Um was geht es überhaupt?
In ihrer Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste hat die EU festgelegt, dass Produktplatzierungen im Fernsehen zwar generell verboten bleiben sollen, in Ausnahmen aber erlaubt werden. Bis Ende des Jahres soll die Vorgabe umgesetzt sein. Das geschieht im 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, den die Ministerpräsidenten der Länder beschließen. Ursprünglich hatte sich Deutschland dagegen gewehrt, Produktplatzierungen im Fernsehen zu erlauben, diese Position war aber auf europäischer Ebene nicht durchsetzbar.
Ist das schlimm?
Kommt drauf an, wie man’s sieht. Mit der Neuregelung wird zum ersten Mal in Deutschland die Trennung von Programm und Werbung gelockert. Das gab es vorher noch nicht. Mal sehen, was die Sender draus machen.
Was bedeutet das für die Zuschauer?
Ganz einfach: Unternehmen können künftig ganz legal gegen Bezahlung ihre Produkte in Sendungen platzieren, ausgenommen sind lediglich Zigaretten und Arzneimittel. Allerdings hat die EU Bedingungen für solche Platzierungen beschlossen: Ein Produkt darf zum Beispiel „nicht zu stark herausgestellt“ werden. (Wann genau das der Fall ist, hat sie leider nicht dazu beschlossen.) Eine redaktionelle Beeinflussung ist ebenfalls verboten. Außerdem müssen die Zuschauer „eindeutig auf das Bestehen einer Produktplatzierung hingewiesen werden“. Dafür soll es eine einheitliche Kennzeichnung geben, die zu Beginn und am Ende einer Sendung sowie nach Werbepausen eingeblendet werden, „um jede Irreführung des Zuschauers zu verhindern“. Zuschauer, die mitten in eine Sendung reinzappen, haben Pech gehabt und sehen davon nix. Eine durchgehende Kennzeichnung oder eine Kennzeichnung in dem Moment, in dem die Produktplatzierung tatsächlich zu sehen ist, wird es nicht geben, weil die Politik fürchtet, dass das vom eigentlichen Programm ablenken und den Werbeeffekt noch erhöhen würde.
Gibt es jetzt bald in allen Sendungen Product Placement?
Nein. Die Freigabe gilt laut EU generell für folgende Fälle:
1. bei Kaufproduktionen (zum Beispiel Kinofilmen, weil sich Product Placement da von den Sendern eh nicht verhindern lässt) für private und öffentlich-rechtliche Sender
2. bei Eigen- und Auftragsproduktionen, aber nur für Privatsender und in bestimmten Genres: Filmen, Serien, Sportsendungen und „leichter Unterhaltung“, zu denen keine Sendungen gehören sollen, die „neben der Unterhaltung im wesentlichen informierenden Charakter haben“, also Ratgeber- und Verbrauchermagazine. In Nachrichten und Kinderprogrammen ist Product Placement weiterhin ohne Ausnahme untersagt.
Und was ist mit ARD und ZDF?
Die Länder wollen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk bezahltes Product Placement komplett untersagen, ARD und ZDF haben allerdings auch schon Selbstverpflichtungen formuliert, in denen sie sich bezahltes Product Placement selbst verbieten. Das bedeutet allerdings nicht, dass es bei ARD und ZDF keine Produktplatzierungen geben wird. Derzeit streiten die Länder nämlich darüber, ob die so genannten „Produktionshilfen“ weiter erlaubt sein sollen. Um eine „Produktionshilfe“ handelt es sich zum Beispiel, wenn eine Firma Preise für ein Gewinnspiel zur Verfügung stellt und in der Sendung genannt wird oder wenn die ARD Autos für den „Tatort“ und das ZDF das „Traumschiff“ kostenlos überlassen bekommt. Anders als beim Product Placement wird für „Produktionshilfen“ kein Geld gezahlt. (Die EU macht diesen Unterscheid allerdings nicht, das ist eine deutsche Erfindung.)
Für den Zuschauer macht das alles keinen Unterschied – weil er ja nicht weiß, ob ein Produkt bezahlt oder unbezahlt in einer Sendung untergebracht wird, und das Unternehmen, das sein Produkt kostenlos abgibt, trotzdem auf den Werbeeffekt im Programm hofft. Die SPD-geführten Länder sind dennoch dafür, „Produktionshilfen“ weiter zu ermöglichen, weil sich, so das Argument, ARD und ZDF sonst viele Sendungen nicht mehr leisten könnten. Die CDU-geführten Länder fordern ein generelles Verbot. Eine Einigung steht noch aus.
Wer profitiert von der neuen Regelung?
Die Sender und die Werbeindustrie. Für die Sender bietet Product Placement die Möglichkeit, die Werbung näher ans Programm zu holen, damit die Zuschauer sie nicht einfach wegzappen können. Die werbenden Unternehmen müssen nicht mehr hinnehmen, dass ihre Produkte im Zweifel in mehrminütigen Werbepausen untergehen, und können etwa über Ausschlussklauseln festlegen, dass bei ihren Placements in derselben Sendung kein Konkurrenzprodukt auftauchen darf.
