Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

ARD und ZDF beim Medienforum NRW: Wir glauben an uns!

| 32 Lesermeinungen

Mit ihren Thesen zur Zukunft des Fernsehens sind die Programmverantwortlichen bei ARD und ZDF mutiger als im Programm – so wie ZDF-Programmchef Thomas Bellut und WDR-Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff beim Medienforum NRW. Mit der Wahrnehmung des Publikums hat das aber nicht mehr viel zu tun.

Um das öffentlich-rechtliche Fernsehen zu begreifen, muss man vielleicht erst einmal seine Macher verstehen lernen. Das ist nicht immer so einfach. Beim Medienforum NRW in Köln aber gab es Anfang der Woche zumindest in Ansätzen Gelegenheit dazu. „Was immer alle überall sehen wollen“ lautete das Thema einer Runde, in der WDR-Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff und ZDF-Programmchef Thomas Bellut saßen, um mit Vox-Geschäftsführer Frank Hoffmann und Matthias Alberti, Co-Chef der German Free TV-Sparte von Pro Sieben Sat.1, zu besprechen, wie das Fernsehen „auch in Zukunft attraktiv“ bleiben kann.

Bild zu: ARD und ZDF beim Medienforum NRW: Wir glauben an uns!
Matthias Alberti, Frank Hoffmann, Moderatorin Leo Busch, Thomas Bellut, Verena Kulenkampff (v.l.n.r.)

Natürlich ging’s vor allem um die Konkurrenz durchs Internet, die für die Leute vom Fernsehen derzeit noch keine ist. „Die Angst vor dem Flop auf dem Schirm ist immer noch ausgeprägter als die Angst vor den Internetnutzern“, sagte Bellut – und wagte, unabhängig davon, einmal mehr die spannende These: „Die Zeit der Konvergenz zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern wird eher nachlassen.“

Das ist nicht uninteressant in einer Zeit, in der das ZDF seinem Publikum alte Sat.1-Formate als programmliche Neuerungen verkauft und Ex-„Explosiv“-Mann Markus Lanz da anknüpft, wo Johannes B. Kerner bald aufhören wird, weil er sich mit seiner ganzen Kernerhaftigkeit zu Sat.1 transferiert.

Noch spannender war allerdings, was Bellut auf die Kritik antwortete, die deutschen Sender würden sich permanent selbst bestehlen: „Wir sind doch alles große Abkupferer. Ich bin schamlos da. Abkupfern gehört dazu.“ Das kann man ehrlich nennen. Oder die Frage stellen, ob nicht das exakte Gegenteil Belluts höchstes Ziel sein müsste: Sendungen zu produzieren, mit denen sich das ZDF so sehr positiv von den Privaten unterscheidet, dass die Zuschauer ihre Gebühren künftig am liebsten ein Jahr im Voraus überweisen würden. (In Ausnahmen funktioniert das ja schon, wie bei „KDD“.)

Bild zu: ARD und ZDF beim Medienforum NRW: Wir glauben an uns!Belluts WDR-Kollegin Kulenkampff, die mal für den ARD-Vorabend verantwortlich war, den jetzt andere aufräumen dürfen, pflichtete bei: „Manchmal liegen bestimmte Themen eben in der Luft. Der Zeitgeist gibt vor, was die Zuschauer sehen wollen.“ Da stellt sich natürlich die Frage: Was bitte schön weiß denn die ARD neuerdings vom Zeitgeist? Das letzte Thema, das so in der Luft lag, floppt jedenfalls gerade gewaltig. Andererseits sitzt Kulenkampff mit großer Selbstüberzeugtheit alle paar Monate wieder auf Podien, um dort den Einfluss des Internets auf die Arbeit der Fernsehmacher kleinzureden. Sicher: Im Netz wird noch kein Geld verdient. Bei Kulenkampff klingt das aber immer so, als bestünde dazu auch niemals die Möglichkeit.

„Das Fernsehen ist immer noch das Leitmedium“, sagte sie in Köln, das Internet hingegen böte ja bloß „kleine Bilder“ und „Ausschnitte“. Ich habe das Gefühl, der WDR müsste sich mal ein paar von diesen Internetnutzern in den Sender einladen, damit die mit den Chefs mal durchs Web surfen – und Kulenkampff eventuell Seiten wie hulu.com zeigen.

Keine Frage: Professionell produzierte Inhalte funktionieren im Netz am besten, und derzeit kommen die eben immer noch mehrheitlich aus dem Fernsehen. Aber wer sagt, dass das so bleiben wird? Schon jetzt etabliert sich online eine neue, günstige Produktionsweise, mit der sich Inhalte herstellen lassen, für die sich das Fernsehen zu fein ist. Beim WDR scheint man sich gar nicht vorstellen zu können, dass man nicht immer riesige Studios mit fünf, sechs Kameras braucht, um die Menschen zu unterhalten.

