Der Gewinnspielsender 9Live klagt gegen die im Februar dieses Jahres in Kraft getretene Satzung, die die Gewinnspielsender zu einem Mindestmaß an Fairness und Transparenz zwingt und zum Beispiel dazu verpflichtet, stündlich die Spielregeln einzublenden. Diese Klage ist überraschender, als es klingt, denn bislang hatten sich der Sender sowie der Privatsenderverband VPRT als Vorreiter genau solcher gesetzlicher Regeln dargestellt, gegen die sie nun juristisch vorgehen. Da die Verlautbarungen des Senders ohnehin höchstens zufällig etwas mit der Wahrheit zu tun haben, hatte man sich in den vergangenen Jahren für die interessante PR-Strategie entschieden, sich scheinbar an die Spitze all derjenigen zu stellen, die verbindliche Regeln für das Geschäft mit den bizarren Anrufsendungen forderten.
Nun, da die Erlöse einbrechen und die Landesmedienanstalten auf die verwegene Idee gekommen sind, die neuen Vorschriften auch anzuwenden, hat sich die Strategie offenkundig geändert – was die alten Beteuerungen besonders märchenhaft erscheinen lässt.
Das Protokoll einer Kehrtwende.
Pressemitteilung 9Live, 3. Mai 2007:
Der TV-Anbieter 9Live, ein Sender der ProSiebenSat.1 Media AG, begrüßt die in der heutigen Sitzung der Landesmedienanstalten getroffenen Ergebnisse zur Regulierung der Gewinnspielregeln für Call TV. Die Vertreter der Aufsichtsbehörden haben sich gemeinsam mit den Veranstaltern von Call TV auf den neuen
Entwurf der Anwendungs- und Auslegungsregeln der Landesmedienanstalten für TV-Gewinnspiele geeinigt. (…) Weiterhin hat die ProSiebenSat.1 Media AG den Vorschlag eingebracht, Call TV auch medienrechtlich abzusichern. Die Sendergruppe hat sich dafür ausgesprochen, eine rundfunkstaatsvertragliche Norm zu verankern, um so Rechtssicherheit zu gewährleisten. Die Landesmedienanstalten haben diesen Vorschlag begrüßt. (…)
9Live-Geschäftsführer Marcus Wolter: (…) 9Live ist Vorreiter für transparentes, chancengleiches und faires Call TV. Als Marktführer für interaktives Fernsehen unterstützen wir alle Maßnahmen für nachhaltig anwendbare Richtlinien.
Pressemitteilung VPRT, 26. Juni 2007:
Die TV-Veranstalter im Verband Privater Rundfunk und Telemedien e. V. (VPRT) begrüßen die heute von der DLM verabschiedete Überarbeitung der TV-Gewinnspielregeln. „Unter Mitwirkung der betroffenen Fernsehunternehmen ist nun ein Regelungsinstrument zustande gekommen, das weitergehende Konkretisierungen vor allem in puncto Transparenz für den Zuschauer und zum Schutz von Minderjährigen enthält und gleichzeitig Rechtssicherheit für die Unternehmen schafft“, so VPRT-Präsident Jürgen Doetz. (…) „Auf diese Weise zeigen die TV-Veranstalter, dass es ihnen ernst ist mit den neuen Regelungen. Es ist auch in ihrem Interesse, dass die TV-Call-In-Formate als Bestandteil des redaktionellen Programms eine ausdrückliche Regelung im Medienrecht erhalten.“ Daher haben sich die privaten TV-Sender insoweit für eine staatsvertragliche Ermächtigungsgrundlage und damit auch für eine Formalisierung der Zuständigkeit der Landesmedienanstalten für Call-In-Sendungen im Rundfunkstaatsvertrag ausgesprochen.