Warum macht die EU das?
Unter anderem, um „den Auswirkungen des Strukturwandels, der Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und den technologischen Entwicklungen auf die Geschäftsmodelle und insbesondere auf die Finanzierung des kommerziellen Rundfunks Rechnung zu tragen (…)“.
Was sagen die Privatsender?
Martin Krapf, Geschäftsführer des RTL-Vermarkters IP Deutschland, hat kürzlich auf einer Veranstaltung der Medienanstalt Hamburg & Schleswig-Holstein (MA HSH) vor einer „Überbewertung“ von Product Placement „gewarnt“: Er halte einen Anteil von 2 bis 3 Prozent bei der Refinanzierung von Produktionen durch Produktplatzierung für realistisch. Einen Vorschlag für eine Kennzeichnung (bitte runterscrollen) hat Krapfs Unternehmen im Auftrag der Landesmedienanstalten auch entwickeln dürfen.
Und wie geht’s jetzt weiter?
Die Rundfunkreferenten der Länder erarbeiten einen Entwurf für den 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, den die Ministerpräsidenten beschließen werden. Vorher müssen sich SPD und CDU noch in einigen Details einigen. Und im Fernsehblog steht demnächst bestimmt öfter mal was zu diesem Thema.
Screenshots: Pro Sieben
Im ersten Satz mal noch die...
Im ersten Satz mal noch die Singularform von „sollen“ durch die Pluralform ersetzen 🙂
@BloodyFox: Na gut, weil du's...
@BloodyFox: Na gut, weil du’s bist.
Das wird wieder ein ähnlich...
Das wird wieder ein ähnlich unausgegorener und keinem Kunden (Gebührenzahler) zu vermittelnder Regel-Wirrwarr wie bei der jüngsten Zwangskastration des Internet-Angebots der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.
Von wegen „in neun Schritten auskennen“ – das werden letztendlich eher 90 Schritte…
Dass ich an Product Placement...
Dass ich an Product Placement nichts Verbotswürdiges finde, habe ich hier schon oft gesagt, bestimmt langweile ich schon alle, aber ich kann ja auch nichts dafür, dass es dauernd um Schleichwerbung geht.
Ich finde aber jedenfalls, dass wir uns in die eine oder andere Richtung klar entscheiden sollten. Diese zahllosen Sonderregelungen und Ausnahmen verwirren doch nur erschweren die Rechtsanwendung. Außerdem macht man sich mit so was als Gesetzgeber lächerlich.
Ich kann mir kaum vorstellen, das es noch viel schlimmer werden könnte, wenn man die Sender einfach machen ließe, was sie wollten. Vielleicht habe ich aber auch einfach nicht genug Fantasie.
Ich find eigentlich an der...
Ich find eigentlich an der ganzen Thematik nur schade, dass EU-Recht sich hier gegen das Deutsche Recht durchsetzen kann, aber beim Jugendschutz – ich denke da vornehmlich an irgendwelche bis yur Sinnlosigkeit entschaerften Spiele – da muss man sich nicht nach dem europaeischen Standard richten.
<p>Ich möchte Euch mal kurz...
Ich möchte Euch mal kurz auf eine bisher in der Diskussion immer wieder unterschlagene Seite des Themas hinweisen… die der Kreativen und Produzenten.
In der deutschen Fiction – die unbestritten in einer tiefen Krise steckt – treten wir unter anderem seit Jahren auf der Stelle, bzw, laufen den eingekauften Serien und Filmen aus dem Ausland hinterher weil die Ansprüche auf der einen Seite an Stoffentwicklung und Production Value permanent steigen, die Budgets der auftraggebenden Sender gleichzeitig immer weiter fallen. Zudem betreiben wir permanent einen sehr hohen Aufwand um jeglichem Verdacht von Product Placement aus dem Wege zu gehen, selbst wenn es sich eigentlich kaum vermeiden lassen würde (Stichwort: Abbildung des modernen Großstadtlebens mit Läden, Leuchtreklamen, Postautos im Hintergrund). So manchen Produktion könnte gut eine eigene Decifix Fabrik betreiben… Dabei könnte man mit der Aufhebung dieses Verbotes eben zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Uns Filmemachern wäre endlich die Möglichkeit gegeben, die Welt die uns umgibt als Spielort für eine Geschichte unverfälscht und nachvollziehbar abzubilden, ganz ohne erfundene Produkte und Fakes die dann alles als nicht real entlarven, das ganze manchmal sogar lächerlich erscheinen lassen.
