Das Fernsehblog

Das Fernsehblog

Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Das große Klauen (8): Produktionsfirma sucht Bauern-Opfer

| 9 Lesermeinungen

Fremantle Media verklagt den Schweizer Privatsender 3+, weil der "Bauer sucht Frau" gemopst haben soll. Der behauptet: Wir haben unsere eigene Kuppelshow für Landwirte entwickelt! Ein spannender Fall, um zu erläutern, wann eine Produktionsfirma sich wirklich traut, gegen einen potentziellen Auftraggeber vor Gericht zu ziehen.

Mal sehen, was die Schweizer machen: Mitte März gab der zu RTL gehörende britische Produzent Fremantle Media bekannt, gegen den Schweizer Privatsender 3+ klagen zu wollen, weil dort die Sendung „Bauer, ledig, sucht“ ausgestrahlt wird (durchaus mit internationaler Resonanz u.a. in „Variety“ und im „Media Guardian“).

In der Sendung geht es, Sie ahnen’s vielleicht auch wenn Sie nicht regelmäßiger 3+-Zuschauer sind, um Landwirte, die mit Hilfe des Fernsehens eine Frau finden wollen. Wie in der RTL-Sendung „Bauer sucht Frau“. Und die basiert wiederum auf dem Format „The Farmer Wants a Wife“, dessen Lizenz Fremantle Media vergibt. Genau das hätte auch in der Schweiz passieren können: Laut Fremantle Media war man mit 3+ bereits in Verhandlungen über eine Adaption, im letzten Moment habe sich der Sender aber entschlossen, die Lizenz nicht zu kaufen und stattdessen die Eigenentwicklung „Bauer, ledig, sucht“ zu produzieren – ohne Lizenz. Im Sommer soll die dritte Staffel starten, derzeit werden Bewerberinnen gesucht, die sich für die neuen Bauern interessieren.

Und wenn man sich die Sendung mal genau ansieht, fallen schon so einige Ähnlichkeiten – zumindest zur deutschen Version – auf. „Bauer, ledig, sucht“ verlässt sich auf dasselbe Prinzip wie „Bauer sucht Frau“ und hat zum Teil sogar ähnlich-dämliche Off-Texte, in denen ein Sprecher (und nicht wie bei RTL die Moderatorin selbst) vom „liebenswerten Weinbauern“, dem „attraktiven Nachwuchsbauern“ und dem „zurückhaltenden Milchbauern“ raunt.

Auch der Vorspann kommt einem, bis auf die Schweizer Bergkulisse, bekannt vor:

Bild zu: Das große Klauen (8): Produktionsfirma sucht Bauern-Opfer
Screenshots: 3+

Dominik Kaiser, Ex-Chef von Viva Plus und jetzt Geschäftsführer von 3+, sieht das natürlich ein bisschen anders und erklärt auf Nachfrage:

Bild zu: Das große Klauen (8): Produktionsfirma sucht Bauern-Opfer„Grundsätzlich war die Schweizer Sendung ‚Bauer sucht Bäuerin‘ vor 25 Jahren die erste Bauernkuppelshow im Fernsehen. Die Idee ist also weder neu noch stammt sie von Fremantle. Wir knüpfen mit unserer Sendung an diese lange Schweizer Tradition an und hatten schon vor der Produktion sehr klare Vorstellungen wie die Sendung aufgebaut sein sollte. Um einen geeigneten Produzenten zu finden, schrieben wir einen Pitch zwischen drei Produktionsfirmen aus. UFA, eine Tochter von Fremantle, nahm daran teil, war aber nicht in der Lage, 3+ ein Angebot zu machen, das den gestellten inhaltlichen und produktionstechnischen Anforderungen entsprach. Deshalb ging der Auftrag dann an eine Schweizer Firma.“

Ob mit den „inhaltlichen und produktionstechnischen Anforderungen“ gemeint ist, dass die UFA-Produktion 3+ schlicht zu teuer gekommen wäre, verrät Kaiser natürlich nicht. Aber er hat ein paar Argumente, die vor Gericht nicht einfach so weggewischt werden können, wenn sie sich belegen lassen (zum Beispiel die Orientierung an einem ganz anderen Format). Schauen Sie doch einfach mal selbst, wie nah „Bauer, ledig, sucht“ der RTL-Version tatsächlich kommt. 3+ hat die Folgen freundlicherweise allesamt online gestellt, hier die aus Staffel 1. (Ein paar Schweizerdeutsch-Kenntnisse wären für den vollständigen Genuss sicher von Nutzen.)