„Der Satzungsentwurf resultiert aus der neuen staatsvertraglichen Verankerung der Gewinnspiele im 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, die wir selbst gefordert haben. Insoweit ist dies nichts Überraschendes. Ohnehin stehen wir bereits in Gesprächen mit den Medienanstalten zu weiteren Fragestellungen bei Gewinnspielen“, so der Sender in einem Statement am Freitag. Und betont gleich: „Gleichwohl praktiziert 9Live die von Ihnen geschilderten Maßnahmen zum Großteil ohnehin schon in seinem Programm, so dass wir keine wesentlichen Auswirkungen erwarten.“
Ralf Bartoleit, Geschäftsführer 9Live, 17. November 2008:
„Was unser Programm angeht, sehen wir für uns [durch die neue Satzung] keine grundlegenden Änderungen. Seit Jahren verpflichten wir uns freiwillig einem strengen Regelwerk und gehen bereits heute mit gezielten Verbraucherhinweisen über die Forderungen der Landesmedienanstalten hinaus. (…) Durch klare Regeln schafft man Transparenz und damit Vertrauen. Deshalb war und ist 9Live auch ein Treiber und Befürworter in dieser Sache. Natürlich kann man sich darüber streiten, ob die deutlich gestiegene Zahl der Hinweispflichten einem Live-Programm zuträglich ist. Aber ein klares Règlement stellt auch einen fairen Wettbewerb sicher, von dem auch der Zuschauer profitiert. Wir setzen uns seit jeher dafür ein, das Geschäftsmodell langfristig und nachhaltig abzusichern.“
Ralf Bartoleit, Geschäftsführer 9Live, 21. Januar 2009:
„Im Frühjahr treten neue Gewinnspielregeln in Kraft, die für alle Anbieter von Call-TV gleichermaßen gelten. Diese gewähren Ihnen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, noch mehr Transparenz und Qualitätssicherung. Viele von den neuen Regeln finden Sie bereits in den 9Live-Qualitäten hier auf unserer Homepage.“
Sylker Zeidler, Pressesprecherin 9Live, 10. Februar 2009:
„9Live hat sich maßgeblich in die Erarbeitung der GWSPR [Gewinspielregeln] eingebracht. Wir sind sehr daran interessiert, ein einheitliches Regelwerk für TV-Gewinnspiele zu etablieren.“
„Welt am Sonntag“, 15. März 2009:
Die hauseigene Abteilung für Spieleentwicklung habe inzwischen mehr als 50 000 Quizspiele entwickelt, die den Satzungsanforderungen entsprechen, so Bartoleit. „Die neuen Inhalte kommen beim Publikum positiv an.“ Der Sender meldet aktuell gestiegene Reichweiten.
Kurz darauf brach der stete Strom von Meldungen über den Erfolg und das Glück der Regulierung abrupt ab.
epd-Medien, 24. Juni 2009:
Wegen mutmaßlicher Verstöße bei Gewinnspielen hat die Medienaufsicht Verfahren gegen die TV-Sender 9Live, DSF, Kabel Eins, Das Vierte, Sat.1 und ProSieben eingeleitet.
„Funk-Korrespondenz“, 26. Juni 2009:
Der Glücksspielsender 9Live geht juristisch gegen die seit Ende Februar gültige Gewinnspielsatzung der Landesmedienanstalten vor. 9Live hat dazu beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) eine Normenkontrollklage gegen die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) eingereicht.(…)
Nach Angaben des VGH geht der Sender nicht gegen bestimmte Regelungen in der Satzung juristisch vor, sondern gegen die gesamte Satzung. Offensichtlich fühlt sich der Sender, der im Vorfeld an der Ausarbeitung der Satzung durch die Landesmedienanstalten beteiligt war, durch die Vorschriften zu sehr in seinen Geschäften eingeschränkt.
Jürgen Doetz, Präsident VPRT, gegenüber „epd-Medien“, 29. Juli 2009:
„Und auch die Verbote, wie sie jetzt durch die Gewinnspielsatzung oktroyiert werden. Es ist gut, dass gegen die Satzung jetzt geklagt wird. (…) Bei allen Interessen, die Verbraucherschützer vertreten, muss die Politik auch an die Existenz der Rundfunkanbieter denken.“
Die Anzahl der Anrufe bei 9Live sei stark zurückgegangen, klassisches Call-TV im Sinne der typischen Gewinnspiel-Sendungen sei nicht mehr so attraktiv, so [ProSiebenSat.1-Chef] Ebeling. Einen ganzen Sender tragen kann das reine Call-TV offensichtlich inzwischen nicht mehr.
Der ProSiebenSat.1-Chef führt das auf die „juristischen Begrenzungen“ zurück, denen 9Live mittlerweile unterliege und meint damit offenbar die Gewinnspielsatzung, die seit diesem Jahr gilt und durch die den Sendern bei Verstößen erstmals empfindliche Konsequenzen drohen.
Das ist einer dieser Punkte,...
Das ist einer dieser Punkte, die ich einfach nicht versstehen kann. Da klagt doch ein Unternehmen tatsächlich, weil es die Leute nicht mehr bescheissen darf. Da ist mir die Existenz der drei Rundfunkanbieter mit ihren jeweils 10 Mitarbeitern aber richtig egal, wenn damit tausende von anderen Menschen von dieser Abzocke verschont bleiben.