Den Produzenten wäre endlich die Möglichkeit gegeben, trotz katastrophal niedriger Budgets (und daran wird sich so schnell nichts ändern) mit der Hilfe von Sponsorings und Kooperationen dennoch Filme und Serien mit ordentlichem Prod. Value herzustellen, die international wettbewerbsfähig sind. Die Erfahrungen im Kinobereich zeigen ja, dass der Markt da vieles selbst regelt. Meiner Meinung besteht keinerlei Gefahr von werbeüberfrachtetem „gelenktem“ Programm. Auf der einen Seite sind die Produzenten sind (in der Mehrzahl) verantwortungsbewusst und emanzipiert genug, sich da nicht instrumentalisieren zu lassen. Zum anderen hat auch die Industrie selbst kein Interesse an einer Überschwemmung der Fiction durch ihre Produkte und ist da generell sehr vorsichtig.
Und dann darf man endlich mal auch dem Zuschauer nicht die Mündigkeit absprechen, auch entscheiden zu können ob er das okay findet wenn ein Programm Product Placement enthält oder es ihn nervt und er gar deshalb abschaltet. Auch was dies betrifft ist man durch den direkteren Austausch mit dem Publikum beim Kino schon viel weiter und hat erkannt, dass der Zuschauer da klare Grenzen seiner Akzeptanz zieht.
Grundsätzlich empfinde ich die Gesetzeslage wie sie seit Jahren besteht als Wettbewerbsnachteil für heimische Produktionen gegenüber den eingekauften amerikanischen. Da es bei diesen ja nie in Frage gestellt wurde, sehe ich auch keinerlei Grundlage für den Standpunkt man wolle ja den Zuschauer schützen. Wenn es nämlich so weiter geht wie im Moment, dann werden (vor allem im dt. Privatfernsehen) in den nächsten Jahren immer weniger Eigenproduktionen zu sehen sein und immer mehr mit großen Budgets und tollen Product Placement Sposorings versehene lang entwickelte und gut produzierte amerikanische Produktionen… oder glaubt hier ernsthaft jemand, der mittlerweile zum Kult gewordene Klingelton der CTU Telefone (der es neben vielen Handys sogar auf den Soundtrack der Serie geschafft hat) wurde nur gewählt, weil er so funky klingt?
"Und dann darf man endlich mal...
„Und dann darf man endlich mal auch dem Zuschauer nicht die Mündigkeit absprechen, auch entscheiden zu können ob er das okay findet wenn ein Programm Product Placement enthält oder es ihn nervt und er gar deshalb abschaltet. “
aber genau das passiert doch, gegen ein Sponsoring ist doch nichts einzuwenden, wenn ein Unternehmen einen Film offensiv fördert und bei der Kinoauswertung auf die Produkte hinweist oder zu der DVD Werbung beilegt etc.
Aber PP ist nun mal die unschöne Art dem Verbraucher etwas unterzujubeln, man denke an die letzten Bonds, das war heiteres Produkteraten und nur noch peinlich. Wenn die Konsequent ist, dass man weniger eigenproduziertes auf den Fernseher bekommt, dann ist das halt so, mir immer noch lieber als die Ausweitung der Werbezone. Es scheinen ja auch nur die Produktionen für die Werbewirtschaft interessant die auf den Mainstream setzen, während kleinere Produktionen kaum auf Zuwendungen jeglicher Art verlassen können, somit ist der Verlust durchaus verschmerzbar
@Tobi Baummann: Ich wünsche...
@Tobi Baummann: Ich wünsche mir sehr, dass es möglich ist, bei TV- und Filmproduktionen einen entspannteren Umgang mit Marken zu pflegen, eben da, wo sie tatsächlich in unserem Alltag vorkommen – und dass nicht jeder Zeitungsständer mit „Bild“-Logo abgeklebt werden muss. Allerdings wird euch die PP-Regelung das Leben da vermutlich nicht sehr viel einfacher machen: Angenommen, eine Firma bezahlt dafür, dass ihr ein Produkt in eine Sendung oder einen Film integriert – dann wird sie ganz sicher darauf bestehen, dass dort keine Konkurrenzprodukte auftauchen (auch wenn die vielleicht nicht bezahlt sind). Und dann heißt es wieder: abkleben. Wenn ihr aber plötzlich alle Marken abfilmt, die uns tagtäglich so begegnen, geht den Sendern ein Geschäft flöten. Weil die Unternehmen dann sagen: Wozu sollen wir für PP bezahlen, wenn eh permanent unser Logo auf der Eistruhe im Kiosk zu sehen ist?
Und leider sehe ich auch dein Argument sehr kritisch, die Produzenten seien sehr vorsichtig mit der Produktintegration, zumindest mit einer „Überschwemmung“ (die Produzentenallianz kann es kaum erwarten, dass PP endlich erlaubt wird). Ich würde sogar eher davon ausgehen, dass die Produzenten da – angesichts der miserablen Budgets, die die Sender z.T. noch haben – am ehesten schwach werden, wenn sie das verlockende Angebot eines Unternehmens bekommen, ein Produkt oder eine Marke in einer Sendung oder einem Film auftauchen zu lassen – und dann, auch wenn das nicht erlaubt ist, womöglich stärker in den Handlungsablauf zu integrieren. Denn bei aller Liebe zum eigenen Programm: Im Moment überlegt jeder erstmal, wie er selbst über die Runden kommt, oder?