Das Fernsehblog

Herr Bellut, wie ähnlich ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen den Privaten wirklich?

Man muss nicht unbedingt Kommunikationswissenschaft studiert haben, um was mit der Konvergenzthese anfangen zu können. Manchmal reicht es schon, den Fernseher einzuschalten – und dann gar nicht so genau zu wissen, auf welchem Sender man eigentlich gelandet ist, wenn gerade die Ordnungshüter im Einsatz sind oder junge Frauen in Telenovelas die Liebe ihres Lebens anschmachten. Konvergenz ist, wenn die Programme von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern sich annähern, weil sich alle am selben Publikumsgeschmack orientieren.

Konvergenz ist Quatsch, sagt ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut und ist der Meinung, dass sich private (bzw. wie er stets betont: „kommerzielle“) mit öffentlich-rechtlichen Programmen nur schwer vergleichen lassen.

Weil das hier im Fernsehblog jetzt schon öfter Thema war, haben wir einfach mal bei Bellut nachgefragt, wie er das meint. Rechtzeitig bevor das ZDF am Donnerstag neue Folgen der alten Sat.1-Serie „Kommissar Rex“ zeigt. (Aber das reicht jetzt auch mit den Sticheleien.)

 
Das Fernsehblog: Herr Bellut, beim Medienforum NRW haben Sie gesagt, dass die Annäherung zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Programmen eher nachlassen wird. Das heißt: Es hat sie Ihrer Auffassung zufolge aber schon gegeben?

Thomas Bellut: Natürlich, vor allem in den 90er Jahren ist es zu einer gewissen Konvergenz gekommen. Ich selbst habe ja auch gelegentlich versucht, Erfolge der Kommerziellen zu adaptieren, aber das ist Geschichte. Casting-Sendungen wie „Musical Showstar“ und „Die deutsche Stimme“ haben bei uns nicht in ausreichendem Maße funktioniert. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat andere Stärken: Die Dokumentationen am Sonntagabend um 19.30 Uhr gibt es beispielsweise in dieser Form bei den großen Privatsendern gar nicht. Auch im Fiction-Angebot unterscheiden wir uns maßgeblich.

In Köln saßen Sie mit Vox-Geschäftsführer Frank Hoffmann auf der Bühne, der angekündigt hat, ab Herbst am Samstagabend mehr Dokus programmieren zu wollen.

Das stimmt. Ich meine aber, dass sich das in diesem Aufwand und mit dieser Ernsthaftigkeit kein kommerzieller Sender leisten kann. Das ZDF ist international einer der wichtigsten Anbieter eigenproduzierter Dokus. Auch bei den Nachrichten gibt es klare Unterschiede. Unsere sind – wie bei der ARD – deutlich politischer, ich denke, das ist unbestritten. Und was die Unterhaltung angeht, ist es gerade so, dass etwa die deutsche Serie nur funktioniert, wenn sie auch ältere Zuschauer anspricht. Das werden die Privaten genauso wenig machen können, deshalb gibt es dort eine stärkere Hinwendung zu Doku-Entertainment.

    „Die ‚heute show‘ würde niemals bei RTL laufen, weil sie viel zu politisch für den Sender ist‘

Die Gerichtsvollzieher sind doch genauso oft im ZDF unterwegs, und der Autobahnpolizei statten Sie auch regelmäßig Besuche ab.

Es gibt das in gewissen Ausprägungen, ja. Und ich muss auch sagen, dass Formate wie „Rach der Restauranttester“ oder „Raus aus den Schulden“ von RTL sehr gut gemacht sind, die könnten sicher auch bei uns laufen. Aber Dokutainment wöchentlich zu machen, kann ich mir im Augenblick nicht vorstellen, weil unser Publikum da nicht im selben Maße einsteigt. Die Konzentration auf eine bestimmte Klientel wird für alle Sender immer zwingender werden, es geht darum, das Stammpublikum zu bedienen. Das schließt beim ZDF etwa bestimmte Humorformate aus, die die Kommerziellen machen. Andersherum würde die „heute show“ niemals bei RTL laufen, weil sie viel zu politisch ist. Bei uns passt das genau, und damit haben wir auch die Chance, jüngere Zuschauer zu gewinnen. Mit „Hausmeister Krause“ ginge das nicht. Ich habe durchaus akzeptiert, dass ich im ZDF nicht jedes Genre machen kann.