Und vielleicht achten Sie beim Ansehen auch gleich mal auf die Eigenheiten, die „Bauer, ledig, sucht“ von „Bauer sucht Frau“ unterscheiden. Jedenfalls hatte ich mich danach bei Kaiser erkundigt, und der antwortete:

„Aus unserer Sicht ist der Einbezug der Schweizer Eigenheiten entscheidend für die guten Zuschauerzahlen. Auch ist zum Beispiel die vermittelte Stimmung in der Sendung bei uns eine ganz andere.“

Wie gesagt: Das könnte ein spannender Prozess werden. Vor allem, weil schon allein die Tatsache, dass Fremantle Media tatsächlich gerichtlich gegen einen Sender vorgehen will, nicht uninteressant ist. Eigentlich eignet sich der Fremantle Media vs. 3+ sogar perfekt dafür, mal zu erklären, wann Produktionsfirmen sich offen gegen einen möglichen Formatklau wehren anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, um potenzielle Auftraggeber nicht zu verärgern. 3+ ist ein kleiner Sender, der nicht zur RTL-Gruppe gehört, was eine Klage seitens Fremantle Media sonst schon mal sehr unwahrscheinlich gemacht hätte. Die Schweiz ist ein Markt, auf dem Fremantle Media sich nicht unbedingt viel kaputt machen kann. Und wenn 3+ der Produktionsfirma, die den Sender jetzt verklagt, künftig deswegen keine Lizenzen mehr abkauft, ließe sich das für Fremantle wohl auch verschmerzen. 3+ ist einfach kein besonders lukrativer Geschäftspartner für Fremantle. Und nicht-besonders-lukrative Geschäftspartner lassen sich leicht verklagen.

Senderchef Kaiser nimmt’s trotzdem gelassen: „Von den nun vorgebrachten völlig unbegründeten Anschuldigungen lassen wir uns nicht einschüchtern. Wir haben unser eigenes Bauern-Verkupplungsformat entwickelt“, sagt er. Und kündigt an, „Bauer, ledig, sucht“ ab sofort weltweit als eigene Formatlizenz anbieten zu wollen:

„Wir sind gerade dabei ein entsprechendes Angebot zu erstellen. Gerade bei kleineren Sendern ist Interesse vorhanden.“

Foto: 3+


9 Lesermeinungen

  1. Für mich war der eigentliche...
    Für mich war der eigentliche Vorläufer „Land & Liebe“ (NDR), moderiert von der inzwischen leider nur noch aufgesetzt dauerfröhlich und überdreht wirkenden Ina Müller. Warum haben die eigentlich RTL nicht verklagt? Oder haben die etwa?

  2. Paule sagt:

    Das mit 'Bauer sucht Bäuerin'...
    Das mit ‚Bauer sucht Bäuerin‘ ist jetzt natürlich so eine Sache. Könnte sich Fremantle das Format wirklich sichern lassen, wenn es vor 25 Jahren nachweislich woanders bereits gelaufen ist?
    Was wäre wenn 3+ behauptet, es hätte sich am schweizer Original orientiert und damit das Schweizer Fernsehen nachträglich zum Lizenzhändler macht, der weltweilt das gleiche Format wie Fremantle, nur eben preiswerter anbietet?
    Könnte das SF nicht gegen Fremantle klagen?
    Wie gefährlich wäre ein „Saisonschutz,“ der zwar verhindert, dass es zeitnahe Kopien gibt, aber dafür sorgt, dass nach Ablauf regelmäßig ein Wettstreit ausbricht, in dessen Verlauf es nur noch um das gegenseitige Wegkaufen von Lizenzen geht?
    Und warum stelle ich so viele Fragen?

  3. pschader sagt:

    @Paule: Sehr gute Frage, die...
    @Paule: Sehr gute Frage, die vorletzte.
    Auf die erste hätte ich evtl. eine Antwort: Es scheint in der Diskussion dieses Themas auch in den Blogkommentaren immer wieder ein Missverständnis zu geben: Dass schon für sehr einfache Ideen oder Sendungen Formatschutz beantragt werden könnte. das ist aber nicht so. Formatschutz funktioniert nur mit sehr genauen Festlegungen und Abgrenzungen. Da reicht es nicht zu sagen: Wir haben eine Kuppelshow für Landwirte entwickelt. Schutzfähig ist das Format nur, wenn es sehr genau ausdefiniert ist, mit zahlreichen zusätzlichen Angaben: Ablauf, Moderation, evtl. sogar Kameraeinstellungen. Selbst wenn die Schweizer so eine Sendung schon vor Jahren gemacht haben, heißt das nicht, dass ihnen das Monopol auf Kuppelshows für Landwirte zustünde. Im obigen Fall geht es einzig und allein um die Frage, ob sich 3+ bei der Entwicklung seiner Kuppelshow zu sehr bei den Elementen bedient hat, die „Bauer sucht Frau“ zu einem schutzfähigen Format machen.

  4. Anders sagt:

    Hallo Herr Schader,

    welche...
    Hallo Herr Schader,
    welche Elemente sollen es denn sein, die ein Format schutzfähig machen?
    Und welchen Schutz sollen denn Formate erhalten, die einfach eine Neukomposition von schon bekannten Elementen sind?
    Und wenn diese Neukompositionen schutzfähig sind, wo lag denn da die einzigartige geistige Leistung, die einen Schutz rechtfertigt?
    Grüße
    Anders

  5. Noch anders sagt:

    Ablauf, Moderation, evtl....
    Ablauf, Moderation, evtl. sogar Kameraeinstellungen – auch das finde ich problematisch. Denn es ist doch klar, dass sich die allgemeine Fernsehästhetik in den letzten 25 Jahren weiterentwickelt hat. Alleine schon weil sich die Sendung heutigen Rezeptionsgewohnheiten angepasst hat, sieht sie vielleicht der RTL-Version ähnlicher als der alten SF-Version. Aber dass zum Beispiel im Vorspann die Protagonisten eingeblendet werden, kann ja wohl kein schutzfähiges Merkmal sein.

