Das Fernsehblog

Das Fernsehblog

Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Erde an ZDF: Die 90er Jahre sind vorbei!

| 35 Lesermeinungen

Der "Bergdoktor" ist schon im Programm, im Juli läuft die Fortsetzung zu "Kommissar Rex" – beim ZDF bedient man sich munter im Sat.1-Fundus für alte Serienideen. Und zeigt jetzt auch noch die "Wochenshow". Jedenfalls erinnerte die Premiere der "heute show", einer neuen "Nachrichtensatire" mit Oliver Welke, in vielerlei Hinsicht an die Sat.1-Version von vor zehn Jahren.

Wahrscheinlich würde das niemanden groß wundern, wenn das ZDF-Logo bald so aussähe:

Bild zu: Erde an ZDF: Die 90er Jahre sind vorbei!

Logos: ZDF / Sat.1 [M: Das Fernsehblog]

Aus irgendeinem unerfindlichen Grund bedient sich das Zweite schließlich seit einiger Zeit großzügig beim Privatfernsehen, anstatt sich die Mühe zu machen, eigene Ideen zu entwickeln. Vielleicht hat sich Programmchef Thomas Bellut (Sie wissen schon: der Mann, der erhebliche Unterschiede zwischen privatem und öffentlich-rechtlichem Fernsehen sieht) aber auch bloß gedacht: Wozu der ganze Aufwand, wenn bei Sat.1 doch noch so viele Serienideen rumliegen, die dort keiner mehr braucht, für die das Publikum aber inzwischen alt genug ist, um sie sich im ZDF noch mal anzusehen?

Im vergangenen Jahr zeigte das ZDF deshalb eine Neuverfilmung des „Bergdoktors“, der 1992 bis 1997 im Programm von Sat.1 herumdokterte, im Juli läuft die Fortsetzung zu „Kommissar Rex“ (1994 bis 2004 bei Sat.1) an, bei der man immerhin den Titel erheblich variiert hat, weshalb die Serie künftig nur noch „Rex“ heißt. Das geht jetzt immer so weiter.

Am Dienstagabend zum Beispiel war bei mir das ZDF eingeschaltet und ich dachte: Mensch, der Ingolf Lück ist aber auch dick geworden. Dabei war das gar nicht der Lück, der da in einer alte Sat.1-„Wochenshow“-Wiederholung moderierte, die Sendung war nicht mal alt (weil nämlich kein Wort über „Bundeskanzler Kohl“ oder „Bundeskanzler Schröder“ verloren wurde), es war nicht mal die „Wochenshow“, wie ich zu meinem Erstaunen feststellen musste. Sondern die „heute show“, das neueste Prestige-Projekt des ZDF . Ohne Ingolf Lück, dafür mit seinem Kumpel Oliver Welke und einer farbintensiveren Kulisse.

Aber der Rest war genauso wie vor zehn Jahren.

Bild zu: Erde an ZDF: Die 90er Jahre sind vorbei!
Fotos: Sat.1 / ZDF

Welke zeigte lustige Ausschnitte mit Politikern, nannte Wirtschaftsminister zu Guttenberg den „Gustav Gans der deutschen Politik“ und machte sich ein bisschen übers Tagesgeschehen lustig: Opel, SPD, Bundespräsidentenwahl, Jürgen Klinsmann, Opel. Statt Kurznachrichten mit „Danke, Anke“ Engelke gab es zwei okaye Trendbarometer-Parodien mit Martina Hill (von „switch reloaded“) als Demoskopin „Tina Hausten“ (eine Anspielung auf Bettina Schausten, Leiterin der Hauptredaktion Innenpolitik beim ZDF – nein, an die müssen Sie sich nicht erinnern).

Und irgendwer wird es für eine lustige Idee gehalten haben, nicht nur so zu tun als würden Korrespondenten aus fernen Orten (wie Rüsselsheim Bochum) zugeschaltet, sondern das nach dem Gespräch auch noch selbst als Fake zu entlarven und in der Studio-Totalen zu zeigen, dass sie bloß nebendran vor einer Greenscreen standen.