Und deshalb beleben Sie den „Bergdoktor“ und „Kommissar Rex“, die in den 90ern bei Sat.1 sehr erfolgreich waren, wieder?

„Kommissar Rex“ ist eine Koproduktion mit ORF und Rai, und für den Programmplatz deshalb deutlich günstiger als eine deutsche Serie. Sicher ist das eine alte Marke der Kommerziellen – aber es lag doch nahe, diesen Namen, den so viele Zuschauer noch kennen, neu zu beleben. Das dürfen Sie aber nicht als Prinzip nehmen. Es werden Ausnahmen bleiben.

Haben die deutschen Autoren zu wenig neue Ideen?

Es ist zumindest nicht so, dass ich vorher dutzende von originellen Ideen abgelehnt hätte.

    „Vergleichen Sie mal den Nachmittag von Sat.1 mit unserem: Da liegen Welten dazwischen“

Müssten Sie als Programmdirektor des ZDF nicht in der komfortablen Lage sein, zu sagen: Was die Privaten nicht schaffen, machen wir! Etwas, das dem Programm noch mal eine ganz andere Farbe gibt. Auch auf die Gefahr hin, dass es mal nicht klappt.

Ich glaube, wir machen da schon eine Menge – wie „Doktor Martin“ oder „Der letzte Zeuge“. Demnächst zeigen wir eine sechsteilige Serie von Doris Dörrie, die heiter und sehr direkt die Probleme von Damen im mittleren Alter erzählt. Solche Versuche wird es immer wieder geben. Es gibt aber auch Genres, die lassen sich nicht so einfach einem der beiden System zuordnen. Tägliche Serien zum Beispiel sind ja nicht per se öffentlich-rechtlich oder privat. Mit den Kochshows ist es nicht anders. Obwohl – zum Beispiel – beim Boulevard die Interpretation bei den Kommerziellen schon deutlich drastischer ist. Aber vergleichen Sie doch mal das Nachmittagsprogramm von Sat.1 mit unserem: Da liegen immer noch Welten dazwischen. Natürlich lassen wir uns alle international inspirieren. Es würde nur keiner mehr auf die Idee kommen, ein Format eins zu eins von den Privaten zu uns herüber zu heben.

Moderatoren, die den Sender wechseln, scheinen diese Unterschiede keine Probleme zu bereiten: Sie haben gerade Herrn Kerner an Sat.1 verloren, sich aber schon vor einiger Zeit Markus Lanz geholt, der bei RTL „Explosiv“ gemacht hat.

Markus Lanz wollte explizit etwas Neues machen – das war sein Wunsch. Sonst hätte es diesen Wechsel nicht gegeben. Die Moderatoren passen sich ja den neuen Strukturen an.

Wie kann sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen in der Unterhaltung am ehesten vom privaten abheben?

Es gibt bei den Kommerziellen durchaus die Bereitschaft und die Freiheit, hemmungsloser zu agieren. Das schließt sich für uns aus. „Mission Hollywood“ würde es im ZDF niemals geben. Ich will in der Unterhaltung anständig agieren – auch wenn die Bereitschaft, sich drastischer zu unterhalten, beim jüngeren Publikum klar erkennbar ist, vor allem durch das Internet. Diesen Weg kann ich nicht mitgehen. Also finden wir Alternativen: „Die logo!-Show“ am vorvergangenen Samstag hat zum Beispiel auch bei den Jüngeren gut funktioniert. Und wir werden den Bereich der Musiksendungen wieder stärker pflegen.

Wollen Sie im neu ausgerichteten Digitalsender ZDF.orange, der im November als Kanal fürs jüngere Publikum starten soll, mehr wagen als im Hauptprogramm?

Erst einmal wird der Sender nicht „Orange“ heißen. Wir haben zwei neue Namen zur Auswahl. Noch ist aber keine Entscheidung getroffen. Wenn es soweit ist, können wir zumindest eine Programmierung ausprobieren, die den Jüngeren entgegenkommt. Um 20.15 Uhr läuft „Terra X“. Die Primetime für die großen fiktionalen Programme liegt um 21 Uhr. Am Vorabend werden wir Infotainment ausprobieren. Und es wird eine kostengünstige Late-Night-Strecke mit einem Schwerpunkt auf Humor-Talk geben. Das wird die neue Versuchstrecke fürs ZDF, um Formate auszuprobieren. Die, die funktionieren, bekommen dann womöglich auch eine Chance im Hauptprogramm.

Foto: Medienforum NRW

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