Es geht gar nicht darum, dass das Internet das Fernsehen ablösen könnte – das ist womöglich wirklich Quatsch, wenn sich das Medium auf das besinnt, was es wirklich kann: große Liveshows, tolle Filme, spannende Serien. Aber schon jetzt ist doch zu sehen, wie die Ränder wegbrechen: Am Nachmittag ist das Fernsehen zum Teil unerträglich, nicht nur bei den Privaten. Programme werden immer günstiger produziert, die Inhalte sind zum Teil austauschbar. Das ist das Fatale an der Sichtweise, die bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, vor allem der ARD, so verbreitet ist: Dass sich das Fernsehen, mit dem sie sich so gut auskennen, niemals verändern wird. Dabei stecken wir schon mittendrin in dieser Veränderung.

Keiner erwartet, dass in Mainz oder München das Fernsehen neu erfunden wird. Aber viele Zuschauer haben sich längst abgewöhnt, vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk überhaupt noch etwas Besonderes zu erwarten. Für ein „Leitmedium“ ist das ganz schön arm.

Fotos: Medienforum NRW


32 Lesermeinungen

  1. Thomas Heck sagt:

    Im journalistischen Bereich...
    Im journalistischen Bereich halte ich die deutschen Fernsehprogramme in der Tat für sehr gut. Was den Unterhaltungsbereich betrifft, sind sie aber erbärmlich.
    Früher waren deutsche TV-Serien Exportschlager („Fahnder“, „Derrick“, „Detektivbüro Roth“, „Auf Achse“, „Diese Drombuschs“, „Wildbach“) und haben vor allem am Vorabend sehr gute Qualität geboten. Heute gibt es nur noch Seifenoper-Einheitsbrei mit austauschbaren Themen, Figuren und Dialogen. Volksverdummende Massenware, möglichst billig für den Einmalkonsum produziert. Einzige Ausnahme war in den vergangenen Jahren „Türkisch für Anfänger“. Hätte ich die Wahl, würde ich für die heutigen Fernsehserien der Öffentlich-Rechtlichen keinen Cent GEZ-Gebühren zahlen.

  2. Paule sagt:

    @Olaf: Wie beschrieb ich...
    @Olaf: Wie beschrieb ich weiter oben so schön: Probiert ein Sender mal was für seine Verhältnisse völlig Neues, wird von Zuschauerseite im Ausland nach einer Vorlage gesucht und die für besser befunden.
    Dabei ist KDD, wie Peer schon beschrieb, in der deutschen Serienlandschaft absolut herrausstechend und verdient daher jeden Erfolg, weil nur ein Erfolg bei Experimenten zu weiteren Experimenten führen kann. Sie ist The Shield teils ähnlich, aber durch den anderen Handlungsort selbsttragend.
    Ich bin mal aud Grafs „Im Angesicht des Verbrechens“ gespannt, welches evtl. Ende des Jahres, freitags 21:45 laufen soll. So wie ich die ARD einschätze, zögern die nicht, die Miniserie gegen KDD laufen zu lassen.

  3. Schmidt sagt:

    @ Peer... auch finde die...
    @ Peer… auch finde die Diskussion mal wieder sachlich und entspannt. Deshalb auch einer meiner seltenen Kommentare, der allerdings gleich mit einer Kritik beginnt:
    Lasst uns Vergleiche vermeiden, die den „KDD“ mit einer, ach so tollen, Ami-Produktion gleichsetzen. Das hat genrespezifisch sicherlich seine Berechtigung. Hier, also letztlich im Kontext des Medienforums und der vermeintlich kompetenten Statements, geht es doch um die alte Binse: Die Wächter und Hüter der alten medialen Verwaltungsdampfer haben auch ein Vierteljahrhundert nach Einführung des Privatfernsehens noch nicht geschnallt, wo ihre Legitimation liegt. Auch und gerade im Zusammenhang mit der Entwicklung des Online-Content.
    Die ÖR haben den Auftrag zur Grundversorgung mit Bildungsauftrag und allem Pipapo. Das wissen wir alle. Aber dieses Selbstverständnis hat sich niemals in deren Köpfen festgesetzt. Es ist eben NICHT die Aufgabe der ÖR, besser zu sein als die Privaten, sondern eben ein dem Rundfunkgesetz entsprechendes Programm zu liefern. Wenn ich, wie gerade heute in der Wiederholung auf EINSFestival, ein gutes, handwerklich sauberes Feature über die grün-schwarze Koalition in Hamburg sehe, dann muss es wurscht sein, ob es vielleicht nur 80.000 Menschen rezipieren. Genau deshalb werden die „Zwangsgebühren“ durch die GEZ erhaben – damit die, wirtschaftlich und politisch unabhängige, MÖGLICHKEIT zur Information besteht. Ich kann mir auch vorstellen, einen Errol Flynn-Film als cineastischen Klassikers (als Freiberufler, der die zeitliche Möglichkeit hat) nicht Nachts um 2, sondern um 20.15 zu schauen.
    Wenn es dann noch klappt, etablierte nachrrichtensendungen wie die tagesthemen in einem festen Slot zu installieren und Herr Buhrow soviel qua Selbstverständnis es nicht nötig hat, die ein oder andere Mark bei der Industrie reinzuhalen, ist doch alles im Lot.
    Danaben könnte man sich sehr entspannt erlauben, exquisite Formate zu produzieren (z. B. „Blind Date“, ZDF), die ihren Weg ins Netz finden.
    Hier muss meiner Ansicht nach ein grundsätzliches Umdenken stattfinden.