Bild zu: Erde an ZDF: Die 90er Jahre sind vorbei!
Screenshot: ZDF

Zwischendurch durfte Spiegel-Online-Satirist Martin Sonneborn einen lustig gemeinten Einspieler beisteuern, in dem er das machte, was er am besten kann: sich über Ossis lustig machen. Hm.

Und ich bin mir nicht ganz sicher, aber: Kamen die Lacher in der „heute show“ (wenigstens zum Teil) vom Band – so konzentriert und korrekt, wie die vermeintlichen Pointen mit kleinen Lachschüben aus dem Publikum gekrönt wurden?

Das Einzige, was die „heute show“ wirklich von der Sat.1-„Wochenshow“ unterschied, war der hohe Anspruch, mit dem das ZDF die neue Sendung vorstellte, als „monatliche Nachrichtensatire“, die nicht nur „witzig und bissig“ werden sollte, sondern auch „unterhaltsam und geistreich zugleich“, weil man schließlich „keinem Geringeren als Comedian Oliver Welke“ anvertraut habe, „hohle Politikerphrasen und dümmliche Wahlversprechen“ der Politiker zu „entlarven“. Das klingt fast aufklärerisch – wirkte aber in der ersten Ausgabe so hoffnungslos altmodisch, dass man sich am liebsten Urban Priol und „Neues aus der Anstalt“ von vorher zurückgewünscht hätte, wo schon dieselben Scherze über die „WUMS“-Europawahlplakate der Grünen gemacht wurden (nur eben früher). Und im „Entlarven“ sind definitiv die Kollegen von „Toll!“ bei „Frontal 21“ besser.

Das alles wäre aber gar nicht mal weiter schlimm, wenn das ZDF endlich öffentlich zugeben würde, was es eigentlich vorhat: so zu werden wie Sat.1 in den 90ern. Mit ein bisschen Glück kommt dann irgendwann auch Harald Schmidt.

Wiederholung der „heute show“ am Mittwochabend (heute) um 20.30 Uhr im ZDF.dokukanal und am Samstag um 23.50 Uhr bei 3sat.

Und falls Sie jetzt noch an einer zweiten Meinung interessiert sein sollten: Der Kollege Jörg Thomann hat die „heute show“ auch gesehen. Hier geht’s zum FAZ.NET-Text „Ein Schnaps aufs Grundgesetz“.


35 Lesermeinungen

  1. Paule sagt:

    Etwas nach einer Sendung...
    Etwas nach einer Sendung völlig zu verreißen, schafft auch nur das deutsche Volk. Für die Sender gilt: Wer sich bewegt, hat verloren. Potenzial ist nicht erwünscht, weil ja jeder nach 2 Minuten weiß, wie es ausgehen wird.
    RTL hat es da weniger schwer. Die erschaffen Skandale um Millionärs-Fragen und Child-Sharing und sichern sich mit ebenfalls „eingekauften“ Konzepten Zuschauer. Und keinen störts.
    Mal andersrum gesehen: Gemessen an Wochenshow und Freitag Nacht News hatte die Heute-Show (mit Luft nach oben) den größten aktuellen Poltikanteil. Man ist also auf dem richtigen Weg zum eigenen Profil.

  2. Name sagt:

    Irgendwie scheint Martin...
    Irgendwie scheint Martin Sonneborn nicht besonders gut in Mathe oder Geschichte zu sein, Brandenburg ist erst vor 19 Jahren (3.10.1990) dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beigetreten.

  3. pschader sagt:

    @Wolfgang: Danke. Ist...
    @Wolfgang: Danke. Ist geändert.
    @Julian: Jaaaaaaaaa, danke fürs Thema-erkennen!
    @Paule: Und wie verhält es sich damit, in jeder Kritik einen „Totalverriss“ zu erkennen? Finde auch, dass da noch Luft nach oben ist, und der Vergleich mit der „Wochenshow“ war auch gar nicht so negativ gemeint. Ätzend finde ich nur, wie das ZDF in seinen Pressemitteilungen mit Superlativen um sich wirft. Und: Selbst bei einem hohen Politikanteil müssen die Gags irgendwie zünden, oder?

