Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Das große Klauen (5): Warum der Kinderquatsch den Formatschutz erledigte

| 10 Lesermeinungen

Mit einem Urteil aus dem Jahr 2003 hat der Bundesgerichtshof (BGH) Formatschutz für TV-Shows in Deutschland quasi unmöglich gemacht. Deshalb klagen so wenige Produktionsfirmen, wenn ihnen ein Konkurrent ein Format mopst: Die Aussichten, sich gerichtlich durchzusetzen, sind gering. Bloß: Was hat das alles mit Vera Int-Veen zu tun?

Wir müssen mal kurz einen kleinen Umweg machen: Als Vera Int-Veen im Herbst 2006 von RTL 2 zu RTL wechselte, war das aus ihrer Sicht bestimmt ein netter Karriereschub. Und für Martin Husmann, Geschäftsführer der Produktionsfirma Blue Eyes, ein ziemlicher Schreck.

Für RTL 2 hatte Int-Veen zuvor „Glück-Wunsch – Vera macht Träume wahr“ moderiert: eine Sendung, in der sie Menschen besucht, die Schicksalsschläge zu verkraften hatten und Hilfe bei einem Neuanfang benötigten. „Glück-Wunsch“ sorgte nicht nur dafür, dass sich das Genre mit dem etwas merkwürdigen Koppelnamen „Helptainment“ im deutschen Fernsehen etablierte, sondern auch dafür, dass Int-Veen nach zwei Staffeln als kompetent-einfühlsame Fernsehhelferin bekannt war.

Bild zu: Das große Klauen (5): Warum der Kinderquatsch den Formatschutz erledigteAlso machte sie nach ihrem Wechsel zu RTL dort dasselbe – eine Sendung mit dem Titel „Helfer mit Herz“, in der sie Menschen besucht, die Schicksalsschläge zu verkraften hatten und Hilfe bei einem Neuanfang benötigten. Nur wurde „Helfer mit Herz“ nicht mehr wie „Glück-Wunsch“ von Blue Eyes produziert, die die Sendung (nach eigener Auskunft) in Zusammenarbeit mit RTL 2 entwickelt hatten, sondern von Int-Veens eigener Firma time 2 talk, die zum Jahresende 2006 von MME übernommen wurde.

Das hat Blue Eyes nicht so gut gefallen, vor allem, weil man dort erst aus der Presse von „Helfer mit Herz“ erfuhr, obwohl es eine vertragliche Vereinbarung mit Int-Veen gegeben habe, dass sie nicht für andere vergleichbare Formate zur Verfügung stehen sollte und sowohl Blue Eyes als auch RTL 2 an einer dritten Staffel „Glück-Wunsch“ interessiert waren.*

Als „Helfer mit Herz“ dann tatsächlich im Fernsehen lief und in vielerlei Hinsicht an die RTL-2-Variante erinnerte, klagte Blue Eyes gegen Int-Veen, weil die sich das Know-How für ihre neue Sendung quasi durch die Moderation von „Glück-Wunsch“ erschlichen habe (ausführlicher stand das schon bei DWDL). Ungeheuerlich war das deshalb, weil klar war, dass es in einem Prozess auch um das Thema Formatklau gehen würde. Und genau dieses Thema ist in Deutschland seit dem Jahr 2003 so gut wie unmöglich vor Gericht zu verhandeln.

Grund dafür ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. Juni 2003 (pdf). Anlass war die Auseinandersetzung um das französische Format „L’école des fans“, das der SWR ohne Lizenzgrundlage als „Kinderquatsch mit Michael“ ins Fernsehen gebracht haben soll, obwohl es das Konzept vorher von einem Produzenten angeboten bekam, der sich die Rechte an dem Format gesichert hatte. Der BGH befand nicht nur, dass „L’école des fans“ aus „gemeinfreien Gestaltungselementen“ zusammengesetzt sei und deshalb nicht nach dem Urheberrecht schutzfähig sein könne, sondern auch, dass das generell für Fernsehshow-Konzepte gelte. Das also „das Format für eine Fernsehshowreihe, in dem die Konzeption für eine Unterhaltungssendung mit Studiopublikum ausgearbeitet ist (…) im allgemeinen nicht urheberrechtlich schutzfähig“ sei (Pressemitteilung von 2003).