"Bei allen Interessen, die...
„Bei allen Interessen, die Verbraucherschützer vertreten, muss die Politik auch an die Existenz der Rundfunkanbieter denken.“
Politsch ausdrücklich erlaubter Beschiss zur Arbeitsplatzsicherung? Eigentlich zum Brüllen komisch. Wenn ein Geschäftsmodell ohne Betrug nicht trägt, sollte man evtl nochmal darüber nachdenken.
Wenn man sich überlegt, dass sich 9live die Taschen jahrelang vollgemacht hat, dann braucht es schon eine gewisse Portion Dreist, sich jetzt über Änderungen zu beschweren, die eigentlich nur die Spielregeln erklären.
Da in unserem Land...
Da in unserem Land mittlerweile alles möglich ist, wird die Satzung wahrscheinlich zurückgenommen und diese Abzock-Sender bekommen noch Staatshilfe – weil es ihnen ja so schlecht geht.
Die spinnen doch.
Alle haben...
Die spinnen doch.
Alle haben an der Satzung gearbeitet. Und die war auch nötig, denn die zuvor selbst erstellten Regeln wurden ständig von 9Live gebrochen (erinnert mich an Raucher, die an Sylvester versprechen nicht mehr zu rauchen und am nächsten Tag gleich die nächste Zigarette anzünden).
Aber dann war die Satzung plötzlich zu hart. Der VPRT opponierte dagegen. Und dann wurden tatsächlich nützliche Punkte gestrichen. Die Satzung wurde also entschärft. Da wurde etwas von technischer Unmöglichkeit geschwafelt, obwohl in Großbritannien es zu funktionieren scheint.
Dann kam das nächste Kapitel des Schmierentheaters. Denn man fand Lücken im Regelwerk, die man dann natürlich auch ausnutzte. Statt sich an die Satzung zu halten, hielt man es für nötig zu schauen, wie weit man gehen kann und nutzte Schwachstellen gnadenlos aus. Das hat mit Fairness und Transparenz überhaupt nichts zu tun.
Es hieß also, dass man alle 30 Minuten jemanden durchstellen muss. Und was machten alle Call-In-Anbieter? Sie erfanden den Quiz-Center-Gewinner, der in ein Quiz-Center durchgestellt wurde, um seine Lösung abzugeben. Und dies geschah, um das 30-Minuten-Limit zu wahren.
Es hieß, dass man die Regeln bildschirmfüllend einblenden und vorlesen sollte. 9Live entschied sich die Regeln nur noch in einem kleinen Bildausschnitt zu präsentieren und die Moderatoren machten sich ständig darüber lustig bzw. empfanden es als störend.
Ein weiterer Bestandteil der Satzung ist, dass man nicht mehr über die Schwere eines Spiels sprechen soll. Tja, besonders Frau Kaiser von 9Live hält sich überhaupt nicht daran.
Die aktuelle Satzung wird besonders von 9Live mit Füßen getreten. Genauso übrigens wie die damals freiwillig erstellten Gewinnspielregeln.
Die Satzung ist nicht mehr als ein Papiertiger. Da aber nun die Möglichkeit besteht Bußgelder aufzuerlegen, klagt 9Live natürlich gegen die Satzung. Soweit kommt es noch, dass 9Live faire und transparente Spiele spielen soll.
Lieber bescheißen und abzocken, ohne Konsequenzen zu befürchten. Das ist der Wunschtraum von 9Live und dem VPRT.
Mir wird übel!
"Offensichtlich fühlt sich...
„Offensichtlich fühlt sich der Sender, der im Vorfeld an der Ausarbeitung der Satzung durch die Landesmedienanstalten beteiligt war, durch die Vorschriften zu sehr in seinen Geschäften eingeschränkt.“
Grossartig. Bald klagen Autodiebe gegen Schlösser, Alarmanlagen und Wegfahrsperren..
Wie oben schon angedeutet, habe ich auch die Befürchtung, dass die Gesetze entweder geändert oder die Medienaufsicht etwas laxer mit der Auslegung umgehen wird. Da hängt ja schliesslich eine ganz Region dran….
DAS MUSS MAN SICH MAL AUF DER...
DAS MUSS MAN SICH MAL AUF DER ZUNGE ZERGEHEN LASSEN!
Da klagt also ein Sender gegen die Gewinnspielsatzung, an dessen Erarbeitung er massgeblich selber beteiligt war! Und warum? Weil die kontrollierenden Landesmedienanstalten nun doch endlich mal durchgreifen und mit Bussgeldverfahren drohen (ich sage bewusst drohen, denn ich habe noch über kein abgeschlossenes Verfahren lesen können)!