  4. pschader sagt:

    @Schmidt: Die Frage ist bloß:...
    @Schmidt: Die Frage ist bloß: Wie schaffen wir dieses Umdenken zu kommunizieren? Wie schafft man’s, ARD und ZDF zu vermitteln, dass es ok ist, wenn sie im Marktanteils-Ranking nicht ganz oben stehen, sofern sie Produktionen bieten können, die nicht *ausschließlich* konventionell sind (im Unterhaltungsbereich)?

  5. Sebastian sagt:

    @Schmidt: Ich denke, Olaf...
    @Schmidt: Ich denke, Olaf wollte beim The Shield-Vergleich nicht einmal zwingend darauf hinaus, dass dieses von der Qualität viel besser ist (wobei ich auch KDD mag), sondern darauf, dass ganze Handlungsstränge von dort übernommen wurden und man sich auch ansonsten unübersehbar daran orientiert hat. Das sarkastische „ach so toll“ kann man sich schenken. Gesehen hast Du es wohl nicht.

  6. ARD & ZDF sind die...
    ARD & ZDF sind die königshäuser der berichterstattung — diesen zb ein noch nirgendwo ausgestrahltes TV-format anzutragen, landet nicht etwa auf dem interessierten schreibtisch eines programmdirektors, sondern in der stereotypen zuschauerredaktion irgendeiner weitergeleiteten regionalanstalt.
    die hüter der macht pochen auf ihren monarchistischen status – dieser apparat ist eine uneinnehmbare bürokratische burg, er steht in einer reihe mit dem vatikan und anderen selbstabsolutionierten gefügen.. was soll man da schon erwarten?

  7. Nils sagt:

    @Schmidt @Peer
    Zunächst mal...

    @Schmidt @Peer
    Zunächst mal der Disclaimer: Ich find Fernsehen toll und bin im Großen und Ganzen auch mit dem Angebot der ÖR zufrieden (vor allem was Sparten- und Radioprogramme angeht), wenn es allerdings um Trash geht sind die Privaten besser als die ÖR-Kopien und wenn ich Qualität will bin ich mit DVDs sicher besser bedient.
    Nun zum eigentlichen Punkt: Sicherlich ist es nobel, von den Verantwortlichen von ARD und ZDF mehr Mut, Qualität, ein allgemeines Scheißen auf Quoten und Akzeptanz in der breiten Bevölkerung usw usf zu fordern, aber sind diese Forderungen fair? So wie ich das sehe ist das Problem dass ich Bellut & Co stellt doch eins der politischen Ökonomie: Ihr Job ist es zunächst mal, die Rundfunkgebühren, die ihre Jobs und die ihrer Mitarbeiter zahlen, zu rechtfertigen. Man stelle sich nur die Debatte, die bei der nächsten Gebührenerhöhung – die nächste Inflation kommt bestimmt – ja rituell ansteht, vor, wenn BILD, Privatsender und Roland Koch als zusätzliche Munition einen Erol-Flynn-Film um 20.15 haben, den leider nur Schmidt geguckt hat…
    Sicherlich wäre es wünschenswert, wenn die ÖRs gerade die dritten Programme verstärkt zur Formatentwicklung und „Publikumserziehung“ nutzen würden, aber zumindest was ARD und ZDF angeht kann man den Verantwortlichen denke ich in der Logik des gegenwärtigen Systems wenig Vorwürfe machen.