Natürlich ist das Urteil ein bisschen komplizierter und an dieser Stelle sehr vereinfacht zusammengefasst. Wichtig ist aber vor allem, dass es einen Formatschutz, wie er in anderen Ländern üblich ist, in Deutschland unmöglich macht und deshalb in der Fernsehbranche als umstritten gilt.

Bloß: Was hat das mit Vera Int-Veen zu tun?

Ganz einfach: Seit 2003 können sich Beklagte, die sich wegen Formatklaus vor Gericht rechtfertigen müssen, auf genau dieses Urteil berufen. Damit sind die Aussichten für eine Produktionsfirma, sich gerichtlich gegen einen möglichen Klau durchzusetzen, sehr gering. Und genau deshalb hat es seitdem auch fast keiner versucht.

Vorsichtshalber beschränkte sich Blue Eyes bei der Klage gegen Int-Veen auf wettbewerbsrechtliche Argumente, die durch die vertragliche Vereinbarung beider Seiten belegt werden konnten – und zog die Klage letztlich doch zurück. Wer Husmann heute fragt, wieso eigentlich, der bekommt die Auskunft: Weil die Richter signalisierten, nicht über den Umweg des Wettbewerbsrechts einen Formatschutz für TV-Shows in Deutschland einführen zu wollen. Denn den hat der BGH ja bereits ausgeschlossen.

Von RTL, das von Int-Veens Wechsel profitiert, gibt es zu der Angelegenheit auf Nachfrage keine Stellungnahme.

Und wenn Sie jetzt glauben, dass das alles schon kompliziert genug klingt, warten Sie mal ab, bis wir geklärt haben, wie es zu dem BGH-Urteil gekommen ist. Morgen im Fernsehblog.

 

* Dass Blue Eyes selbst schon mal in Verdacht stand, sich für die Pro-Sieben-Show„Die Alm“ (2004) beim schwedischen Format „The Farm“ bedient zu haben, ist eine andere Geschichte.


10 Lesermeinungen

  1. Muriel sagt:

    Spannend, danke schön. Ich...
    Spannend, danke schön. Ich verstehe noch nicht, wieso diese Vertragliche Vereinbarung, sie würde nicht an ähnlichen Formaten mitarbeiten, nicht durchsetzbar gewesen sein soll. Das hat doch mit Formatschutz wenig zu tun, oder?

