergang unserer geschätzten Zivilisation im Sinne haben.
    Aber nein. Es geht um eine Seifenoper.
    Tipp: Gleichzeitig gibts im Zweiten hochwertige Nachrichten. Die regen vielleicht nicht so auf (auch wenn dort iranische Präsidenten den Untergang unserer geschätzten Zivilisation im Sinne haben).

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