  8. pschader sagt:

    @Nils: Es geht (mir zumindest)...
    @Nils: Es geht (mir zumindest) aber gar nicht um abgehobenes Programm für Minderheiten rund um die Uhr. Mehr Wagnisse im Bereich Serie und Show wären ja schon hilfreich. Und da zähle ich eben nicht den „Bergdoktor“ dazu.

  9. Andi sagt:

    Sicher, "Der Bergdoktor" ist...
    Sicher, „Der Bergdoktor“ ist kein Wagnis, sondern eher eine groß angelegte Frechheit. Ich finde, „Wagnis“ ist auch ein blödes Wort, aber leider passend. Denn immer, wenn irgendein Sender in letzter Zeit mal krumme Wege ging, also abseits des Mainstream, wurden sie zumindest nicht mit guten Quoten belohnt. Das war bei „KDD“ so, das war bei „Türkisch für Anfänger“, „Stromberg“, „Doctor´s Diary“ oder „Doktor Martin“ so. Das sind sicher gute Serien und auch zurecht preisgekrönt. Interessiert die breite Masse nur nicht, wieviele Preise irgendein Format bekommen hat. Diana Amft („Doctor´s Diary“) und Manfred Zapatka („KDD“) haben erst neulich wieder einen Preis zugedacht bekommen, nämlich den aus Bayern. Aber deswegen wird RTL demnächst keinen Zuschauer mehr haben. Erinnert ein wenig an Ralph Siegel, der nach vielen eigenen Grand-Prix-Flops einmal sagte: „Das sind doch alles gute Lieder, warum hört das denn keiner?“ Nee, Moment, Siegel mit KDD und DD gleichzusetzen, war unpassend… 🙂
    Die Frage ist also mE, warum gutes Fernsehen häufig so stark vom Publikum ignoriert wird. Weil die zuviel YouTube gucken, oder alle „Doctor´s Diary“ bei RTLnow oder die ZDFMediathek so stark frequentiert wird? Ich glaub das nicht.

  10. Paule sagt:

    @ Peer: "Die Frage ist bloß:...
    @ Peer: „Die Frage ist bloß: Wie schaffen wir dieses Umdenken zu kommunizieren? “
    Das können wir derzeit nicht, bzw nicht erfolgreich. Aus zwei Gründen.
    1. zeigt der durchschnittliche Zuschauer jeden einzelnen Tag, woran ihm gelegen ist und eine wirklich sachliche Diskussion über den eigenen Konsum aber an der gelebten Gier nach Schwachsinn scheitert. -> Wie viele wollen wirklich Besseres und wird diese kleine Gruppe nicht schon versorgt?
    2. Das ör System ist derzeit nicht auf eine effektive Umsetzung ausgerichtet.
    Man hat nach dem Krieg völlig folgerichtig auf föderalistische Strukturen und Abgrenzung gesetzt. Das war nach der Vergangenheit und aufgrund des nicht vorhandenen Privatfernsehens richtig. Mittlerweile erreicht man mit einem Programm nicht mehr alle (Zersplitterung) und durch die stark verbreiterte duale Landschaft ist die Gefahr der polititschen Gleichschaltung auch nicht mehr gegeben. Schon gar nicht bei unabhängiger Kontrolle. Das Ausland macht es vor: Überall ÖR, die aus einem Haus heraus Aufgabenteilung betreiben. Nur nicht bei uns. Es gibt Aufgabenteilung, aber die ist nicht ergebnisbezogen und immer unabhängig voneinander – jeder nimmt sich etwas, aber keinen interessiert was liegen bleibt. Und es gibt keine umfassende Kontrolle, die über den eigenen Sendertellerrand hinaus schaut. Diese Einzelkämpfer konkurrieren nun und erschaffen Lücken, zB. bei Innovationen oder den Jüngeren.
    Jetzt nach mehr KDD zu rufen, verhallt zwischen 10tausenden Mitarbeitern und Hunderten Rundfunkräten, weil jeder andere verantworlich macht und keiner gezwungen werden kann. Und weil es so ist.
    Was wäre also notwendig? Dass man sich in den Köpfen mal einig wird, was wir von den Sender erwarten und ob man das nicht besser umsetzen kann. Schlüssel ist für mich eine zentrale, unabhängige Überwachung, die Aufgaben klar verteilt, Mängel feststellt und zu Besserungen zwingen kann.
    Das soll am Ende nicht 10x arte bedeuten. Seifenopern, Pilcher und Musikantenstadl gehören selbstverständlich dazu. Aber eben auch junges Fernsehen bei Tageslicht, Serien wie KDD und Deadwood, sinnvolle Abläufe und senderübergreifende Programmhinweise.

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