  2. Andreas Mohr sagt:

    Sehr geehrter Herr...
    Sehr geehrter Herr Schader,
    So ungerecht, wie Sie das darstellen, finde ich die Situation nicht. Wie bei so vielem gibt es auch hier zwei Seiten der Medaille.
    Das Urheberrecht schützt nur persönliche geistige Schöpfungen. Nicht dazu gehören bloße Ideen, wissenschaftliche Erkenntnisse, automatisch generierte Werke etc. Der Grund liegt auf der Hand: Das Urheberrecht erteilt dem Schöpfer des Werks ein Monopolrecht, hierzulande 70 Jahre post mortem auctoris. Das Kulturschaffen soll dadurch gefördert, nicht behindert werden. Belohnt wird der, der zum kulturellen Gemeinwohl beiträgt. Nicht in den Genuss umfangreicher Abwehrrechte soll indes derjenige kommen, der das nicht tut, z.B. indem er eine bloße Idee geschützt bekommt, und dadurch eine ganze Werksparte monopolisiert.
    Man mag das Ergebnis, zu dem die Rechtsprechung des BGH führt kritisieren, meines Erachtens wurde das Recht jedoch weitestgehend korrekt angewandt. Da der BGH oft ergebnisorientiert vorgeht, will ich das auch mal versuchen: Stellen Sie sich vor, Herr Jauch (Beispiel!) erlangte Urheberrechtsschutz für „Wer wird Millionär“, darüber hinaus aber auch auf das Sendeformat an sich, nämlich das Format „Quizshow“. Dann gäbe es zwar keine verdächtig ähnlichen Sendungen mehr, aber halt auch keine Quizshows allgemein. Dass dieser Schutz zu weit ginge, leuchtet hoffentlich ein.
    Der BGH verneint also den Urheberrechtsschutz eines Sendeformats und stellt ‚lediglich‘ die einzelne Sendung unter (urheberrechtlichen) Schutz.
    Weiterhin nicht schutzfähig sind Sprachen wie Esperanto, Stenographie, Geschäftsmethoden, Versformen oder ein Stil in der bildenden Kunst etc.
    Vielleicht verdeutlichen diese Beispiele, dass die Hürde höher gelegt werden muss, um den Sinn und Zweck des Urheberrechts nicht zu konterkarieren.
    Im konkreten Fall mag das Ergebnis zwar ungerecht erscheinen; ich halte es dennoch für folgerichtig.
    Eine Grenze muss schließlich gezogen werden, was auch bedeutet, dass bei widerstreitenden Interessen Kompromisse eingegangen werden müssen.
    Das Urheberrecht lässt sich zum Schutz des Formats also nicht heranziehen (halte ich selbst bei einer laienhaften Vorstellung vom Urheberrecht mehr als einleuchtend), was aber nicht heißt, dass es gar keinen Schutz geben kann. Unlauterer Wettbewerb, Vertragsverletzungen etc. lassen sich womöglich beanstanden, je nach Fall. Es entsteht kein rechtsfreier Raum 😉
    Freundliche Grüße,
    Andreas Mohr

  3. Anders sagt:

    Wer hier Ideenklau beklagt,...
    Wer hier Ideenklau beklagt, der hat das Urheberrecht nicht verstanden. Das Urheberrecht schützt das konkrete Werk nicht aber die dahinter stehende Idee.
    Dieser Ideenschutzgedanke fußt auf der völlig fehlgeleiteten Auffassung man bräuchte im Leben nur eine Idee und bekäme diese dann ein Leben lang vergoldet. Der Traum vom fast leistungslosen Einkommen.
    Damit die Erben dann noch was davon haben verlängert man dann den Monopolschutz noch bis auf den konkreten Zeitraum von Unendlich nimus einem Tag, wie es schon vorgeschlagen wurde, um Disney die Mickey Maus zu retten.
    Der Ideenschutzgedanke, auch geistiges Eigentum genannt, fusst ja nicht auf einem genialen Geist, der im hermetisch abgeriegelten Raum seine einzigartige Idee ersonnen hat, sondern ist tatsächlich bestimmt von den Ideen anderer und von diesen übernommen.
    Tatsächlich steckt hinter dem geistigen Eigentum sowas wie die Landnahme in Amerika. Jeder versucht schnell seinen Claim abzustecken und etwas zu seinem Eigentum zu erklären. Danach braucht man nur noch jemanden, der einem bestätigt, dass dieses Eigentum demjenigen auch zusteht. Das dort nicht die Leistung der Idee sondern die Frivolität der Aneigung belohnt wird, dürfte offensichtlich sein.
    Da viele Menschen den gleichen Einflüssen ausgesetzt sind und ebenso eine ähnlich Bildung haben, ist auch die Idee, die jemand hat nicht einzigartig sondern viele Menschen haben die selben Ideen zu selben Zeit, denn Ideen sind inspiriert und entstehen nicht sponatn aus dem Nichts.
    Anders

  4. pschader sagt:

    @Muriel:
    Genau: das hat mit...

