Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Genauso doof wie die anderen: "Explosiv" und das falsche Jackson-Video

| 31 Lesermeinungen

Richtig freundlich waren die Reaktionen nicht, nachdem RTL heute zugab, ein auf Youtube aufgetauchtes Video, in dem ein quicklebendiger Michael Jackson in einer Tiefgarage einem Leichenwagen entsteigen soll, selbst gedreht zu haben. Bei "Explosiv" ist man trotzdem stolz auf die Investigativleistung – und merkt gar nicht, damit bloß die eigene Verlogenheit bewiesen zu haben.

„Ja, wir haben ein Video gefälscht, und: ja, wir haben das mit Absicht getan“, hat Nazan Eckes in der „Explosiv“-Sendung vom Donnerstag gestanden, und es klang nicht nur wahnsinnig stolz, sondern auch ein klitzekleines bisschen nach Rechtfertigung.

So richtig freundlich waren die Reaktionen schließlich nicht, nachdem RTL heute zugab, ein auf Youtube aufgetauchtes Video, in dem ein quicklebendiger Michael Jackson in einer Tiefgarage einem Leichenwagen entsteigen soll, selbst gedreht zu haben. Zum einen, weil vorher zahlreiche Medien drauf reingefallen waren und sich die Nachricht, Jackson könnte am Leben sein, rasend schnell im Internet verbreitete. Und zum anderen, weil RTL sich nun fragen lassen muss, ob man nicht auch verstorbenen Pop-Helden nach deren Tod noch sowas wie eine Restwürde lassen müsste anstatt Spielchen mit ihnen zu treiben.

Bild zu: Genauso doof wie die anderen: "Explosiv" und das falsche Jackson-Video
Screenshot: RTL

Wahrscheinlich hatte Nazan Eckes da aber schon ihre Bewerbung für den Deutschen Fernsehpreis fertig formuliert und wollte sich nicht von irgendwelchen Moralaposteln reinpfuschen lassen:

„Man kann das geschmacklos finden, aber eigentlich sind wir nur auf einen Zug voller Gerüchte aufgesprungen, der schon längst losgefahren war.“

Der Zug, auf den Eckes mit ihrer Redaktion aufgesprungen ist, fährt übrigens nach Idiotistan, von dem niemand so genau weiß, wo das eigentlich liegt, sondern nur, dass es dort ziemlich voll sein muss. Überall auf den Bahnsteigen sitzen Verschwörungstheoretiker, die nichts Besseres zu tun haben als sich gegenseitig zu erklären, warum Jackson vielleicht noch am Leben sein könnte. Und da dachte sich RTL: Denen zeigen wir mal, wie doof das wirklich ist (Beitrag bei rtl.de ansehen).

Herausgekommen ist ein Video, auf das vielleicht deshalb so viele Leute reingefallen sind, weil es gut inszeniert ist: Die Bilder sind unscharf und verwackelt und suggerieren Echtheit, im Hintergrund keucht der Hobbyfilmer angestrengt, so als hätte er sich sehr beeilen müssen, die Aufnahmen durch das Drahtgitter zu machen. Der Leichenwagen sieht aus wie ein amerikanischer Leichenwagen, eine schmächtige Gestalt mit einem weißen Hemd und längeren dunklen Haaren steigt aus. Den Rest erledigt die Phantasie. Am Donnerstag zeigte „Explosiv“, wie einfach es war, das hinzukriegen: Die Redaktion hat einen amerikanischen Transporter bekleben lassen, ihn in eine Düsseldorfer Tiefgarage gestellt, ein geliehenes Warnlicht aufs Dach gelegt und einen blass geschminkten 14-Jährigen gebeten, auszusteigen, während ein Bodyguard vor ihm steht.

