Das Fernsehblog

Medienforum-Mitbringsel: Von Kernkompetenzen und Psycho-Gameshows

Medienkongresse sind so eine Sache. Man kommt meist nicht nur mit einer Überdosis Koffein und dem guten Vorsatz, nie wieder hinzufahren, zurück (an den man sich dann doch nicht hält), sondern auch mit einem Haufen lustiger Kleinigkeiten, die schnell in Vergessenheit geraten. Es sei denn, man bloggt sie schnell irgendwohin.

Hierhin zum Beispiel. Also stürzen wir uns noch mal ins Medienforum NRW (dessen „Opener“ ich ziemlich gelungen finde, zumindest geht mir das Geklacker gar nicht mehr aus dem Kopf).

Da war unter anderem Matthias Alberti, der inzwischen so einen doofen offiziellen Titel hat (Geschäftsführer German Free TV Holding GmbH bei Pro Sieben Sat.1 Media), dass man ihm dringend einen knapperen erfinden müsste (hat jemand einen Vorschlag?). Alberti jedenfalls erwähnte eine lustige Bezeichnung für die Praxis seiner Sendergruppe, ein und denselben Beitrag über unzählige Sendeplätze zu verteilen bzw. permanent zu wiederholen. Nämlich:

„multi channel recycling“

Soviel Klarheit hätte ich von Pro Sieben Sat.1 gar nicht erwartet.

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Ein Blick ins (europäische) Ausland ist immer auch ein Blick in die Zukunft des deutschen Fernsehens. Weil vor allem in Großbritannien und den Niederlanden heute schon die Shows laufen, die Pro Sieben und RTL übernächstes Jahr ins Programm nehmen werden. Ein bisschen was davon ist immer auch beim Medienforum zu sehen. Persönlich fand ich ja die Psycho-Gameshow „Divided“ am interessantesten, bei der sich drei Kandidaten, die sich vorher nie gesehen haben, auf die Antwort einer Quizfrage einigen müssen, während gleichzeitig ein Countdown von 100 Sekunden rückwärts läuft, der den jeweiligen Gewinn abschmilzt. In der Endrunde wird der Gesamtgewinn vom Computer ganz fies ungerecht aufgeteilt: ein Kandidat kriegt vielleicht 15.000 Pfund, ein anderer 8000, der dritte nur 3000 – und das Spiel ist wieder dasselbe. Entweder einigen sich die Kandidaten möglichst schnell, wer welchen Betrag kriegt, oder am Schluss bleibt für keinen was übrig.

Wahrscheinlich hat RTL 2 da schon längst zugeschlagen.

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Auch schön: Formate, die sich selbst durch ihren Titel erklären. In Japan wird gerade auf „Cooking in a foreign language“ geschworen (das scheint so langweilig zu sein wie es sich anhört), RTL 5 in den Niederlanden probiert „Dating in the Dark“. Und „Celebrities on Welfare“ vergessen wir bitte schön ganz schnell wieder. Den lustigsten Titel hat „I know what you did last Friday“, für das ein Kandidat zuhause hypnotisiert wird, erst in der Show wieder zu Bewusstsein kommt und dann Geld dafür kriegt, dass er errät, was er – ohne sich zu erinnern – zwischendurch für Peinlichkeiten angestellt hat, die ihm vom Hypnotiseur eingeflüstert wurden. Wie gesagt: Der Titel ist lustig.

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In der Diskussion mit den Film- und Fernsehproduzenten, die stärker an den Erlösen der von ihnen produzierten Programme beteiligt werden wollen, was den Sendern nicht in den Kram passt, rutschte dem stellvertretenden WDR-Fernsehdirektor Helfried Spitra zwischendurch eine der Kernkompetenzen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Deutschland raus, für die die Produzenten eigentlich dankbar sein müssten:

„Wir sind im Bereich des Tierfilms führend.“

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Einen Tag davor hatte Jan Peter Lacher, Leiter der Strategischen Programmplanung bei RTL (hihi), im Produzenten-Workshop eine Tabelle mit den prozentualen Anteilen der unterschiedlichen Genres im RTL-Programm an die Wand geworfen. Hier noch mal zum Ausschneiden und Behalten:

Hätte ich vorher raten müssen, wäre ich gnadenlos gescheitert (vor allem wegen meiner Reality-Schätzung: 93 Prozent).

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Wenn wir gerade beim Neue-Titel-Erfinden sind: Horst Stipp ist Senior Vice President Strategic Insights and Innovation bei NBC Universal in New York und könnte auch gut einen gebrauchen. Bei seiner Keynote zur Quotenmessung in den USA räumte Stipp mit einem beliebten Vorurteil auf: dem, dass das Internet das Fernsehen ersetze. Oder wie’s Stipp nannte:

„Dieser Blödsinn.“

In den USA steige die Fernsehnutzung trotz Internet sogar bei jungen Zuschauern, weil die eben parallel surfen und zuschauen. Eine schöne Formulierung fürs Youtube-Gucken hatte er auch parat: „Video Snacking“.

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Und jetzt raten Sie mal, von welchem Herren das folgende Zitat stammt:

„The budget is not an issue for us.“

Jemandem von Google? Rupert Murdoch? Ach was: von Simon Sutton, President von HBO International, der am Dienstagabend dem neugierigen Kölner Medienmacherpublikum erzählte, „Was wir vom Ausland lernen können“. Oder eben in diesem Fall: vom Bezahlkanal HBO, dem wir unter anderem „Six Feet Under“ und die „Sopranos“ verdanken. Mehr zu Suttons Vortrag steht übrigens heute, am Donnerstag, auf der Medienseite der gedruckten F.A.Z. Irre, wie crossmedial wir hier sind, nicht wahr?

Alle Fotos: Medienforum NRW

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