  4. Wolfgang sagt:

    @Peer: Aber nur halbherzig...
    @Peer: Aber nur halbherzig geändert, oder soll jetzt Bochum ein Stadtteil von Rüsselsheim sein?

  5. pschader sagt:

    @Wolfgang: Ist's bei dir nicht...
    @Wolfgang: Ist’s bei dir nicht durchgestrichen? Bei mir funktioniert’s.

  6. Wolfgang sagt:

    @Peer: Seltsam, war anfangs...
    @Peer: Seltsam, war anfangs bei mir nicht ge-striked, jetzt ist es das – also kannst du die betreffenden Kommentare löschen.

  7. Paule sagt:

    @Peer "Ätzend finde ich nur,...
    @Peer „Ätzend finde ich nur, wie das ZDF in seinen Pressemitteilungen mit Superlativen um sich wirft. “
    Das muss man nicht gut finden, aber leider stellt sich heute mehr als je zuvor die Frage, wie man etwas verkauft, damit es wahrgenommen wird. Die Prahlereien in den PM sind wie alles in PM: Mit Vorsicht zu genießen. Das würde ich nicht überbewerten. Man muss Hunger machen.
    Da finde ich bedenklicher, wie der Kinder-Sharing-Skandal mitterweile seit Wochen am köcheln gehalten wird. Oder wie heute jeder berichtet, dass es einen Millionärs-Skandal gegeben hat. Wer die Quoten diesen Monat ein wenig in Auge hat sieht, dass es für RTL knapp werden könnte, Erster zu sein. Die Jauch-Specials können noch was reißen. Also gibt es zwei Tage vor Ausstrahlung noch einen wahnsinnigen, nie dagewesenen Skandal. Und am Montag können wir in RTL-PM lesen, wie gut RTL im Mai gewesen ist. Daher: Vorsicht mit PM. Die werden langsam wichtiger als das Programm.

  8. pschader sagt:

    @Paule: Und du würdest es...
    @Paule: Und du würdest es jetzt mal als selbstverständlich hinnehmen, dass sich das ZDF, das sonst soviel Wert darauf legt, sich von den Privaten abzugrenzen, diesen Prahlereien halt anschließt?

  9. Val sagt:

    @Julian
    Im Gegenteil: Feste...

    @Julian
    Im Gegenteil: Feste Rubriken machten Sendungen wie die Wochenshow oder auch die Freitag Nacht News zu den flachen Sendungen, die sie waren. Auch den Ruf „Mehr Chaos“ finde ich deplatziert: Wenn man sich ein wenig die Daily Show ansieht, dann sieht man, worin deren Witz besteht: Gnadenlose Fixierung aufs Tagesgeschehen und völlige Ernsthaftigkeit. Gerade die weit offen klaffende Inhalt-Bild-Schere macht einen großen Teil der Witzigkeit aus: Leute, die völlig absurde Sachen hochseriös rüberbringen.
    Leider fehlte der „heute show“ der Mut, auf klassische must-haves der deutschen Comedy zu verzichten. Nach dieser Premiere bin ich zumindest bereit, ihr dahingehend noch zwei, drei Chancen zu geben.

  10. Andy P sagt:

    Schade, bei der Überschrift...
    Schade, bei der Überschrift hatte ich mich erst gefreut und musste dann aber leider etwas feststellen, was mir in letzter Zeit schon häufiger aufgefallen ist: Ihr werdet selbstgefällig, Leute. Mich hat die Sendung auch nicht vom Hocker gehauen, aber trotz des berechtigten Wochenshow-Vergleich (gabs den eigentlich schon bei Harald Schmidt, oder habt ihr ihn da beseite gelassen, weils lustiger ist, auf Welke rumzuhauen?) fand ich diesen Text mit Verlaub unlustiger als die Sendung!

Kommentare sind deaktiviert.