„Eigentlich gibt es schon einige Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass unser Video gestellt ist“,

rühmte sich der Off-Sprecher. Aber Zeit, um zu erklären, warum das „ein offensichtlich falsches Video“ (Eckes) war, blieb keine, weil ja genüsslich ausgekostet werden sollte, dass alle drauf reingefallen waren. Die „Verschwörungstheoretiker“, die „rumgesponnen“ hätten, und die Medien, die einfach so Topnachrichten draus machten. „Explosiv“ war sich nicht mal zu blöd, die Redaktion eines Videoklatsch-Magazins zu besuchen, die zuständige Redakteurin zum Interview zu bitten und dann vor laufender Kamera zu fragen, was sie denn sagen würde, wenn sie erführe, dass RTL das Video gedreht habe. Tja. Da ist der Frau erst mal die Miene eingefroren und anschließend nichts anderes eingefallen als:

„Dann gratuliere ich Ihnen dazu. Sie haben das wirklich gut gemacht.“

Bild zu: Genauso doof wie die anderen: "Explosiv" und das falsche Jackson-Video
Screenshot: RTL (Verfremdung von uns)

Aber das ist natürlich Quatsch. Es gibt überhaupt keinen Grund für Gratulationen – und das merkt man auch sofort, wenn man fragt: Wozu der ganze Unsinn?

Um zu zeigen, wie schnell sich Verschwörungsvideos im Internet verbreiten und wie leichtgläubig die Menschen sind, sagt „Explosiv“. Aber hallo! Ist ja spitze, dass das endlich mal jemand bewiesen hat. Vielleicht prüft als nächstes mal einer von RTL, ob es diese Schwerkraft, von der immer alle reden, wirklich gibt. Nüchtern betrachtet hat „Explosiv“ gar nichts bewiesen. Außer dass das deutsche Fernsehen noch doofer sein kann als das amerikanische, weil es die Verschwörungsvideos, über die es berichtet, auch noch selbst drehen muss.

Leider ist zu befürchten, dass die Redaktion ernsthaft der Ansicht ist, mit dieser Geschichte etwas Investigatives geleistet zu haben. Das zeigt, wie arm es um den Journalismus dort bestellt ist, bei einem Sender, der mit seinen Klatschmagazinen zu den größten Gerüchteschleudern des Landes gehört und jederzeit bereitwillig auch noch den wildesten Promitratsch von amerikanischen Websites nachplappert und abfilmt, ohne sich auch nur im Geringsten dafür zu interessieren, was davon stimmen könnte. Als neulich Aufnahmen kursierten, in denen ein angeblicher Geist in Jacksons Villa zu sehen war, tat auch RTL ganz aufgeregt, und dass es sich bei dem Geist vielleicht nur um den Schatten eines Angestellt gehandelt hatte, war erst einmal Nebensache.

Aber so ist das nunmal: Es wirkt unglaubwürdig, anderen eine Leichtgläubigkeit vorzuwerfen, mit der man sonst selbst sein Geld verdient. Man kann das geschmacklos finden.

Oder einfach nur verlogen und dumm.


31 Lesermeinungen

  1. Muriel sagt:

    Ich weiß ja immer noch nicht,...
    Ich weiß ja immer noch nicht, wo ihr die Nerven hernehmt, euch diesen ganzen Kram anzusehen. Oder reagiert ihr auf konkrete Hinweise und müsst dann nur bestimmte Szenen prüfen?
    Nebenbei: „… nur, dass es dort ziemlich voll sein muss.“ Der war richtig gut!

  2. pschader sagt:

    @Muriel: Der Beitrag war nur 5...
    @Muriel: Der Beitrag war nur 5 Minuten lang und angekündigt. Insofern: Kein Unglück.

  3. Robert sagt:

    Ich verstehe den Ärger nicht....
    Ich verstehe den Ärger nicht. Ich finde das eine spannende Sache, und warum soll RTL sowas nicht zeigen, wie leichtgläubig die Internetgemeinde ist und wie fix die Medien drauf reinfallen?

  4. Daniel sagt:

    Aber mal ehrlich: würden Sie...
    Aber mal ehrlich: würden Sie diese Aktion vielleicht als Medienkritik würdigen, wenn das Video nicht von RTL, sondern… sagen wir mal… von irgendeinem Bildblogger oder einer sonstigen Privatfigur mit Anspruch zur Gegenkultur stammen würde? Ob da nicht nur EXPLOSIV eine Doppelmoral an den Tag legt, sondern auch Sie?