Und die Veranstalter stellen sich ernsthaft hin und schieben den Rückgang der Anrufbeteiligung auf die ach so vielen Regeln, die sie sich auferlegt haben, zurück. Und Herr Langheinrich hat nichts besseres zu tun, als diesen Leuten indirekt Recht zu geben und zu äußern, das durch die vielen Regeln ja der Spielfluss und -spass gestört sei! HALLO? GEHTS NOCH? Der Spielfluss wird nicht durch das Vorlesen irgendwelcher Regeln oder Spielmodi gestört, sondern vielmehr durch das permanente „Nicht-Durchstellen“ von Anrufern über Minuten oder gar Stunden!
Anstatt sich mal ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wie man Call-In wieder (wenn es das denn jemals war) für den Zuschauer attraktiv zu gestalten, schiebt man den schwarzen Peter lieber den Kontrollinstanzen zu, die, meiner Meinung nach, noch immer viel zu harmlos bei der Durchsetzung des bestehenden Regelwerks zu Werke gehen. Bestes Beispiel: eine Regel besagt klar und deutlich (ohne, dass es dort etwas zu interpretieren gäbe), daß die Erklärung zum jeweiligen Spielmodus BILDSCHIRMFÜLLEND und KLAR LESBAR zu erfolgen hat. 9LIVE jedoch hat nichts besseres zu tun, als diese Regel deutlich zu brechen, indem sie besagte Regeln und Spielmodi nichtmal den halben Bildschirm füllend und schon gar nicht deutlich lesbar einblenden. Und die aufsichtsführende Landesmedienanstalt BLM sieht dabei tatenlos zu – trotz mehrfacher Beschwerden seitens der Zuschauer.
Aus eigener, leidlicher Erfahrung vermute ich jedoch, daß der Veranstalter 9LIVE mit dieser Klage auch noch durchkommen wird und die LMAs dazu verdonnert werden, die Satzung doch bitte entsprechend so zu lockern, daß gewährleistet werden kann, daß Call-In-Veranstalter auch in Zukunft eine gesicherte Überlebenschance haben und auch weiterhin Ihre Zuschauer mit teilweise sehr dubiosen Mitteln über den Tisch ziehen können.
DU BIST DEUTSCHLAND <--- GUTE NACHT!!!
ist schon wieder 1. april?!?!...
ist schon wieder 1. april?!?! *nachguck*
das ist echt mal dreist O.O
Huch? 9Live existiert noch?...
Huch? 9Live existiert noch? Und da rufen wirklich noch Leute an? Mann, mann, mann kann man da eigentlich nur noch sagen.
Zum Verhalten von 9Live in diesem Fall muss man ja auch kein Wort mehr verlieren – gebt den Kabelplatz mal bitte nem nützlichen Sender (hatte nicht die BBC Interesse am deutschen Markt angemeldet?)!
Der eigentliche Skandal ist...
Der eigentliche Skandal ist doch der, dass die LMAs immer wieder jedes Auge zudruecken, um die siechen – kann man sagen Sender (oder waere es nicht treffender von Schmierentheater 2ter Klasse zu sprechen) nicht untergehen zu lassen.
Ich frage mich zB immer, was die LMA Saarland (wohne dort und kann deshalb diese Anstalt am ehesten beurteilen) eigentlich so tut. And der Spitze steht ein abgehlafterter Berufspolitiker der CDU (weil die die Regierung stellt) den man auf einen Posten entsorgen musste. Diese Leute haben wohl immer ein „Nach der naechsten Wahl Szenario“ im Kopf und wollen es sich mit den privaten Medienmachern nicht verderben weil man koennte ja…
Liebes TV-Volk,
nun sind wir...
Liebes TV-Volk,
nun sind wir doch mal in der Tiefe des Abgrundes ehrlich: Wo wären wir ohne Rufmichanundwerdescheissereich-Gewinnspiele? Wo wäre ein ganzer Berufsstand. So pädagogisch verzichtbare Formate wie Fernsehkritik.tv, solche Blogs wie der á la Niggemeier und dem Peer? Ich möchte behaupten: 9live hat proportional so viele Arbeitsplätze direkt und indirekt geschaffen wie Existenzen in den finanziellen Anrufruin getrieben. Und wenn man das gegen rechnet: Gleicht`s sich doch wieder aus. So wie man für jedes gefällte Bäumchen 2 neue pflanzen muss.
Sehen wir doch nicht immer alles so verbissen!