    @Muriel:
    Genau: das hat mit dem Formatschutz erstmal wenig zu tun. Aber soweit ich das verstanden habe, hätten in der Beurteilung zumindest ähnliche Fragen eine Rolle spielen können. Da die Klage zurückgezogen wurde, werden wir nie erfahren, ob das erfolgreich gewesen wäre. Ich kenne auch den exakten Wortlaut des Vertrags nicht.
    @Andreas Mohr:
    „Ungerecht dargestellt“ finde ich das nicht. Gedulden Sie sich doch bitte bis morgen, dann wird’s noch etwas klarer. Ich will hier nur niemanden mit Riesen-Erkläraufsätzen erschlagen, deshalb immer schön der Reihe nach.

  5. Andreas Mohr sagt:

    Sehr geehrter Herr...
    Sehr geehrter Herr Schrader,
    Ich denke, sie haben mich falsch verstanden, oder ich mich falsch ausgedrückt. Ich meinte: „Sie halten das offensichtlich für ungerecht, so ungerecht ist es bei Berücksichtigung des Gesamten jedoch nicht“. Wobei, wahrschenlich hab ich das einfach nur holprig formuliert.
    Ich bin sehr auf die Fortsetzung gespannt.
    Dennoch, RTL2 sollte keinen Formatschutz erhalten. Dann wäre das Format in allen möglichen Variationen für andere gesperrt. Ähnlich Talkshows; zwar unterscheiden sie sich untereinander teils gravierend, basieren jedoch allesamt auf der selben Format-Idee. Diese kann unmöglich schutzwürdig sein. Erst wenn die Sendung ganz konkrete Gestalt angenommen hat, steht ihr das Urheberrecht zu. Solange muss man sich mit anderen Rechten behelfen. Aber mit dem Urheberrecht hat das alles hier meines Erachtens nichts mehr zu tun.

  6. SvenG sagt:

    Um ein Show-Format in § 2...
    Um ein Show-Format in § 2 UrhG reinzulesen, müsste man sich aber wirklich schon enorm verbiegen. Dass der BGH damals allerdings „einzelnen Sendungen“ auch die Schutzfähigkeit abgesprochen hat, erscheint aber diskussionswürdig, wenn man bedenkt, dass fertige Filmwerke definitiv urhebergeschützt sind – sowie fertige Serienfolgen, wie im Urteil ja erklärt wird.
    Oder haben die Richter mit der Deklaration, dass „einzelne Sendungen“ nicht schutzfähig seien, irgendwas anderes gemeint, als das, was sie dann auf Magnetband haben und ausstrahlen? Darauf wurde da ja leider nicht näher eingegangen.
    Sollte der Vertrag zwischen Int Veen und der Produktionsgesellschaft allerdings in der Tat etwas entsprechendes vereinbart haben, wäre ein nicht-einschlägiges Urheberrecht ggf. ohnehin überflüssig. Womöglich haben beide sich ja auch einfach so geeinigt – vielleicht kooperiert man ja mal wieder bei etwas.

  7. pschader sagt:

    @Andreas Mohr: Es geht nicht...
    @Andreas Mohr: Es geht nicht darum, Genres urheberrechtlich zu schützen, sondern z.B. speziell ausgearbeitete Variationen mit ganz bestimmten Abläufen und Regeln, die vorher erarbeitet wurden und schriftlich festgehalten wurden.

  8. Andreas Mohr sagt:

    Dabei handelt es sich aber...
    Dabei handelt es sich aber lediglich um Ideen und Konzepte, welche nicht in den Schutzbereich des Urheberrechtsgesetzes fallen. Meines Erachtens ist das auch gerechtfertigt, auch wenn es in Einzelfällen zu krummen Ergebnissen führt.

  9. pschader sagt:

    <p>@Andreas Mohr: Der nächste...
    @Andreas Mohr: Der nächste Teil ist online. Herr Fey kann’s besser erklären als ich.

  10. "Hart in aktie" läuft in...
    „Hart in aktie“ läuft in Holland schon in der 11. Season. vielleicht sollten mal die Kollegas von Pro7Sat.1/SBS klagen! 😉 https://www.sbs6.nl/web/show/id=218745/langid=43
    https://nl.wikipedia.org/wiki/Hart_in_aktie

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