  5. Frederik sagt:

    "Aber Zeit, um zu erklären,...
    „Aber Zeit, um zu erklären, warum das „ein offensichtlich falsches Video“ (Eckes) war, blieb keine“
    Das wird dann bestimmt bei Galileo geklärt.

  6. Ariane sagt:

    Das war doch keine...
    Das war doch keine Medienkritik, man wollte wohl eher zeigen, dass andere auch so blöd wie RTL sind und jeden Mist glauben. Aber damit das nicht weiter auffällt und gut wirkt, tut man so, als hätte man eine aufklärerische Leistung vollbracht.
    *hust* Hab heute übrigens zufällig bei RTL exklusiv reingezappt, wo über Michael Jackson berichtet wurde, dass es a) Gerüchte um einen unehelichen Sohn gibt, b) dass es verwirrend ist, weil es ja auch Gerüchte gibt, dass er unfruchtbar ist und um dem ganzen die Krone aufzusetzen, c) der Kommentator sich beschwerte, dass niemand den armen Michael Jackson in Frieden ruhen lasse.
    Jetzt warte ich nur auf jemanden, der ein neues Fake-Video dreht, dessen Erstausstrahlung exklusiv bei RTL zu sehen ist.

  7. konix sagt:

    @ Peer Schrader, haben Sie...
    @ Peer Schrader, haben Sie eigentlich in den letzten ca. zwei Monaten mal RTL Punkt 12 gesehen? Die haben da jetzt auch so einen „Investigativer-Journalismus“-Flash bekommen, da dreht sich einem echt der Magen um. Sehe das immer schon mal zufällig und weiß deshalb nicht, ob diese Rubrik jeden Tag in der Sendung ist, aber es ist echt unglaublich; von den „investigativen“ Journalisten“ ausgemachte Bösewichte werden teils tagelang beschattet, Fuß in die Tür, Interview-Versuche noch auf der Toilette, suggestive Fragen an die Opfer („Wie schlimm fandest du das denn?“; „Wie sehr wünschst du dir denn jetzt, dass der bestraft wird?“). Das stellen die sich unter G. Wallraff vor? DAS ist wirklich zum Kotzen.

  8. hllo sagt:

    "...eines Angestellt...
    „…eines Angestellt gehandelt… “ Eines Angestellten?

  9. Sabine sagt:

    Ich weiß nicht, warum sich...
    Ich weiß nicht, warum sich alle aufregen: Es liegt doch am Zuschauer, was er ansieht und was nicht. Und solange es genügend Idioten gibt, die diese Programme einschalten…
    Es hat jeder selbst in der Hand (im wahren Wortsinne die Fernbedienung), solche Formate durch Hebung der Quote zu unterstützen oder eben nicht. Wenn ich sowas lese, zahle ich frohen Mutes meine Fernsehgebühren und bin froh, dass öffentlich-rechtlich solche Entgleisungen eher nicht vorkommen.

  10. Patrick sagt:

    Ich verstehe die Aufregung...
    Ich verstehe die Aufregung ueber das gefakte Video auch nicht. Veraendert ein Blogger den Namen unseres Wirtschaftsministers in der Wikipedia und alle fallen drauf rein, so jubelt die Blogosphaere. Hehe, die Doofen und die nennen sich die Qualitaetsjournalisten. Kommt aber das Regenbogenfernsehen mal auf die Idee, was aehnliches zu probieren, ist die Empoerung gross. Kann ja nicht sein, dass die auch mal etwas Interessantes hinkriegen.
    Oder ist ihnen nicht aufgefallen, dass ihr Satz ‚Es gibt überhaupt keinen Grund für Gratulationen – und das merkt man auch sofort, wenn man fragt: Wozu der ganze Unsinn?‘, 1:1 auch auf die Gutenbergsache anwendbar ist?

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