  6. Stefan Wirth sagt:

    <p>Die Mutter aller...
    Die Mutter aller ländlichen Kuppelformate ist in der Tat „Land und Liebe“ mit Ina Müller. Die Sendung unterscheidet sich allerdings erheblich von „Bauer sucht Frau“. Es geht nämlich nicht um die Verar….. von mehr oder minder hilflosen oder doofen Bauern. RTL bleibt eben immer RTL, wer sich hier vor die Kamera begibt, der hat schon verloren!

  7. Paule sagt:

    In wie weit ist denn die...
    In wie weit ist denn die Geschichte mit Pilawa hier relevant?
    Er ist mit einer Idee zum WDR, der ihm den Produktionsauftrag auch gegeben hat. Dies sei aber 40.000 Euro teurer, als eine Produktion beim WDR.

  8. pschader sagt:

    <p>@Paule: (Du meinst...
    @Paule: (Du meinst wahrscheinlich das hier.) Ich glaube, das hat nicht direkt etwas mit der Angelegenheit zu tun, weil der WDR den Auftrag ja „freiwillig“ vergibt – aber es streift natürlich ein Teil des Problems: Viele Moderatoren erheben irgendwann den Anspruch, die von ihnen moderierten Sendungen selbst zu produzieren, und wenn sie sich vorher als Sendergesicht etabliert haben und der Sender nicht riskieren will, sie zu verlieren, wird ihnen das zugestanden und die bisherige Produktionsfirma, die das Format evtl. entwickelt hat, ist raus. Weil es ja keinen Formatschutz gibt, kann sie auch nicht klagen. Und der Sender lässt sich im Zweifel lieber „erpressen“ als einen neuen Star zu suchen. (Natürlich ist das nicht immer der Fall.)
    Pilawa macht das schon sehr geschickt, zumal es bestimmt kein Zufall ist, wie gerade Gerüchte gestreut werden, er könne zum ZDF gehen. Aber klar: sympathisch geht anders.

  9. Anders sagt:

    Eigentlich ist es wirklich...
    Eigentlich ist es wirklich Schade(r).
    Da wird ein wichtiges Thema mit 8 Folgen bedacht und schafft es trotzdem nur das Thema mit dem Tiefgang eines Schlauchbootes zu behandeln.
    Ein Lobbyist kommt zu Wort und darf groß und breit erklären, was man gerne hätte und wie schlimm es doch ist, dass das Urheberrecht tatsächlich sowas wie eine Schöpfungshöhe kennt. Das sagt man dann zwar nicht, weil es ja wichtig ist so zu tun als sei jedes ‚Format‘ automatisch ein großer Wurf.
    Das Kosten und Aufwand eben keine schützenswerten Elemente des Urheberrechts sind, mussten schon andere erfahren, die dachten, das teure und exklusive Layout und die Gestaltung ihrer Homepage sein urheberrechtlich Geschützt, bis ein Gericht anders entschied.
    Natürlich kann man jammern, dass das Urheberrecht es eben nicht her gibt Ideen zu schützen und dabei so tun, als ginge es um die Ausgestaltung. Es fragt sich nur, wer denn wirklich eine Show sehen wollen würde, bei der alle Protagonisten ständig von unten gefilmt werden, nur damit man irgendwie einen Formatschutz zimmern kann.
    Was den Firmen letztlich bleibt, um sich abzusichern, wird sicherheitshalber erst gar nicht genannt. Es gäbe nämlich die Möglichkeit sich vertraglich abzusichern.
    Das ist dann Verhandlungssache und es kann sein, dass Sendern genug Formate zu viel günstigeren Konditionen angeboten werden, weshalb sie auf solche Angebote nicht eingehen müssen.
    Das würde nur zeigen, wie wenig Know-How und Ideen man braucht um Formate zu erfinden und zu produzieren und wenn es jeder kann, dann ist es eben nichts besonderes mehr.
    Durch einen Formatschutz würde man dann letztlich nur erreichen, dass es immer weniger Notwendigkeit zu echter Innovation gibt. Das Fernsehen wäre dann nur noch uninspirierter als es heute ist.
    Der Weg zu einem besseren Fernsehen läuft meiner Ansicht nach auch nicht über einen Formatschutz, sondern über einen Wechsel der Programmverantwotlichen. Die brauchen mehr Mut zu neuem oder im Falle der Öffentlich-Rechtlichen, eine andere Struktur, die Entscheidungen auf kurzem Wege zulässt.
    Anders

Kommentare sind deaktiviert.